Sonntag, 13. November 2016

356 »Wurde Papst Clemens II.ermordet?« Teil I

Teil  356 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Blick zur Decke
31. Juli. 2016. Sonntag. 13.00 Uhr. Ich suche am Bamberger Bahnhof nach einem Schließfach für meinen Koffer. Die Sommersonne steht hoch am Himmel. Es ist sommerlich warm. Als ich wenige Minuten später nach einer kurzen Fahrt mit dem Taxi vor dem Dom stehe, bin ich von der Wucht des gewaltigen Bauwerks beeindruckt. Plötzlich ziehen Wolken auf. Es regnet. Eben wuchsen die vier Türme des Doms in den babyblauen bayerischen Himmel, jetzt droht ein Gewitter aufzukommen. Im Verlauf der nächsten Stunden erweist sich das Wetter als höchst wechselhaft, mal sommerlich hell, mal herbstlich trübe.

Ich betrete das Gotteshaus. Es wimmelt von Touristen, die in Scharen von einer Statue zur nächsten, vom Altar zur Krypta hasten. Gerade große Gotteshäuser wie der Dom zu Bamberg werden heute mehr und mehr zu überlaufenen Attraktionen für Touristen, wie Burgen, Schlösser und Denkmäler. Kleine Kirchen und Kapellen bieten meist bessere Möglichkeiten als ihre großen »Kollegen«. Und doch kann man auch in Riesenbauten wie dem Dom zu Bamberg Ruhe finden. Vom hohen Haus geht so etwas wie eine stoische Ruhe aus, die die Scharen von Menschlein nicht wirklich stören können. Die hohe Decke überspannt seit rund 800 Jahren das Gotteshaus.

Die Schlichtheit des Doms entspricht unserem heutigen Geschmack. Im Mittelalter war der Dom freilich bunt. Die hohen Wände zum Beispiel strahlten in Rot, die Pfeiler und Gewölberippen hingegen waren in Elfenbeinweiß gehalten. Die Kapitelle der Säulen setzten sich in Gelb deutlich vom Rot der Wände ab. 

Fotos 2, 3 und 4: Der Bamberger Reiter heute

Bunt war auch der berühmte Bamberger Reiter. Seine Haare waren dunkelbraun. Der unbekannte stolze Reitersmann war ursprünglich sehr hellhäutig. Seine Lippen wirkten wie rot geschminkt. Sein Mantel leuchtete förmlich orange-gelb. An Gold wurde nicht gespart. So war das Gewand des edlen Reiters golden gesäumt, vergoldet waren auch Krone, Gürtel, wie auch das Zaumzeug. Das Pferd kam gar nicht unscheinbar daher. Sein lichtgraues Fell stand im Kontrast zur pechschwarzen Mähne und den schwarzen Hufen.

Im 19. Jahrhundert musste der Dom renoviert werden. Er sollte wieder mittelalterlich wirken, so wie man sich damals das Mittelalter vorstellte, nämlich karg und farblos. Man ließ die Farben verschwinden, was ursprünglich bunt war, wurde schlicht. Es ist diese Einfachheit, die uns heute so gefällt. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, der Dom sah in seiner Urfassung ganz anders aus.

Fotos 5 und 6: Blick aus dem Ostchor Richtung Westchor

Wechselhaft war das Wetter am 31. Juli 2016. Mal strahlte minutenlang fast grelles Licht durch die hohen Fenster, mal war es draußen trüb-regnerisch und drinnen für einen Moment halbdunkel. Waren eben noch große Menschengruppen im Dom, so konnte es im nächsten Moment fast menschenleer im mächtigen Gotteshaus sein. Wechselhaft war auch die Geschichte des Christentums der vergangenen zwei Jahrtausende. Da gab es immer wieder auch Mord und Totschlag. Selbst Päpste sollen ermordet worden sein, zum Beispiel Johannes Paul I. und Clemens II.

Albino Luciani (* 17. Oktober 1912; † 28. September 1978 in der Vatikanstadt), wurde am 26. August 1978 als Nachfolger Pauls VI. zum Papst gewählt. Er nahm den Namen Johannes Paul I. an. Sein Pontifikat währte nur 33 Tage. Starb er eines natürlichen Todes? Oder wurde er ermordet? Vatikan und die Familie von Johannes Paul I. verweigerten eine Obduktion. So konnte die Todesursache des Heiligen Vaters nie wirklich geklärt werden. Fiel er, wie bis zum heutigen Tage spekuliert wird, einem Mord zum Opfer?

Foto 7: Wurde Papst Johannes Paul I. ermordet?

1984 publizierte David Yallop sein Buch »Im Namen Gottes« (1). Er kam nach intensiven Recherchen zum Ergebnis, dass Johannes Paul I. vergiftet worden sei. Motiv: Der Papst hatte massive Fälle von Korruption in der Vatikanbank entdeckt und wollte sie publik machen. Wollte der Papst wirklich gegen höchste Würdenträger, die in eine Affäre mit die Bank mit dem frommen Namen »Banco Ambrosiano« verwickelt waren, vorgehen? Wollte der Papst gegen Licio Gellis faschistische (?) Freimaurerloge »Propaganda Due« (»P2«) einschreiten? Bis heute kursieren zum Teil obskure Verschwörungsgeschichten. So unterschiedlich sie ausfallen, in einem Punkt sind sich einig: Der Papst wurde ermordet.

Wurde eine Obduktion des nach so kurzer Amtszeit verstorbenen Johannes Paul I. verweigert, im Fall von Papst Clemens II. kam es fast ein Jahrtausend nach dem Tod des Papstes zu einer wissenschaftlichen Untersuchung seiner sterblichen Überreste. Resultat: Todesursache war eindeutig Gift.

Fotos 8 und 9: Papst Clemens II., wurde er ermordet?

Suitger, Graf von Morsleben und Hornburg  (* 1005 in Hornburg, Niedersachsen; † 9. Oktober 1047 im Kloster S. Tommaso am Apsella bei Pesaro) strebte mit großem Eifer Reformen der Kirche an. Er sympathisierte mit Papst Clemens I., der im ersten Jahrhundert lebte und starb. Clemens II. wollte seine Kirche zurück zu den Ursprüngen des Urchristentums führen . Im 11. Jahrhundert, rund ein Jahrtausend nach Jesu grausamem Tod am Kreuz, war die katholische Kirche in die Kritik geraten. Viele Gläubige, auch Teile des einfachen Klerus, waren entrüstet und empört. Die hohe Geistlichkeit hielt sich keineswegs an den Zölibat, die Priesterehe war weit verbreitet. Zum Alltag gehörte auch die Simonie, hohe Kirchenämter wurden auf dem »freien Markt« feil geboten und an den jeweils Höchstbietenden verschachert.

Freilich waren es nicht theologische Erwägungen, die manchen Reichen ein hohes kirchliches Amt kaufen ließen, sondern profanes Gewinnstreben. Enorme Beträge konnten eingefahren, sprich den Gläubigen abgeknöpft werden und wurden nicht selten verprasst. Noch im 15. Jahrhundert war die Simonie, allen kirchlichen Reformbestrebungen zum Trotz, nach wie vor Alltag in der Kirche. Ja im 15. Jahrhundert wurde der Ämterverkauf intensiver denn je betrieben! Selbst um hohe Ämter wurde gefeilscht. So war noch Papst Innozenz VIII. (*1432, †1492),  im Jahr 1484 durch Simonie zum »Stellvertreter Christi« geworden. Innozenz VIII. war ein Befürworter von Inquisition und Hexenverfolgung. Heftig kritisiert wurde er von Girolamo Savonarola (2). Savonarola, ein italienischer Dominikaner und Bußprediger, wagte es, weltlichen und kirchlichen Adel – ganz im Geiste von Papst Clemens II. – zu kritisieren. Folge: Am 13. Mai 1497 beschimpfte Papst Alexander VI. Savonarola  als »Ketzer, Kirchenspalter und Verächter des Heiligen Stuhles« - und exkommunizierte ihn.

Foto 10: Öffentliche Hinrichtung Savanarolas
Unter den schlimmsten Folterqualen gestand Savonarola alle ihm zur Last gelegten Verbrechen gegen den Papst, widerrief dann aber seine Geständnisse. Gerichtsprotokolle und Dokumente wurden gefälscht. Der äußerst unbequeme Kritiker musste einfach ein Verbrecher sein und zum Schweigen gebracht werden. Auf der »Piazza della Signoria« hängte man ihn zunächst und verbrannte ihn dann auf einem gewaltigen Scheiterhaufen. Einige seiner Anhängerinnen versuchten vergeblich, Knochen des Hingerichteten als »Reliquien« an sich zu nehmen. Papst Clemens II. starb an einer Vergiftung, Savonarola wurde 1498 hingerichtet.

Zurück zu Clemens II. von Bamberg. Louis Lewin (3), ein bedeutender deutscher Arzt, Pharmakologe, Toxikologe und Autor, begründete schon vor rund einem Jahrhundert die Industrietoxikologie und modernen Suchtmittelforschung. Der Verfasser des fundamentalen, immer wieder neu aufgelegten Standardwerkes »Die Gifte in der Weltgeschichte« (4) war felsenfest davon überzeugt: Clemens II. wurde vergiftet. Schon in der süditalienischen Quelle  »Lupus Protospatarius« heißt es zum Jahr 1047, dass Papst Benedikt IX. Papst Clemens II vergiftet hat.

Benedikt IX. wurde Weihnachten anno 1046 von aufständischen Römern vom Papstthron gestoßen. Heinrich III. machte daraufhin sofort Suidger von Bamberg zum neuen Papst. Ermordete Benedikt IX. seinen Nachfolger aus Rache? Papst Viktor III. warf später Benedikt IX. Handel mit Ämtern, lasterhaftes Leben und Mord vor. Vergiftete also tatsächlich Benedikt IX. Reformpapst Clemens II.? Fakt ist: Clemens II. war nur wenige Monate im Amt. Nach seinem Tod beanspruchte Benedikt IX. erneut das Pontifikat und wurde tatsächlich wieder zum Papst erhoben.

Foto 11: Dom zu Bamberg, Grundriss

Durch die Marienpforte betreten wir den Dom zu Bamberg. Links steht ein steinerner Clemens II. Die Figur lag womöglich einst auf seinem Sarkophag. An der nördlichen Chorschranke vorbei geht es weiter. Wir biegen nach links ab und stehen vor dem Kaisergrab. Im Rücken haben wir jetzt den Ostchor. Wir blicken Richtung Westchor, durchschreiten das Kirchenschiff – auf der Suche nach dem Papstgrab.

Wir gehen an der Orgel vorbei. Unser Blick fällt auf einen mysteriösen Stuhl. Was verbirgt sich dahinter? (Fortsetzung folgt!)

Foto 12: Kanzel und Orgel
Fußnoten

1) Yallop, David: »Im Namen Gottes?/ Der mysteriöse Tod des 33Tage Papstes Johannes Paul I./ Tatsachen und Hintergründe«, gebundene Ausgabe Droemer Knaur Verlag 1984
2) * 21. September 1452 in Ferrara; † 23. Mai 1498 in Florenz
3) * 9. November 1850 in Tuchel, Westpreußen; † 1. Dezember 1929 in Berlin
3) Lewin, Louis: »Die Gifte in der Weltgeschichte«, Berlin 1920

Zu den Fotos 

Foto 1: Blick zur Decke. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 2-4: Der Bamberger Reiter heute. 
 Fotos Walter-Jörg Langbein

Fotos 5 und 6: Blick aus dem Ostchor
Richtung Westchor. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Wurde Papst Johannes Paul I. emordet? 
Vatikanische Grotten, Petersdom, Rom,
Foto wiki commons public domain
Foto 13: Was verbirgt sich hinter diesem Stuhl?
itUtenteRiccardov
Fotos 8 und 9: Papst Clemens II., wurde er ermordet?
Foto 8 Walter-Jörg Langbein, Foto 9
Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 10: Öffentliche Hinrichtung Savanarolas
Foto wikimedia commons public domain
Foto 11: Dom zu Bamberg. Grundriss.
wikimedia commons public domain Immanuel Giel
Foto 12: Kanzel und Orgel. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 13: Was verbirgt sich inter diesem Stuhl?
Foto Walter-Jörg Langbein

357 »Wurde Papst Clemens II.ermordet?«
Teil II
Teil  357 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 20.11.2016



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