Freitag, 6. Mai 2011

Merkels mangelhafter Maulkorb – Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Aus den Erfahrungen der deutschen Geschichte heraus ist es wohl zu erklären, dass Deutschland sich zu einem merkwürdig verlogenen Land mit teilweise pathologischen Zügen entwickelt hat. Einfach aussprechen was man gerade denkt? – In unserem ach so demokratischen Staat ist das eine gefährliche Sache. Das musste Kanzlerin Angela Merkel diese Woche erfahren. Sie hatte es irgendwie verschusselt, ihre Gedanken zum Tod Osama Bin Ladens in einer Waschmaschine der Marke Political Correctness weichzuspülen. »Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten«, entschlüpfte es ihr, woraufhin es selbstverständlich heftige Kritik hagelte. Der Tod eines Menschen sei grundsätzlich nie eine erfreuliche Angelegenheit, ein Mindestmaß an Pietät müsse gewahrt bleiben.

Ja, so ist Deutschland. Tragisch beseelt von faustischem Streben nach Erkenntnis quält sich das deutsche Wesen im Ringen um Angemessenheit in allen Situationen. Impulskontrolle bis zur Selbstaufgabe, das ist es, was heute zuallererst von Politikern verlangt wird. Wahrscheinlich kommt deshalb auch so wenig bei ihrer Arbeit heraus.

Mit der Aufregung über Merkels mangelhaften Maulkorb über die Maßen beschäftigt, kommen die Verfechter der Political Correctness gar nicht dazu, die eigentlich wichtigen Fragen zu stellen: War unsere Bundeswehr nicht von den Amerikanern nach Afghanistan geschickt gebeten worden, um den Umtrieben Bin Ladens ein Ende zu setzen? Nun ist es endgültige Gewissheit: Bin Laden hielt sich in Pakistan auf. Haben sich unsere Soldaten etwa im falschen Land abgearbeitet?

Während es Jacke wie Hose ist, ob und wie sehr die Kanzlerin sich über Bin Ladens Tod freut, so könnte das erneute Aufwerfen der Afghanistanfrage über Leben und Tod vieler unserer Soldaten entscheiden. Aber die sind offenbar nicht so wichtig. Die Hauptsache ist, dass die zu erwartenden künftigen Todesnachrichten pietätvoll überbracht werden, damit alles seine Ordnung hat.


Political Correctness aus Absurdistan

Ähnliche Tendenzen zeigen sich beim Thema der Sicherheitsverwahrung von Schwerstverbrechern. Laut einer neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden viele von ihnen freikommen, darunter eine nicht geringe Anzahl rechtskräftig verurteilter Kinderficker und -mörder. Im Gegenzug werden viele Eltern dazu übergehen, stattdessen ihre Kinder in Sicherungsverwahrung zu nehmen: Sie werden sie nicht mehr unbeaufsichtigt aus dem Haus gehen lassen, was ihrer Entwicklung zu selbständigen Menschen nicht gerade entgegenkommt. Schon heute sieht man selbst in relativ kinderreichen Gegenden kaum noch Kinder im Freien spielen. Weil sie alle vor dem Fernseher sitzen? Mag zum Teil stimmen. Doch viele Eltern ziehen eben das Fernsehen in den schützenden vier Wänden für ihre Kinder vor. Eine Tendenz, die sich jetzt noch verschärfen wird. Die Kinder der Zukunft werden ein Leben wie Gefangene führen, ohne dass sie jemals rechtskräftig verurteilt worden wären. Ein Thema, über das die Political Correctness schweigt.


Heinrich, mir graut vor dir …

Die Freiheitsrechte eines Kinderfickers wiegen schwerer als die Freiheitsrechte von Kindern. Der Anspruch eines Bin Laden auf Pietät ist ein wichtigeres Thema als die Frage, wie viele Soldaten noch im falschen Land ihr Leben lassen werden.

»Da steh ich nun, ich armer Tor/ Und bin so klug als wie zuvor!«, resümiert der Archetyp des Deutschen, Faust, in Goethes gleichnamigem Drama. Angesichts der jämmerlichen Arbeitsergebnisse politischer Korrektheit scheint der gute Dr. Heinrich Faust viele Nachkommen zu haben ...



2 Kommentare:

  1. Eine der Eigenschaften, die mir an Dir so gut gefallen, liebe Ursel: Schönschwätzerei ist nicht Dein Ding. Das mag manchmal hart klingen, schafft aber wohltuende Klarheit und freie Sicht!

    LG g.c.roth

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  2. Liebe Grete, danke für Deinen Komm. Nein, ich hab nichts übrig für den berühmten heißen Brei, das stimmt. Um mich Autorin nennen zu können, halte ich es für meine Pflicht, Dinge sprachlich auf den Punkt zu bringen, so gut ich nur irgend kann. Wenn ich irgendwo lese, einer sei "ein pädophil veranlager Mensch mit schwerer Jugend", dann krieg ich die Krise. Als Politikerin wäre ich wohl vollkommen ungeeignet, was ich allerdings nicht unbedingt als Manko empfinde.
    :-)))

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