Sonntag, 18. August 2019

500. »Hinter’m Horizont«


Teil 500 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Blick über den Horizont hinaus.

Dogmen sind unwissenschaftlich, denn Wissenschaft muss immer alles hinterfragen. Wirkliche Wissenschaft wird nie behaupten, für alle Ewigkeiten gültige Wahrheiten zu verkünden. Vielmehr ist der wirkliche Wissenschaftler dazu bereit, jede gestern eingenommene Position heute oder morgen aufzugeben. Und jeder ehrliche Wissenschaftler wird zugeben, dass unsere wissenschaftlichen Methoden nur Hilfskonstrukte sind, wenn es darum geht, die Wirklichkeit zu erfassen.

Wir neigen dazu, nur das als wirklich gelten zu lassen, was die Wissenschaft zu erklären vermag. Schnell wird das Nochnicht-Erklärbare für nicht existent gehalten. Und wer sich nicht vorschreiben lässt, was real sein darf und was nicht, der wird schnell als unwissenschaftlicher Scharlatan verlacht. Aber: Nur wer sich nicht an Glaubensdogmen in der Wissenschaft hält, der kann den wissenschaftlichen Horizont erkennen und erweitern. Mir kommen Wissenschaftsgläubige wie Anhänger der »Die Erde ist eine flache Scheibe«-Theorie vor. Sie haben einen engen Horizont, den sie mit Eifer ausbauen und festigen. Ihr Dogma lautet: Jenseits des Horizonts gibt es nichts, weil es da nichts geben darf.

Adolf Holl (*1930), vom Dienst suspendierter katholischer Priester, kritisiert heftig den religiösen Menschen: »Je religiöser ein Mensch, desto mehr glaubt er; je mehr er glaubt, desto weniger denkt er; je weniger er denkt, desto dümmer ist er; je dümmer er ist, desto leichter kann er beherrscht werden. Das gilt für Sektenmitglieder ebenso wie für die Anhänger der großen Weltreligionen mit gewalttätig intolerantem ›Wahrheits‹-Anspruch. Dagegen hilft, auf Dauer, nur Aufklärung.« In einer immer säkularer werdenden Welt wird diese Kritik begeistert geteilt. Vergessen und nicht beachtet wird dabei aber, dass an die Stelle von religiösen Dogmen vermeintlich wissenschaftliche Dogmen treten, die heute ebenso wenig angezweifelt werden dürfen wie früher die religiösen. Adolf Holls Kritik trifft auch auf Wissenschaftsgläubige zu.

In unserer säkularen Welt wird Greta Thunberg (*2003) nach und nach religiös verklärt. An diesem weltlichen Prozess einer alternativen Seligsprechung sind Vertreter der Kirche beteiligt. So verglich Berlins Bischof Heiner Koch (1) »die Bewegung der schwedischen Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg mit der (von) Jesus Christus«. Da wundert es nicht, wenn Greta Thunberg die wundersame Gabe nachgesagt wird, C02-Moleküle mit bloßem Auge sehen zu können (2). Greta Thunbergs Mutter sagt ihrem Kind eine außergewöhnliche Fähigkeit nach, die eher zu einer Heiligen als zu einem gewöhnlichen Menschen passt (3): »Greta gehört zu den wenigen, die unsere Kohlendioxide mit bloßem Auge erkennen können. Sie sieht, wie die Treibhausgase aus unseren Schornsteinen strömen, mit dem Wind in den Himmel steigen und die Atmosphäre in eine gigantische unsichtbare Müllhalde verwandeln.« DER SPIEGEL (3): »Die Mutter der Klimaaktivistin hat ihr Leben und das ihrer Tochter aufgeschrieben - herausgekommen ist eine moderne Heiligenlegende.«

Foto 2: Unser Horizont, Darstellung 12. Jahrhundert

Oscar Wilde  (*1854; †1900) glaubte an den Fortschritt der Wissenschaft, die religiösen Aberglauben durch handfestes, beweisbares Wissen ersetzt: »Die Wissenschaft ist die Geschichte toter Religionen.« Leider besteht aber in unserer Zeit die Gefahr, dass Aberglaube stirbt, aber im Gewand der »Wissenschaft« wieder auflebt.Wenn es um brennende Fragen wie den Klimaschutz und die Lösung von akuten Fragen geht, dann ist Wissenschaft gefordert, nicht pseudoreligiöse Verklärung.

Justus Freiherr von Liebig (*1803; †1873) tastete sich an die vermeintlichen Grenzen von Wissenschaft heran: »Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört.« Sir Arthur C. Clarke (*1917; †2008) wagte einen Blick über die Grenzen unseres heutigen Verständnisses von Wissenschaft hinaus (4):»Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden.«

Unsere Erde ist keine flache Scheibe, sondern sie ist von kugeliger Gestalt. Der Horizont ist nur eine imaginäre Grenze, nicht das Ende. Denn hinter dem Horizont geht es weiter. Das gilt auch für unseren geistigen Horizont: Auch hinter dieser scheinbar feststehenden Grenze geht es auch weiter. So mancher Wissenschaftler aber vermittelt den falschen Eindruck als ende die Wirklichkeit an den Grenzen eines doch recht engen geistigen Horizonts. Ich darf noch einmal Arthur C. Clarke zitieren: »Wenn ein … Wissenschaftler sagt, etwas sei möglich, dann hat er ziemlich sicher recht, wenn er aber sagt, es sei unmöglich, dann liegt er höchstwahrscheinlich falsch.«

Foto 3: Der Horizont ...
Es stimmt, was Albert Einstein (*1875; †1965) gesagt hat: »Die Wissenschaft, richtig verstanden, heilt den Menschen von seinem Stolz; denn sie zeigt ihm seine Grenzen.«  Richtig verstandene Wissenschaft lässt uns erkennen, dass wir doch nur sehr wenig wirklich wissen. Richtig verstandene Wissenschaft macht uns ernüchternd klar, dass wir uns viel zu viel auf unser ach so großes Wissen einbilden. Thomas Carlyle (*1795; †1881): »Das wäre eine armselige Wissenschaft, die die große, tiefe, geheiligte Unendlichkeit des Nichtwissens vor uns verbergen wollte, über welcher alle Wissenschaft wie bloßer oberflächlicher Nebel schwimmt.«

Falsch verstandene Wissenschaft aber führt zur Einbildung, dass das, was wir verstehen, alles ist, dass es darüber hinaus nichts gibt, schon gar nicht Unverstandenes. Je fester man sich diesen Unsinn einreden lässt, desto schwieriger wird es, zu bahnbrechenden neuen Erkenntnissen zu kommen. Je größer die Angst vor kühn anmutenden Gedanken ist, desto rückständiger bleibt man.Alles Neue liegt hinter dem Horizont. Werner Heisenberg (*1901; †1976): »Wirkliches Neuland in einer Wissenschaft kann wohl nur gewonnen werden, wenn man an einer entscheidenden Stelle bereit ist, den Grund zu verlassen, auf dem die bisherige Wissenschaft ruht, und gewissermaßen ins Leere zu springen.«

Die Urformen des Lebens hausten in den Ozeanen. Gäbe es nicht den Drang, alle Grenzen zu überwinden wäre ein »Landlebewesen Mensch« niemals entstanden. Unsere Vorvorfahren lebten im Wasser. Sie atmeten mit Kiemen, nicht mit Lungen. Das ideale Ambiente dieser unserer Urururahnen war das Wasser. Und dennoch eroberten sie langsam das Land. Dabei mussten sie ein Paradies aufgeben, um in einer Hölle weiterzuleben. Statt wie schwerelos im Wasser zu schweben, musste sie sich schwerfällig an Land dahinschleppen. Hitze versengte ihnen die Haut, Kälte schlug beißende Wunden. Tödliche Gefahren lauerten, die es im Lebensraum Wasser nicht gab, Und doch wurde der Schritt vom gewohnten Lebensraum Meer an Land vollzogen.

Ohne diesen Drang der Expansion hätten sich älteste Lebensform nicht den neuen Gefahren des Landlebens ausgesetzt. Dann wären aber auch niemals Krebse, Vögel und Säugetiere entstanden. Dann wäre das Leben im Wasser geblieben. So strapaziös dieser Umzug auch war, er brachte nicht nur Nachteile. Eine vollkommen neue Welt tat sich für das Leben auf. Empfanden die tierischen »Pioniere«, die an Land krochen, so etwas wie Glück? Hatten sie die Freiheit der Entscheidung? Oder zwang sie das Gesetz der Expansion dazu, die neue Welt der Trockenheit zu erobern? So wie vor Hunderten von Millionen Jahren das Leben aus dem Meer an Land kam, so wird der Mensch Planet Erde verlassen und ins scheinbar unendliche »Meer« des Universums vordringen.

Die Erde ist unsere Wiege. Aber wer möchte schon im Babystadium ausharren? Wir Menschen werden nicht in der Wiege bleiben. Wir werden sie verlassen. Unsere Heimat steht nicht im Zentrum des Universums. Sie ist ein kleiner unbedeutender Planet eines unwichtigen Sonnensystems am »Rande« des Universums. Das Gebot der Expansion wird uns zwingen, so weit wie möglich in die Unendlichkeit vorzudringen. An Bord von riesigen Weltraumstädten kann das Leben von der Erde das All erkunden, auch wenn es Ewigkeiten dauert.Nicht nur wir Menschen folgen diesem Drang der Expansion. Mit anderen Worten: Raumfahrt ist eine natürliche Entwicklungsstufe des Lebens. Dr. Stuhlinger: »Werden die außerirdischen Menschen auch Raumfahrt betreiben? – Zweifellos, sobald sie in ihrer technischen Entwicklung genügend weit fortgeschritten sind.«

Foto 4: Der Horizont, in weiter Ferne und doch so nah!

Eines fernen Tages werden Nachkommen jener Menschen, die einst in riesigen Weltraumstädten die Erde verließen, fremde Planeten erreichen. Was werden sie tun? Das hängt von den Verhältnissen auf den fremden Welten ab. Vielleicht werden sie auf »toten Welten« die Voraussetzungen für Leben schaffen. Vielleicht werden sie primitives Leben kreieren. Vielleicht werden sie primitives Leben intelligent machen. Vielleicht werden sie als Schöpfergötter aus dem All in die Mythen und heiligen Bücher der fernen Welten eingehen. Ihre Geschöpfe werden sich als »Kinder der Götter« verstehen. Irgendwann werden die Götter, deren Urahnen von der Erde kamen, die Reise durchs All fortsetzen. Und irgendwann werden die »Kinder der Götter« ihren Heimatplaneten erforscht haben und den »Göttern« aus dem All ins Universum folgen wollen!

Fußnoten
1) https://www.welt.de/politik/deutschland/article191860105/Berliner-Bischof-Mich-erinnern-die-Freitagsdemos-an-die-biblische-Szene-vom-Einzug-Jesu.html (Stand 30. Mai 2019/ Himmelfahrt)
2) https://www.epochtimes.de/meinung/kommentar/sie-kann-die-co2-molekuele-sehen-greta-thunberg-als-helena-blavatsky-des-21-jahrhunderts-a2872626.html
(Stand 30. Mai 2019/ Himmelfahrt)
3) DER SPIEGEL 2019-05-11
4) Sir Arthur C. Clarke in »Profiles of the Future«, zitiert von Weber, Andreas in »Biokapital. Die Versöhnung von Ökonomie, Natur und Menschlichkeit«, Berlin 2008, Seite 57. Originalzitat: »Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.«,  »Profiles of the future: an inquiry into the limits of the possible«, revidierte Ausgabe 1973, Seite 36 

Zu den Fotos 
Foto 1: Blick über den Horizont hinaus. Foto: Archiv Walter-Jörg Langbein 
Foto 2: Unser Horizont, Darstellung 12. Jahrhundert, Foto wiki commons/ gemeinfrei
Foto 3: Der Horizont ... Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Der Horizont, in weiter Ferne und doch so nah! Foto Walter-Jörg Langbein

501. »Bücher voller Geheimnisse«
Teil 501 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 25. August 2019


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2 Kommentare:

  1. Lieber Walter,

    herzlichen Glückwunsch zum 500. Teil Deiner spannenden Serie und vielen Dank für Deine unermüdliche Ausdauer! Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und begeisterte Leser Deiner Bücher und Beiträge!

    Herzliche Grüße

    Ursula

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Walter,

    auch von mir herzlichen Dank für Deine spannenden Beiträge von denen ich keinen verpasst habe. Meinen Glückwunsch.

    Liebe Grüße

    Sylvia

    AntwortenLöschen

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