Freitag, 17. Januar 2014

Akzeptanz sexueller Vielfalt

Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Völlig klar, dass Eltern sich für eine möglichst gute Bildung ihrer Kinder einsetzen und sich, wo nötig, auch in die politische Diskussion einmischen, wenn es um Änderungen in den Bildungs- und Lehrplänen geht. Auch Online-Petitionen zum Thema zeichnen sich deshalb grundsätzlich durch eine hohe, mindestens sechsstellige Bürgerbeteiligung und rege Diskussionsbeiträge aus. Zumindest sollten sie das. In einer idealen Welt. Die Wirklichkeit jedoch sieht meistens anders aus.

Eine Recherche auf der Petitionsplattform openpetition.de unter dem Stichwort „Laufende Petitionen zum Thema Bildung“ ergibt leider ein anderes Bild: In der Regel bewegen sich derartige Anliegen dort im vierstelligen Bereich, was die Anzahl der Unterstützer angeht. Einzelne Ausbrecher schaffen es auch schon mal, zwischen 10.000 und 20.000 Mitzeichner zu aktivieren, was jedoch eher die Ausnahme darstellt. So brachte es die Petition »Bildung braucht Priorität« auf immerhin 13.668 Unterstützer, ehe die Zeichnungsfrist am 12. Dezember 2013 endete.


»Wirklich wichtige Themen«, oder: Was treibt den deutschen Spießbürger um?

Nun mag es so sein, dass nicht alle Petitionen sich mit Inhalten befassen, die von vielen Menschen als unterstützenswert empfunden werden. Wie sich aktuell erweist, sind wirklich »wichtige« Themen durchaus in der Lage, Unterstützer in nennenswerter Zahl zu aktivieren: Immerhin über 150.000 Menschen zeichneten bis heute die aktuell laufende Petition »Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens«, die sicherstellen soll, dass der schulische Aufklärungsunterricht in Baden-Württemberg auch weiterhin auf Zucht und Ordnung setzt. Die Akzeptanz sexueller Vielfalt, wie sie im neuen Bildungsplan vorgesehen ist, soll deshalb keinesfalls Bestandteil des verbindlichen Lehrplans werden, wenn es nach dem Beschwerdeführer und seinen Unterstützern geht: Erziehung zur Toleranz, so könnte man meinen, gilt immer nur für die anderen.

»In „Verankerung der Leitprinzipien“ fehlt komplett die ethische Reflexion der negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils, wie die höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen, die erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen, die auffällig hohe HIV-Infektionsrate bei homosexuellen Männern, wie sie jüngst das Robert-Koch-Institut (5) veröffentlichte, die deutlich geringere Lebenserwartung homo- und bisexueller Männer, das ausgeprägte Risiko psychischer Erkrankungen bei homosexuell lebenden Frauen und Männern.«,

heißt es im Text der Petition. In wieweit es zur Suizidprophylaxe beitragen soll, die Ausgrenzung Homosexueller oder Transsexueller auch weiterhin durch schlichte Ignoranz im Lehrplan verankert zu halten, darüber schweigt der Petent sich jedoch aus. Vogel-Strauß-Methode? Kann Gabriel Stängle, seines Zeichens selbst Pädagoge, tatsächlich dem Irrtum anhängen, dass es einfach nicht geben könne, was nicht im Lehrplan steht? Fürchtet er, zur Ausbreitung des in seinen Augen »Abnormen« beizutragen, wenn er im Unterricht das Wort »homosexuell« in den Mund nehmen und offen darüber sprechen würde? Oder ist ihm schlicht und einfach die Vorstellung ein Graus, vor einer Gruppe Pubertierender ganz selbstverständlich über »Derartiges« sprechen zu müssen? Dass er bei all seiner Sorge um die Gesundheit der Abweichler andere, ganz handfeste Gesundheitsgefahren unerwähnt lässt, die aus dem Aufklärungsunterricht resultieren, rundet das Bild ab: Dass heute schon 14-jährigen Mädchen in der Schule ganz offen die möglichst frühe Einnahme der Pille angedient wird, scheint weder den Petenten noch sonst jemanden wirklich zu bekümmern.


Bürgersinn gegen »Perverses«

Dass derart viele Menschen sich der Petition angeschlossen haben, ist in jedem Fall ein merkwürdiges Signal. Befürchten Eltern auch heute noch, derart »perverse« Unterrichtsinhalte würden ihren kleinen Super-Macho zu einer »Schwuchtel« umformen, die lieber im stillen Kämmerlein Gedichte schreibt, als mit Papa auf dem Fußballplatz zu stehen? Obwohl, auf dem Fußballplatz ist man seit dem Hitzelsperger-Outing ja auch nicht mehr vor »Umtrieben« sicher. Und so ist es sicher kein Zufall, dass mit dem nun offenen Hereinbrechen der Homosexualität in die Männerdomäne Fußball gleichzeitig die Anzahl der Mitzeichner in die Höhe schoss: Ist die Angst vor dem »Abartigen« tatsächlich noch immer so groß, dass viele Menschen sich instinktiv eine letzte sichere Bastion gegen den Gedanken der sexuellen Freiheit wünschen und sich dazu ausgerechnet die Schule ausgesucht haben?

Klar, dass solcher Druck, der wieder einmal mithilfe von Kirchenkreisen aufgebaut wird, beim aufgeklärten Teil der Bevölkerung auf Widerstand stößt: Die Gegenpetition läuft schon und kann sich bereits nach 11 Tagen über 77.850 Unterstützer freuen.



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