Sonntag, 20. April 2014

222 »Die Götter der Steine«, Teil 3



Teil 222 der Serie (1)
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


»Wild zerklüftete Felsformationen«, konstatiert die Fachautorin Hadeswintha Schröer (2), »haben die Menschen schon immer angezogen und tief beeindruckt. An solchen Orten war (und ist) nicht nur die Natur in besonderem Maße zu sehen und zu spüren, sondern man vermutet dort auch eine Heimat der Götter oder von unbekannten Geist- und Naturwesen. So fanden an derlei Plätzen schon in frühester Vorzeit Kulte und Rituale statt, die den Menschen mit diesen herrschenden Mächten in Verbindung bringen und versöhnen konnten.« (Foto links: Zerklüftete Felsformation der Externsteine... Foto: Walter-Jörg Langbein.)

1992 erklärte mir »Houngan-Man« auf der Osterinsel ein uraltes Weltbild. Demnach sahen die Wissenden in den ältesten Kulturen im Stein die Götter der Vorzeit. Vulkane fördern Lava aus dem Erdinneren nach oben. Die Vulkankegel sind in diesem Bild Götterberge. Die Statuen der Osterinsel, aus Vulkangestein geschaffen, sind nach dieser Sichtweise nicht einfach nur steinerne Plastiken, sondern haben das Göttliche in sich… so der »Houngan-Man«.  (Foto rechts: Osterinselstatue. Foto Walter-Jörg Langbein.)

Für den Eingeweihten sind zerklüftete Felsformationen, so der »Houngan-Man, etwas Göttliches. »Er sieht die Steine wie Skulpturen der Götter. So wie wir ein Buch lesen, so studiert er in den Klüften von Steinen. Vielleicht arbeitet er auch natürliche Formationen nach, um die Bilder, die er zu erkennen vermeint, zu verstärken und zu verdeutlichen!«


Die Externsteine ...
Foto Walter-Jörg Langbein


Die Externsteine sind ein lohnendes Reiseziel. Sie liegen im Teutoburger Wald, im Kreis Lippe... umgeben von »einer parkartigen Anlage« (3). Es ist zu empfehlen, die beiden Felstürme zu erklimmen, die mit recht steilen Treppen versehen sind. Der Ausblick ist herrlich. Man fühlt sich in einen Märchenwald versetzt, aus dem mysteriöse Steinsäulen ragen. So führte »Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen« im Film auch zu den Externsteinen. Der deutsche Horrorfilm »Die Schlangengrube und das Pendel« entführt seine Zuschauer auch zu den Externsteinen. Im Film von Harald Reinl, nach Edgar Allan Poes »The Pit and the Pendulum« werden die »Externsteine« zu einer schaurigen Kulisse. Und wer – verbotener Weise – jenen mysteriösen Ort bei Nacht besucht, der spürt die mystisch-unheimliche Atmosphäre des uralten Kultorts!

Ideale Filmkulisse.. für Märchen wie für Horrorfilme.
Foto Walter-Jörg Langbein

Die Gefilde um die Externsteine hießen bis ins 18. Jahrhundert »Asnighain«, zu Deutsch »Hain der Asen«, also »Hain der Götter«. Der Name »Externsteine« erlaubt vielfältige Interpretationen. Der heutige Terminus – eben »Externsteine« - wird gewöhnlich recht profan interpretiert. Da wird das mittelniederdeutsch bemüht: »Egge« bedeutet »lang gestreckter Hügelkamm«, die »Externsteine« werden dann zu »Steine am Hügelkamm«. Oder verweist der heute gebräuchliche Name auf »Elstern-Stein« oder »Elster-Felsen« hin? Tatsächlich lässt sich im 16. Jahrhundert die Bezeichnung »Rupes picarum« nachweisen.

Wir müssen nach älteren Quellen suchen… und werden fündig. Es liegt eine Kaufurkunde des Klosters Abdinghof vor. Da wird die Region der Externsteine »Ida-Feld« genannt. Das Idafeld aber verweist auf die »Bibel des Nordens«, auf die Edda.  Die Edda kennt das »Idafeld« als das mythologische Areal um den Sitz der Götter! Dann wären die Externsteine der Sitz der Götter… oder die »Steine der Götter«. Rudolf Steiner verstand die »Externsteine« auch so! Aus Sicht patriarchalischer Theologen ist eine weitere Erklärung des Namens geradezu verwerflich und ketzerisch: Die Ableitung von »Externsteine« von »Eccestan«, sprich »Mutterstein«! Schwingt da eine Erinnerung an die »Große Göttin« mit?

Blick durch das Rundfenster im Sacellum.
Foto Walter-Jörg Langbein
Die Etymologie ist aber nicht eindeutig! So gab es bei den Cheruskern – Siegrun Laurent weist darauf hin (4) – den Namen »Agistersetine« oder »Agistersteine«, zu Deutsch »Drachensteine«. Drachensteine? Lauern irgendwo in der Mythologie zu den »Externsteinen« Drachen?


Zu den Attraktionen der Externsteine, die unzählige Busse mit Touristen anlocken, gehört das Kreuzabnahmerelief der Externsteine. Im Zentrum sehen wir das Kreuz Jesu. Jesus, zum Entsetzen seiner getreuen Anhängerschaft von den Römern hingerichtet, wird vom Marterinstrument abgenommen. Nikodemus steht erhöht und reicht den Toten nach unten. Joseph von Arimathäa schultert den toten Jesus. Maria stützt das Haupt ihres Sohnes. Gottvater, links oben dargestellt, segnet das Geschehen. Auf seiner Schulter sitzt ein kleines Kind. Das Kind mag – und das ist Interpretationssache – die unschuldige Seele darstellen, die schon zum »himmlischen Vater« aufgestiegen ist. Rechts wird Jünger Johannes in Szene gesetzt. Sein in christlicher Kunst und Mythologie bekanntes Kennzeichen, das Buch, lässt uns den Jünger Johannes eindeutig erkennen!


Jünger Johannes
Foto Walter-Jörg Langbein

Die Gestalten des Reliefs sind stark beschädigt: Dem kleinen Kind auf Gottvaters Arm fehlt der Kopf, dem Nikodemus wurden ein Arm und die Beine abgeschlagen. Die treusorgende Mutter Jesu ist ebenfalls kopflos. Vollständig erhalten sind lediglich der Leichnam Jesu und Jünger Johannes. Ob Köpfe und Gliedmaßen bewusst abgeschlagen wurden? Oder hat da nur der Zahn der Zeit am Sandsteinrelief genagt?

Das eigentliche Kreuzabnahmeszenario ist freilich allen Beschädigungen zum Trotz nach wie vor gut zu erkennen. Das Kreuz selbst, Gottvater über dem Kreuz, Sonne und Mund, der tote Jesus, Maria, Nikodemus, Josef von Arimathäa und Johannes sind sauber aus dem Stein gemeißelt. Die Konturen sind exakt, präzise und scharf.

Man kann von drei Ebenen sprechen: Die höchste Ebene ist der »Himmel« mit Gottvater, Sonne und Mond. In der mittleren Ebene leben wir Menschen. Der tote Jesus wird vom Kreuz abgenommen, in der mittleren Ebene, während Jesu Seele schon im Himmel weilt. Die unterste Ebene ist besonders geheimnisvoll. Sie macht einen verwaschenen Eindruck, hat nicht die scharfen Konturen wie der Rest des Reliefs. Könnte es sein, dass ursprünglich das Relief ganz anders ausgehsehen hat? Würde es teilweise nachgearbeitet, um christlicher zu wirken?

Das Kreuzabnahmerelief
Foto Walter-Jörg Langbein

Die tiefste Ebene könnte Rest des ursprünglichen Reliefs gewesen sein, wirkt deutlich älter. Was erkennen wir? Da knien zwei Gestalten, blicken sich dabei an. Die rechte Gestalt hat offensichtlich einen wallenden Bart. Das Pendent könnte – man erahnt es – eine Frau mit einem Kleid oder Rock darstellen. Mann und Frau knien. Seit Jahrhunderten wird gerätselt, wer denn da unter der Kreuzabnahme zu sehen ist. Beide Gestalten blicken nach oben Mag sein, dass Mann und Frau je einen Arm empor strecken, hin zur Szene der Kreuzabnahme. Das ist aber nur eine fantasievolle Vermutung.

Zwei menschliche Gestalten und ein Monster ...
Foto Walter-Jörg Langbein

Je nach Sonnenstand und Lichteinfall erscheinen beide Gestalten wie verwandelt. Unzählige Male habe ich bei Besuchen der Externsteine zu ergründen versucht, was sich da in der Unterwelt abspielt. Bei näherem Betrachten fällt auf, dass da zwischen Mann und Frau ein weiteres Wesen abgebildet wurde. Dieses dritte Wesen wendet dem Betrachter den Rücken zu. Es ist ein Monster. Das Untier, so scheint es, ist ein Mischwesen aus Schlange und einem kräftigen Leib. Der Leib, so scheint es, steht auf zwei Beinen, die Schlange hat die beiden Menschen im Würgegriff ...

Gottvater mit dem kopflosen Kind.
Foto Walter-Jörg Langbein

Fußnoten

1) Siehe hierzu auch Henze, Usch: »Osning –
Die Externsteine/ Das verschwiegene Heiligtum
Deutschlands und die verlorenen Wurzeln
europäischer Kultur«, Saarbrücken 2006
2) Hadeswintha Schröer: »Die Externsteine –
ein nordischer Kraftplatz«
3) Wikipediaartikel über die Externsteine
4) Laurent, Sigrun: »Externsteine – Eccestan
 – Mutterstein«

 »Das Monster und der Mann mit dem Schlüssel«,
Teil 223 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 27.04.2014


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