Freitag, 11. September 2015

Schulengel Teil 4 – Auswirkungen auf die journalistische Unabhängigkeit

Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Schulengel: Spendenstand
vom 10.9.2015;
Veränderungen innerhalb
der letzten Woche:
+ 28 Einrichtungen
+ 15.484 €;
Das Auflegen von Partnerprogrammen ist für die meisten Internetshops ein unverzichtbarer Weg, um das eigene Angebot breit zu vernetzen und auf dem Markt zu bestehen. Provisionslinks auf thematisch passenden Webseiten tragen erheblich zum geschäftlichen Erfolg der Shops bei. Nur sehr große Anbieter wie amazon schaffen hierzu eigene technische Ressourcen und betreiben ihr Partnerprogramm unter dem eigenen Dach. Kleine und mittlere Anbieter hingegen setzen zumeist auf große Netzwerke wie affili.net. In diesem Partnernetzwerk sind aktuell über 2.500 Internetshops vertreten, etwa 700.000 Websitebetreiber beziehen von dort entsprechend individualisierte Links zum Einbau in den eigenen Webauftritt. Bestellt ein Seitenbesucher Ware über einen Affiliate-Link, erhält der Websitebetreiber über affili.net eine Provision.

In meinen bisherigen Artikeln über die Geschäftsmethoden der Schulengel GmbH habe ich dargelegt, dass das von Schulengel beworbene Browser-AddOn »Shop-Engel« nicht selten kleine Websitebetreiber um ihre bereits verdienten Provisionen bringt und damit eine Monokultur des Internets befördert (Teil 1 nachlesen). Ich habe aufgezeigt, dass das Unternehmen unter dem Vorwand des Spendensammelns für Bildungseinrichtungen über dazu zweckentfremdete Partnerlinks aus ebensolchen Netzwerken selbst gewaltige Umsätze tätigt, während die einzelnen Schulen sich im Durchschnitt mit eher mageren Spendenergebnissen begnügen müssen (Teil 2). Ich habe auch recherchiert, dass ein Einkauf mit dem Blick auf die höchstmögliche Spende nicht selten teuer bezahlt ist (Teil 3).


Was haben Partnernetzwerkbetreiber wie affili.net mit alldem zu tun?


Es ist die Frage nach der Rolle von Partnernetzwerkbetreibern wie affili.net zu stellen. Das Unternehmen wirbt auf seiner Website aktiv neue Werbepartner an und verspricht auf seiner Website:

»Der Publisher bewirbt die Angebote des Advertisers auf seiner  Webseite mit dem Ziel, Interessenten darauf zu lenken. Klickt ein User auf diese Werbung und kauft im Shop des Advertisers ein, erhält der Publisher eine zuvor definierte Vergütung. Advertiser können somit exakt definieren, was ihnen der Verkauf eines bestimmten Produktes wert ist und zahlen nur im Erfolgsfall eine Vergütung. Sie als Publisher erhalten für jeden Verkauf bzw. an bestimmten Aktionen, die über das Werbemittel auf Ihrer Seite generiert wurden, eine Vergütung.« [Quelle, abgerufen am 10.9.2015] 

Gleichzeitig scheint affili.net keinerlei Einwände gegen die Vorgehensweise von Werbepartnern wie Schulengel zu haben, die eigene Nutzer durch ein automatisches Tool wie »Shop-Engel« auch nach erfolgreicher Weiterleitung durch einen anderen Websitebetreiber aus dem bereits erreichten Shop heraus zu Schulengel zu locken und wieder in den Shop zurückzuleiten, um so dem anderen Websitebetreiber die im Verkaufsfall anfallende Provision wegzunehmen. Eine Ungeheuerlichkeit, die ich mir erst kürzlich von affili.net per Mail bestätigen ließ. Die Antwort machte mich ob ihrer zur Schau gestellten Selbstverständlichkeit fassungslos: Die im Affiliate-Marketing übliche Business-Regel laute »Last cookie/contact wins«, weshalb die Vergütung in einem solchen Fall Schulengel zugesprochen werde, stand da. Es gebe durchaus Diskussionen um eine »vermeintlich gerechtere Verteilung von Vergütungen«, hieß es in der Mail weiter, »indem die an der sogenannten „Customer Journey“ beteiligten Werbepartner anteilig zu ihrer jeweiligen Leistung beteiligt werden« sollten. Dies sei in der Praxis jedoch »extrem kompliziert, sehr aufwendig und kostenintensiv« sowie intransparent.

Mir ist klar, dass diese technischen Erläuterungen für den Normalleser eine Zumutung sein müssen. Ihr Verständnis ist jedoch notwendig, um zu wissen, worin der virtuelle Provisionsklau besteht, den Schulengel besonders durch das AddOn »Shop-Engel« begeht. Am besten lässt sich dies durch ein Beispiel erläutern, das auch meine Motivation für die nun entstehende Artikelserie erklärt:


Vor einiger Zeit gründete ich das (nun aus noch zu beschreibenden Gründen vor sich hin dümpelnde) Portal Spielsachen & Co., das eigentlich dazu dienen sollte, Themen rund um Kinder, Schule und Familienpolitik aufzugreifen. Dazu gibt es viel zu sagen. Mehr als zu jedem anderen Thema. Denn auf diesem Gebiet läuft meiner Auffassung nach nahezu alles falsch. Die im hiesigen Blog gefundene und bewährte Form der Freitagskolumne sollte auf spielsachen.co ihre themenbezogene Entsprechung finden, ergänzt durch zahlreiche kostenlose Downloadangebote und vieles mehr.

Sogar mit dem mehr als komplizierten Typo3  machte ich mich vertraut, einem CMS-System zum Aufsetzen moderner Websites, was mich als technisch interessierter Laie weit über meine Grenzen führte, jedoch schaffte ich es, die Seite entsprechend an den Start zu bringen.

Da die mit alldem verbundene riesige Arbeit jedoch zwingend einer halbwegs soliden Finanzierungsgrundlage bedarf, machte ich mich auf die Suche nach Werbepartnern. Neben dem amazon Partnernet sollten Provisionsverkäufe für weitere Internetshops mit thematisch jeweils genau passenden Angeboten für die Deckung der Kosten sorgen. Besonders für den redaktionellen Teil der Seite hätte dies journalistische Unabhängigkeit in ihrer schönsten Form bedeutet, da Werbeplätze in diesem Fall nicht verkauft werden, sondern lediglich eine kleine Umsatzbeteiligung an jeder erfolgreichen Bestellung ausgeschüttet wird, ohne dass der jeweilige Anbieter Einfluss auf die Gestaltung der Inhalte nehmen kann.


Automatisierte Provisionsabzocke


Dass es Systeme wie Schulengel gibt, war mir damals schon bekannt: Anbieter eben, die lieber für vorgebliche Spendenzwecke Provisionen abgreifen, statt echte Inhalte zu liefern. Neu jedoch war mir die technische Dimension, die im Fall von spielsachen.co folgendermaßen aussieht (zum Vergrößern bitte auf das jeweilige Bild klicken):

Wer spielsachen.co öffnet, findet ganz unten am rechten Rand beispielsweise ein Werbebanner des Shops von Ravensburger (siehe roter Pfeil im Screenshot):

Rechts unten das Werbebanner von Ravensburger


Ravensburger schüttet nach aktuellem Stand 7 % Provision für erfolgreich vermittelte Verkäufe aus.

Klickt nun ein Besucher, der bereits Schulengel-Nutzer ist und in seinem Browser den »Shop-Engel« installiert hat, auf das Ravensburger-Banner bei spielsachen.co, so landet er im Shop von Ravensburger und erblickt dort in der rechten oberen Ecke den automatisch aufspringenden »Shop-Engel«:

Ravensburger Shop, rechts oben rot markiert: Das AddOn »Shop-Engel«


Dieser erinnert ihn daran, dass er ja eigentlich mit jedem Einkauf für die Schule der Kinder seines Schwippschwagers oder den Kaninchenzüchterverein von Erbtante Berta spenden wollte. Also klickt er schleunigst drauf und landet bei Schulengel:

Hierhin führt der »Shop-Engel« den gutmütigen Einkäufer:
Die Seite von Schulengel


Hier gibt er nun ganz locker die zu unterstützende Einrichtung ein und lässt sich zurückleiten zu dem Shop, in den er doch eigentlich von spielsachen.co erst geführt worden war. Dadurch wird das »Last Cookie« vor seiner Bestellung gesetzt: zugunsten von Schulengel. Die Provision für spielsachen.co ist damit unwiederbringlich verloren. Achtung: Ravensburger ist nur ein (sehr kleiner) von über 1.300 möglichen Beispielshops, bei denen es zahllosen Websitebetreibern nicht anders ergeht.

Es lässt sich schwer beschreiben, wie groß der Motivationsknick war, als ich diese Funktion entdeckt hatte. Weiterhin kostenlose Einmaleins-Tabellen, Würfelspiele oder sonstige Materialien basteln und zum Download anbieten, nur um über diesen Umweg möglichst viele Leute auf die Seite irgendwelcher Abzocker zu locken? Die geplante Zusammenführung etlicher früher von mir betriebenen Themenblogs mit spielsachen.co und den weiteren Ausbau habe ich deshalb schon vor längerer Zeit bis auf Weiteres verschoben. Was würde auch mein Wunsch nach Befreiung der Kinder von all den Zumutungen, denen sie heute ausgesetzt sind, ausrichten, wenn ich selbst beim Erschaffen bzw. Verfassen entsprechender Inhalte verhungern müsste? Die rasanten Wachstumsraten von Schulengel jedenfalls lassen nur den Schluss zu, dass eine der wichtigsten die journalistische Unabhängigkeit bewahrenden Werbeformen, das Affiliate-Marketing, sich seinem Ende zuneigt. In meinem Fall kam noch erschwerend hinzu, dass die Zielgruppe von Schulengel und die Zielgruppe meiner Seite (samt ihrer Vorgängerblogs kleines-einmaleins.de und abc-lernen.com) nahezu deckungsgleich sind, sodass kaum noch Aussichten auf eine ebenso solide wie unabhängige Refinanzierung der Seite bestehen dürften.


Warum ein riesiges Netzwerk wie affili.net diesen Spuk mitmacht, ohne Schulengel wenigstens die Manipulation durch das Browser-AddOn zu untersagen, ist leicht erklärt: Der Drang des Endverbrauchers, ein paar Prozente für die Kita des eigenen Kindes zu erhaschen, macht das Modell Schulengel zum Erfolgsmodell mit hohen Verkaufsquoten. Das uralte Prinzip des Jägers und Sammlers ist eben stärker als die vernünftige Erwägung, dass das Geld mit absoluter Sicherheit an anderen Stellen fehlt. Bei alldem frage ich mich nur eines: Wenn ein Websitebetreiber die von affili.net gewünschte Leistung erbracht und »Interessenten auf die Angebote des Advertisers« aufmerksam gemacht hat, die versprochene Gegenleistung der Vergütung im Erfolgsfall aber dank fauler Eier wie Schulengel immer öfter ausbleibt: Wie groß und zahlreich werden die künftigen Krokodilstränen darüber sein, dass journalistische Unabhängigkeit auch im Internet kaum noch stattfindet?




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3 Kommentare:

  1. Liebe Frau Prem,
    in Sachen IT bin ich kein besonderes Genie, aber ich habe mir jetzt mal überlegt, ob es nicht mit ein paar Zeilen JavaScript eine Möglichkeit gibt, dass ein Besucher mit "Shopengel"-infiziertem Browser statt des normalen Seiten-Inhalts etwa folgendes zu sehen bekommt:

    "Lieber Besucher, Sie sind auf meiner Webseite herzlich willkommen. - Leider können Sie wegen eines Problems mit Ihrem Browser zur Zeit den normalen Inhalt nicht angezeigt bekommen. Woran es liegt, lesen sie hier: ... etc."

    Es wäre am wirkungsvollsten, eine solche Maßnahme koordiniert mit anderen geschädigten Bloggern durchzuziehen. - Ich denke, es wäre vielleicht sinnvoll, so einen Zusammenschluss zu versuchen. (Kreative Menschen sind ja eher Individualisten, aber weil es hier um technischen Kram geht, der nur lästiges Mittel zum guten Zweck ist, läge das nahe. - Vielleicht auch ein Austausch über ähnliche Dinge, während ansonsten jeder Seins macht?)

    Wie gesagt, ist halt mal so eine Idee von mir. Wie man es technisch umsetzen kann, weiß ich leider nicht.

    Ihnen alles Gute, hezliche Grüße & ein schönes WoE!
    A.B.

    AntwortenLöschen
  2. Lieber A.B., diese Idee ist gar nicht schlecht! Ich frage mich allerdings, ob ein derartiges beim Seitenaufruf in Aktion tretendes "Diagnosetool" für fremde Browser nicht auch manche automatische Sicherheitswarnung auf den Plan ruft (McAfee und Co.) und die Seite bei Google am Aufstieg hindert. Was das angeht, kenne ich mich leider technisch zu wenig aus. Als ultima ratio jedoch wäre diese Lösung tatsächlich zu überlegen.

    Herzliche Grüße und ein sonniges Wochenende!

    UP

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Frau Prem,
      apropos Browser fällt mir da gerade noch etwas ein:

      Für mich ist es mit der Kommentarfunktion genau andersherum, als es hier unten noch steht. - Mit dem IE bekam ich nach dem Captcha immer einen langen Code, der angeblich 2 Minuten gültig sei und in irgendein Feld hineinkopiert werden sollte, das es aber gar nicht gab.

      Seit ich nun zusätzlich als Alternative den Firefox drauf habe, funktioniert es just mit dem vollkommen glatt und problemlos. :-)
      Lg!
      A.B.

      Löschen

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