Freitag, 2. Oktober 2015

Schulengel Teil 5 – auf der Jagd nach dem ahnungslosen Verbraucher

Freitagskolumne von Ursula Prem

Schulengel Spendenstand
vom 1.10.2015;
Veränderungen seit dem
10.09.2015 (3 Wochen):
+ 43.864 € Spenden
+ 83 beteiligte Einrichtungen;
Regelmäßige Leser dieser Kolumne sind bereits über die Grundzüge des Systems Schulengel informiert. Wer die Hintergründe dieses zweifelhaften Spendenpools noch nicht kennt, kann in Folge 1 nachlesen, wie die Schulengel GmbH Betreiber anderer Websites um ihre sauer verdienten Einnahmen bringt. Folge 2 klärt darüber auf, dass es nur einen Beteiligten gibt, der durch Schulengel nennenswerte Umsätze tätigt, nämlich Schulengel selbst. Dass das System zudem im Einzelfall dazu verleitet, der »Spende« wegen viel zu teuer einzukaufen, ist in Folge 3 nachlesbar. Dass die Auswirkungen dieser Unkultur des Einkaufens auch für die journalistische Unabhängigkeit gravierend sind, habe ich in Folge 4 beschrieben. Der heutige 5. Beitrag zu diesem Thema beschäftigt sich mit der Motivation der Menschen, dieses System überhaupt zu benutzen.


Es ist völlig klar: Spenden für eine gute Sache einzusammeln, funktioniert wesentlich effektiver ohne eine Zwischenstation wie Schulengel, die einen guten Teil der gesammelten Gelder als Provision einbehält. Der gute alte Satz »Darf ich Sie um eine kleine Spende für unsere Schule bitten?« bringt Menschen zusammen und öffnet Herzen und Geldbeutel. Wer daraufhin spendet, tut dies aus eigener Tasche und ohne großen technischen Aufwand. Dass das System Schulengel trotzdem viele Leute begeistert, liegt an der Tatsache, dass die getätigte Spende den Spender angeblich nichts kostet. Ein wenig Geld für die Schule der eigenen Kinder einzusacken, das man noch dazu nicht einmal selber verdienen muss, ist ein Gedanke, der in etwa so faszinierend ist wie das Perpetuum Mobile. Wen schert es schon, dass aus dem Nichts entstehendes Geld in etwa denselben Realitätsgehalt hat wie der alte Menschheitstraum von der sich ewig selbsterneuernden Energie?

Dass das so gewonnene Geld nach Adam Riese an anderer Stelle fehlen muss, will keiner der Schulengelnutzer sich eingestehen. Sei es, dass die Summe den Gewinn der Webshops schmälert und der allgemeine Kostendruck sich somit erhöht, oder sei es, dass von anderen Websitebetreibern erbrachte tatsächliche Werbeleistungen nicht mehr fair vergütet werden. 


Heinrich, mir graut vor dir!


Liebe Schulengelnutzer, lasst Eure Träume vom Perpetuum Mobile einen Augenblick beiseite und macht Euch bewusst: Jemand zahlt die Zeche für Eure großzügige »Spende«! Nur sehr naive Verbrauchercharaktere können ernsthaft glauben, was Schulengel ihnen weismachen möchte. An welche Form gutmütiger Dümmlichkeit das System appelliert, zeigt die Schulengel GmbH in einem ihrer Werbevideos explizit, wenn sie den Verbrauchertypus vorstellt, der für diese Masche empfänglich ist: Heinrich. Ihn gibt es sogar als Video auf YouTube:


Heinrich freut sich sehr, dass es ihm gelungen ist, dem Lieferanten seiner sowieso schon ziemlich günstigen Pizza 24 Cent aus der Tasche zu ziehen und sie zu Schulengel umzuleiten. Ist Heinrich nicht schlau? Da er nicht so aussieht, als wäre diese Pizza die erste seines Lebens, wusste er wahrscheinlich längst, in welcher Pizzeria er sie bestellen würde. Er hätte es auch ohne Schulengel gewusst, denn Schulengel erbringt keine originären Werbeleistungen für die Unternehmen, die aus ihrem Werbeetat »Dankeschön-Prämien« ausschütten, um sich vor einem Shitstorm wohlmeinender Nutzer zu schützen.

Ein echtes Erfolgserlebnis also für Heinrich, dem es gelungen ist, das Geld auf diese Weise einem »guten Zweck zuzuführen: einer gemeinnützigen Einrichtung. Da fragt man sich als aufmerksamer Betrachter doch: Was ist das Gegenteil von einem »guten Zweck«? Der »miese Zweck« gieriger und ausbeuterischer Pizzabäcker, die Löhne, Pacht, Einkäufe, Steuern und Versicherungen bezahlen müssen, ohne das Geld zuvor durch die gutmenschliche Spendenmühle drehen zu können? Heinrich jedenfalls hat dem Kapitalismus hier ein richtiges Schnippchen geschlagen! Ob seine Mama ihm dafür ein Fleißkärtchen gibt und ein Tränchen der Rührung verdrückt über das nette, ahnungslose Früchtchen, das sie im Schweiße ihres Angesichts großgezogen hat? Wir werden es wohl nicht erfahren.

Dass Heinrich seine (fiktive) Spende an einen offenbar ebenfalls fiktiven Verein weiterleiten ließ, nämlich die »Brillenfreunde Berghausen«, die außer über die Schulengel-Website nirgendwo auffindbar sind, wird da schon zum Bonmot am Rande. Dass Schulengel dieser »Redaktionell geprüften Einrichtung« auf der eigenen Website auch noch »Geprüfte Gemeinnützigkeit« bestätigt und einen Link zur »Website der Einrichtung« aufführt (der ins Leere führt), dürfte Heinrich sehr freuen, denn er möchte beim Einkauf schließlich nicht übervorteilt werden.



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2 Kommentare:

  1. Liebe Frau Prem,
    Ohrtografi kommt nach Neuer Rechtschreibung bekanntlich von Ohr, wie Stängel von Stange. - Wir brauchen in der Schule dringend so viele Reformen wie möglich: mit der Ganzwortmethode hat man seinerzeit recht erfolgreich jede latente Legasthenie in eine manifeste überführt, auch der Mengenlehre-Hype der New Math des Herbert Meschkowski war ein Riesenerfolg.
    Wie soll man denn sonst die niederen Schichten im Zaum halten, die auf den Aufstieg ihrer Kinder durch Schulbidung hoffen???
    * * *

    Nun im Ernst:
    Das Hinterhältige an der Sache ist doch, dass die einfachen Leute den Lehrern zu sehr vertrauen und und das ihren Kindern vermitteln. (Für Russlanddeutsche Familien bspw. sind Lehrer noch Respektspersonen.) - Und die fallen dann später hinten runter, ganz so wie Sie es beschrieben haben.

    Und andererseits gibt es die Karriere-Familien. Dort lernen die Kinder den heimlichen Lehrplan von der Pike auf: befolge nur Regeln zu deinen Gunsten, ansonsten denk dir dein Teil und lass dich nicht erwischen, Hauptsache Erfolg. - Das ganze Grundrepertoire der Gymnasiasten-Schläue halt.
    * * *
    Herzliche Grüße
    A.B

    PS: Leider kann man unter Ihrem neuen Beitrag Pädagogik für die Tonne: Schreiben nach Gehör (23.10.2015) nicht kommentieren, deshalb schreibe ich's hier...

    AntwortenLöschen
  2. Lieber A.B., das Problem ist, dass solche Unsitten bereits in die zweite und dritte Generation gehen und die Rechtschreibschwächen inzwischen auch bei manchen Lehrern angekommen sind. Wer also soll den Kindern künftig noch die richtige Schreibweise beibringen? Nun wäre das nicht so schlimm (der eine oder andere Schreibfehler hat noch keinen umgebracht), jedoch: Genau das, was den Kindern nie jemand beigebracht hat, wird ab der dritten Klasse plötzlich als vordergründiger Maßstab herangezogen, das Scheitern somit vorprogrammiert.

    Den Beitrag kann man übrigens sehr wohl direkt kommentieren, und zwar unterhalb seiner Komplettfassung auf Spielsachen & Co. Da es diese Möglichkeit gibt, habe ich die Kommentarfunktion unter dem »Anreißer« hier im Blog deaktiviert.

    Liebe Grüße

    UP

    AntwortenLöschen

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