»Lieber Harald Schmidt«, BILD, 16. 09. 2010
Lieber Franz Josef Wagner,
nun wissen wir es also! Ja, dank Ihrem Brief an Harald Schmidt hat die Nation nun eine Idee davon, wie sich Franz Josef Wagner eine schöpferische Pause vorstellt: Auf der Couch liegen, in den Morgenmantel furzen, in der Nase bohren und sich am Hintern kratzen. Also wirklich, wie arm ist das denn! Die Aufzählung zeigt einen beklagenswerten Mangel an Phantasie und eigener Erfahrung mit schöpferischen Pausen. Es gibt doch noch so viel mehr Möglichkeiten! Man könnte sich vielleicht zur Abwechslung mal mit dem Abkauen der eigenen Zehennägel beschäftigen. Oder sich einen Sixpack Bier besorgen und mit sich selbst in einen Rülpswettbewerb eintreten. »Heute schaff ich mit einem Sixpack schon drei Rülpser mehr als gestern«, sagt man stolz zu sich und schöpft neuen Mut aus diesem Erfolgserlebnis, was ja unter anderem der Sinn einer kreativen Pause ist. Als ergänzender Spaß nach mehreren Wochen taugt das Auftürmen leerer Bierdosen zu formschönen Pyramiden neben der Couch.
Eine andere Option wäre das Herauspulen von Ohrenschmalz und Drehen desselbigen zu kleinen Kügelchen. Wenn man genug davon gesammelt hat, könnte man vielleicht mal was Schönes daraus bauen.
Ein (nicht nur bei Kindern) beliebtes Spiel stellt das eigenhändige Bemalen der Fensterscheiben mit Strichmännchen aus Spucke dar. Hier sind die Möglichkeiten allerdings begrenzt, da die eigenen Fensterscheiben bei entsprechendem Arbeitseifer bald keinen Platz für neue Werke mehr bieten werden und Putzen angesagt wäre, wenn das Spiel interessant bleiben soll. Menschen in schöpferischer Pause putzen aber nicht. Zumindest dann nicht, wenn sie einen Penis haben.
Für längerfristige Beschäftigungsmöglichkeiten sorgt da schon das Spiel namens »Leise rieselt der Schnee«. Dies geht so: Man nehme eine beliebige Zeitschrift und schlage eine Doppelseite mit möglichst dunklem Hintergrund auf. Dann setze man sich auf die Couch, lege die Zeitschrift auf den Schoß und beuge den Kopf darüber. Mit sanft kreisenden Bewegungen der Fingerkuppen massiere man nun die Kopfhaut. Probieren Sie es ruhig mal aus und beobachten Sie mit Staunen, wie die Seiten Ihrer Zeitschrift nach und nach heller werden. Das Spiel ist zuende, wenn Sie selbst die Überschrift des aufgeschlagenen Artikels nicht mehr lesen können bzw. das eventuell abgebildete Supermodel einem Schneemann zum Verwechseln ähnlich sieht.
»Auch in schöpferischen Pausen verlasse ich hin und wieder das Haus. Gibt es für mich auch Outdoor-Beschäftigungsmöglichkeiten?«, wird ein derart Kreativer nun fragen. Dem kann ich nur antworten: »Ja! Die gibt es definitiv!«
Sollte es gerade Winter sein, könnte er seinen Vornamen in den Schnee pissen. Diese Option funktioniert besonders gut in Kombination mit dem Spiel »Rülpswettbewerb« (s.o.).
Ebenfalls ein winterliches Spiel ist die sogenannte »Mantelheizung«, die eigentlich eine Variation des in Ihrer Kolumne genannten Morgenmantelspiels darstellt. Für ganz Hartgesottene: Man sagt, der Effekt aufsteigender Wärme stelle gerade an kalten Wintertagen eine wohltuende Ergänzung zur Wärme von Cognac dar, aber das nur am Rande.
Eine ganzjährige Beschäftigungsmöglichkeit für kreative Pausen ist das sogenannte »Taschenbillard«, eine reine Männerdomäne, welche durch die Hosentasche gespielt wird.
Sind all diese Beschäftigungsmöglichkeiten ausgeschöpft, dann ist es Zeit, ein wenig innezuhalten. Man setze sich gemütlich in ein Straßencafé, beobachte die vorbeikommenden Menschen und frage sich, ob man wohl viele Mitspieler hat ...
Herzliche Grüße,
Ursula Prem
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