Sonntag, 20. November 2016

357 »Wurde Papst Clemens II. ermordet?« Teil II

Teil  357 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein







Foto 1: Reformpapst Clemens II.
»Vor allem aber fördert das Grab von Papst Clemens II. die Verbundenheit mit Rom.«, schreibt Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg, in seinem wirklich lesenswerten Buch »Was der Bamberger Dom uns sagen kann« (1). Und weiter heißt es (2): »Der Dom in Bamberg ist die einzige Kathedrale in ganz Deutschland, die ein Papstgrab beherbergt. Suidger wurde auf einer Synode in Suturi, in der Nähe Roms, 1046 zum Papst gewählt und an Weihachten des gleichen Jahres in St. Peter feierlich inthronisiert.  Leider starb er bereits am 9. Oktober 1047. Er gehört trotz seiner kurzen Amtszeit zu den Reformpäpsten des Mittelalters.«

Papst Clemens II. war trotz seiner kurzen Amtszeit ein Reformpapst? Oder war seine Amtszeit so kurz, weil er zu tiefgreifenden Reformen entschlossen war? Wurde seinem Treiben deshalb ein Ende gesetzt? Wurde Papst Clemens II. ermordet? Schon unmittelbar nach seinem Tod wurde spekuliert und immer wieder behauptet: Papst Clemens II. Starb keines natürlichen Todes, er wurde ermordet! Im Jahr 2007 stellte der Papstbiograph Georg Gresser klipp und klar fest (3):

»Schuld daran waren seine Widersacher, die einen blonden Bischof aus dem Norden gerne beseitigt sehen wollten. Mag der letzte Beweis für die Ermordung des Papstes auch mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden heute nicht mehr zu erbringen sein, aus historischer Perspektive erscheint sie mehr als wahrscheinlich.«

Im Jahr 1959 wurden im »Jahrbuch für fränkische Landesforschung« die Ergebnisse einer kriminalistischen Untersuchung von sterblichen Überresten des Reformpapstes Clemens II. publiziert. Offensichtlich lagen den Wissenschaftlern eine ganze Reihe von Proben vor, nämlich »mumifizierte Gewebsproben« »ein eingetrockneter Knochen«, eine »linke Rippe«, »ein knochenähnliches Stückchen fraglicher Lokalisation« und »einige Haare«.

Foto 2: Clemens II., ermordet?
Was fanden die Wissenschaftler mit modernen Mess- und Analysemethoden heraus? Zunächst einmal wissen wir jetzt, dass der Leichnam des nach nur so kurzer Amtszeit verstorbenen Papstes (5) »durch Einbalsamierung konserviert worden war«. Festgestellt wurden aber auch Spuren von Blei, zum Beispiel in den »Gewebsbrocken«  (6): »Demgegenüber wies die Rippe als wegweisenden Befund eine Bleiimprägnation von 50 mg/100 g lufttrockene Rippensubstanz auf.« Offenbar gibt es keinen Zweifel (7): »Der Nachweis der Bleiverteilung gelang in sehr befriedigender Weise durch quantitative Spektrographie.«

Wichtig ist, dass das Blei nicht etwa im Rahmen der Balsamierung des Leichnams, sondern von Papst Clemens II. zu seinen Lebzeiten aufgenommen wurde, und zwar (8) »im Sinne einer subchronischen Deponierung«. Fakt ist: Der Papst starb an einer Bleivergiftung. Wurde er also ermordet? Der wohl renommierteste Kirchenkritiker überhaupt, Karlheinz Deschner (* 23. Mai 1924 in Bamberg; † 8. April 2014 in Haßfurt) konstatiert in seinem Magnum Opus »Kriminalgeschichte des Christentums« über Clemens II. (9):

»Die Leiche wurde nach Bamberg gebracht und im Dom beigesetzt – im einzigen Papstgrab nördlich der Alpen. Und neunhundert Jahre später, 1942, fand man bei seiner Öffnung nicht nur prächtige Pontifikalgewänder und immer noch, wie bereits bei der Graböffnung 1731, ›viele licht-gelbe Haare‹. Sondern bei einer toxikologischen Untersuchung auch einen merkwürdigen Bleigehalt in den Knochen. Der alte, schon seit dem Hochmittelalter kursierende Verdacht, er sei vergiftet worden, vermutlich von Papst Benedikt, scheint dadurch bestätigt. Für die übrigen vier ›deutschen Päpste‹ damals, für Damasus II., Leo IX., Viktor II. und Stephan IX., ›gilt der Giftmord als unwahrscheinlich‹.«


Foto 3: Das Papstgrab, hinter der Kathedra

Die Faktenlage: Clemens II. nahm zu Lebzeiten kontinuierlich Gift ein. Wenn er vergiftet wurde, dann verabreichte man ihm nicht eine tödliche Dosis auf einmal, sondern nach und nach kleinere Mengen. Aus der Kriminalgeschichte ist hinlänglich bekannt, dass geschickte Giftmörder ihre Opfer langsam um die sprichwörtliche Ecke bringen. Bei Papst Johannes VIII. ging man recht zögerlich vor, so dass der Stellvertreter Christi von seinen ungeduldigen Mördern schließlich zu Tode geprügelt wurde. Bei Papst Johannes X. wählte die Tochter seiner Geliebten die richtige Mischung, die den Papst abrupt ins Jenseits beförderte. In seiner Ausgabe  46 berichtete »Der Spiegel«  im Jahr 1997 über den mysteriösen Tod von Papst Johannes Paul I. Was selbst den meisten Theologen unbekannt sein dürfte, stellte »Der Spiegel« nüchtern fest (10): »Fest steht eines: Das Vergiften von Päpsten hat eine lange Tradition. Schon 882 war Johannes VIII. von seinen Getreuen ein toxischer Trank verabreicht worden.«

Fotos 4 und 5: Die Kathedra
Wir stehen mit dem Kaisergrab im Rücken im Dom zu Bamberg und blicken in Richtung Ostchor. Müssten wir nicht das berühmte Papstgrab sehen? Wir gehen weiter zum Westchor, bleiben schließlich stehen. Links harrt an einer steinernen Säule die Statue von Bischof Friedrich von Hohenlohe mit einer Bibel im Arm (Foto 8) stoisch der Dinge, die da noch kommen. Weiter dürfen wir nicht gehen. In der Mitte des Peterschores erkennen wir die bischöfliche Kathedra (Fotos 4 und 5). Der Münchner Künstler Leonhard Romeis hat den imposanten Bischofsthron erst anno 1903/04 geschaffen. Und dahinter verbirgt sich das Hochgrab von Papst Clemens II. (Siehe 4 Foto 4, im gelben Oval!) Diese Tumba des Papstes dürfte vielleicht schon um 1240 an den heutigen Platz im Dom geschafft worden sein. Zahlreiche Fragen konnten bis heute nicht mit Sicherheit beantwortet werden. So ist nach wie vor umstritten, ob die rätselhaften Marmorreliefs am päpstlichen Grabmal Originale aus dem 13. Jahrhundert oder  Kopien aus dem 17. oder 18. Jahrhundert sind (11).

Einigkeit herrscht in Expertenkreisen in einem wichtigen Punkt:  Das heutige Papstgrab wurde zwischen 1232 und 1237 als Ersatz für die ältere, ursprüngliche Tumba geschaffen. Wann genau die mit Reliefs verzierten Seitenwände hinzukamen, ist unsicher, vermutlich im 13. Jahrhundert. Über die erste Version des Clemens-Grabs wissen wir nichts. Und auch die Reliefs am bis heute erhaltenen Grab sind rätselhafter als wie vielleicht wahrhaben wollen.

Foto 6: Barbusige »Mäßigkeit« oder Giftmischerin?
Auf der nördlichen Längsseite des päpstlichen Marmorsargs sind drei Persönen im Halbrelief verewigt. In der Mitte steht eine Frau. Sie ist, wie man bei genauerem Hinsehen deutlich erkennt, barbusig. Ihre lockigen Haare fallen der Lady auf die Schultern. Den Kopf hält sie geneigt. Ein Bein hat sie angewinkelt, das andere weit ausgestreckt. In ihrer rechten Hand hält sie einen großen Krug am Henkel. Auf dem linken Arm trägt sie einen weiteren Krug. Sie hält ihn ein Stück hoch. Aus der weiten Öffnung strömt Flüssigkeit in den tiefer gehaltenen Krug mit Henkel. Die Theologie hat eine Erklärung parat: Die Dame ist die personifizierte »Temperantia«, die bildliche Darstellung einer der Kardinaltugenden, nämlich der Mäßigkeit. Übermäßiger Alkoholkonsum ist unvereinbar mit dem Ideal der »Temperantia«. Deshalb mischt die Dame dem Wein Wasser bei. So kann man viel trinken, ohne zu viel Alkohol aufzunehmen. Wieso freilich ausgerechnet die personifizierte »Mäßigkeit« barbusig daherkommt, ist mir schleierhaft.

Aber könnte das Bild am Papstgrab noch eine versteckte Botschaft enthalten? Vor dem Hintergrund einer möglichen Ermordung von Papst Clemens II. mit Gift lässt sich die Schöne auch als Giftmischerin verstehen, die dem Wein des Papstes Gift beimengt. Wurde in edlem Marmor ein Hinweis verewigt, warum der Reformpapst nach nur einigen Monaten der Amtszeit bereits das Zeitliche segnete? Das für den Papst tödliche Gift kann ihm sehr wohl in süßem Wein verabreicht worden sein.

Eine »Giftmischerin« auf dem Papstgrab mag schon befremdlich wirken. Was sagt man dann aber zu einer Drachenbändigerin auf dem gleichen Grab? Fortsetzung folgt...

Foto 7: Die Drachenbändigerin

Fußnoten
1) Schick, Ludwig:  »Was der Bamberger Dom uns sagen kann«, Bamberg, 1. Auflage 2012, Seite 48, leicht gekürzt
2) ebenda
3) Zitiert nach dem Wikipediartikel über Benedikt IX
4) Specht, W.: »Der Tod des Papstes Clemens II./ Eine toxikologische Studie«, erschienen in dem »Jahrbuch für fränkische Landesforschung«, 19, 1959, herausgegeben vom »Institut für fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen«, S. 261-S.264
Foto 8: Bischof Friedrich von Hohenlohe mit einer Bibel im Arm
5) ebenda, Seite 263, Zeilen 5 und 6 von unten
6) ebenda, Seite 262, Zeilen 20 und 21 von unten
7) ebenda, Seite 262, Zeilen 9 und 10 von unten
8) ebenda, Seiet 263, Zeilen 19 und 20
9) Deschner, Karlheinz: »Kriminalgeschichte des Christentums/ Band 6/ Das 11. Und 12. Jahrhundert«, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 192
10) »Der Spiegel« 46/ 1997,  S.190-192: »Tödliche Menge«
11) Zerbes, Maren; »Bauforschung zum Grabmal Papst Clemens II.«, erschienen in »Clemens II. Der Papst aus Bamberg«, herausgegeben vom Erzbischöflichen Ordinariat, Bamberg 1997, S. 45-80
12) Specht, Walter und Fischer, Kurt: »Vergiftungsnachweis an den Resten einer 900 Jahre alten Leiche«, erschienen in: »Archiv für Kriminologie«, Band 124, H. 3/4, 1959, S. 61–84.

Fotos 9 und 10: Der geheimnisvolle Drache vom Papstgrab
Zu den Fotos
Foto 1: Reformpapst Clemens II. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2:  Clemens II, ermordet? Darstellung etwa 1910, Archiv Langbein
Foto 3: Das Papstgrab, hinter der Kathedra. Foto wiki commons Johannes Otto Först
Fotos 4 und 5: Die bischöfliche Kathedra
Foto 6: Barbusige »Mäßigkeit« oder Giftmischerin? Foto wiki commons Immanuel Giel
Foto 7: Die Drachenbändigerin. Foto wiki commons Johannes Otto Först
Foto 8: Bischof Friedrich von Hohenlohe mit einer Bibel im Arm. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 9 und 10: Der geheimnisvolle Drache am Papstgrab. Fotos wiki commons Johannes Otto Först

358 »Das Grab des Papstes«,
Teil  358der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 27.11.2016


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