Freitag, 18. April 2014

Es ist wieder einmal Ostern

Ursula Prem
Freitagskolumne von Ursula Prem

Wenn Wölfe sich plötzlich das Schafsgewand überziehen und rabulistische Schreiberlinge zu Predigern der Nation mutieren, gibt es dafür nur eine Erklärung: Es ist wieder einmal Ostern. Zeit also, ein wenig in der frohen Botschaft zu baden, um vergangene Sünden wenn schon nicht abzuwaschen, so doch wenigstens gefällig weichzuspülen.

Gar mancher, der den Fall von Gustl Mollath näher verfolgt hat, mag sich in dieser Woche verwundert die Augen gerieben haben, als er die Titelseite der ZEIT vor sich sah. Unter der Überschrift »Wer heute ein Opfer bringt – Wichtiger als ich« sinniert Sabine Rückert in blumigen Worten über die Osterbotschaft. Vielleicht, so Rückert, erscheine das Christentum vielen deshalb sperrig, ja unangenehm, weil in seinem Mittelpunkt das Opfer stehe. Und:

»Im Mittelpunkt des Opfers steht stets eine bittere Entscheidung: für einen anderen auf etwas zu verzichten – bis hin zum eigenen Leben. […] Manche Menschen auf dem ukrainischen Maidan-Platz wussten es, als sie ihr Leben riskierten, damit ihre Kinder dereinst nicht in Korruption und Ungerechtigkeit ihr Dasein fristen müssen. Jeder, der aufsteht gegen Ungerechtigkeit und Gemeinheit, weiß das.«


Die Botschaft hör ich wohl …


Wohl gesetzte Worte, denen man sogar über die Grenzen der Religionszugehörigkeit hinaus zustimmen könnte, wäre Sabine Rückert nicht Sabine Rückert, deren ansonsten gerne zur Schau getragene Selbstgerechtigkeit nicht recht zu derartigen Erkenntnissen passen mag. Rückblende: Im Fall von Gustl Mollath nutzte Rückert mit Vorliebe das Mittel der gezielten Verzerrung, um das geschehene Unrecht kleinzuschreiben. Etwas zu riskieren, damit Korruption und Ungerechtigkeit nicht fröhliche Urständ feiern, den eigenen Einfluss geltend zu machen, um aufzustehen gegen Ungerechtigkeit und Gemeinheit, das wäre dieser leutseligen Überbringerin der Osterbotschaft wohl im Traum nicht eingefallen. Einige Beispiele zur Erinnerung:

Im Dezember 2012 war Sabine Rückert angetreten, den Skandal auf dem Rücken von Gustl Mollath zu einer angeblichen Wahlkampfveranstaltung umzudeklarieren, denn auch sie gehörte zu den Autorinnen des unsäglichen Artikels »Ein Kranker wird Held«, der offenbar Bestandteil einer größer angelegten Medienkampagne gewesen ist, wie ich an anderer Stelle damals unter den Titeln »Die Stunde der Hyänen« und »Presseskandal um Gustl Mollath« anaylsiert hatte. Wohl eher kein Problem für Sabine Rückert, denn zu jener Zeit war ja auch nicht Ostern, weshalb die frohe Botschaft anscheinend in der Schublade verbleiben konnte. Und auch noch mehr als zwei Monate später, als mehr und mehr Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit kamen, ließ Rückert recht wenig Engagement erkennen, medial zur Aufklärung beizutragen.


Osterbotschaft oder faules Ei?


Hätte man derartige Einlassungen mit ein wenig gutem Willen noch der Tatsache zurechnen können, dass damals eben der Kampf um die Deutungshoheit in vollem Gange war, ließ Sabine Rückert auch nach der durch das OLG Nürnberg endlich beschlossenen Entlassung Mollaths nicht von ihrer Kampagne ab. Stattdessen versuchte sie sich eher schlecht als recht an einem als »Streitgespräch« deklarierten tendenziösen Interview mit Mollaths Rechtsanwalt Gerhard Strate, das am 1. September 2013 unter dem Titel »Ist Gustl Mollath gesund, Herr Strate?« in der ZEIT erschien und nur wenig Zweifel daran lässt, welches Lied Rückert zu diesem Zeitpunkt noch immer sang.

Die Osterbotschaft der Sabine Rückert, so viel ist klar, ist ein mehr als faules Ei, dessen liebliche Bemalung wenig an dessen Ungenießbarkeit ändert. In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser: Lassen Sie sich nicht einlullen und genießen Sie die Feiertage!



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9 Kommentare:

  1. Ich hatte die erste Seite der Zeitung angeschaut, ein Bild fast wie von den Zeugen Jehovas, ein Lämmchen auf den Schultern eines Mannes. Erfahre jetzt, wer den Beitrag schrieb. Mit dem Wissen hätte ich wahrscheinlich diese Print-Ausgabe gekauft, um zu sehen, warum "sie" jetzt so einen Artikel schreibt, was die eigentliche Botschaft ist, denn ihr Artikel "Ein Kranker wird Held" bleibt mir unauslöschlich im Gedächtnis.
    "Manche Menschen auf dem ukrainischen Maidan-Platz wussten es, als sie ihr Leben riskierten, damit ihre Kinder dereinst nicht in Korruption und Ungerechtigkeit ihr Dasein fristen müssen."
    So Frau Rückert. Nur dumm, ich erhielt dieser Tage einen link, ein Beitrag von "Monitor", die Sendung, die einst vor vielen Jahren auch über die fortgesetzten Psychiatrisierungsversuche im Zusammenhange meiner Person berichtet hatte. Nun ein Filmbeitrag, gut recherchiert, was auf dem Maidan-Platz geschah. Opfer, denen in den Rücken geschossen wurde. Also ein Planspiel bestimmter Kreise?!
    Ein anderer ehem. Waldorfschüler, wie Herr Mollath, Herr Tennessee Eisenberg erlitt in Regensburg, wo demnächst der Prozeß mit Herrn Mollath stattfindet, Einschüsse durch Polizeimunition, davon drei in den Rücken. Die Bayerische Justiz will das nicht aufklären.
    So ist das schöne Bild mit dem Opfer-Lamm auf den Schultern, die Verbindung zum Maidan-Platz, die Verbindung der Vergangenheit vor 2000 Jahren zur Gegenwart, wie ein faules Ei, wie ein einlullen der "dummgehaltenen" Menschen?! Kannte Frau Rückert nicht die Hinweise, was auf dem Maidan-Platz geschah?! Wer ist für den Tod der Menschen verantwortlich?! Wer trägt Verantwortung für die sieben Jahre Psychiatrie von Herrn Mollath?!
    Der kritisch-wache Zeitgenosse wird zur unberechenbaren Gefahr, für wen eigentlich..... .

    Vor vielen Jahren schrieb die damalige Herausgeberin persönlich per Hand, mit Unterschrift, Frau Marion Gräfin Dönhoff, sie habe leider keine Zeit, um zu recherchieren. Viele Menschen nehmen sich nun die Zeit (mit oder ohne Frau Rückert) um sich selbst ein Bild zu machen. Wir sind eben keine dummgehaltene Schafe mehr, um mit einem österlichen Bilde...... .

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  2. Hm, das muss schwierig sein: da teilt man das Weltbild und wird doch zum Kontrahenten. Was tun? Vielleicht auch einmal das eigene Weltbild und die eigene Position überdenken?
    Das würde aber Opfer verlangen.

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  3. Liebe Frau Prem,

    Dank für diesen Ostergruß. Sie schreiben:
    "Etwas zu riskieren, damit Korruption und Ungerechtigkeit nicht fröhliche Urständ feiern, den eigenen Einfluss geltend zu machen, um aufzustehen gegen Ungerechtigkeit und Gemeinheit, das wäre dieser leutseligen Überbringerin der Osterbotschaft wohl im Traum nicht eingefallen."
    Welches Risiko hätte sie denn dafür eingehen müssen? Ich halte eher die Verteidigung unsachgemäßer Gutachten für ein Risiko...

    Das sie jetzt auch nicht mehr eingeht: warum sonst findet eine Berichterstattung über das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy in der ZEIT wohl nicht statt? Wäre das nicht ein lohnender Gegenstand im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Gemeinheit?

    Ach nein, dann müßte sie ja Prof. Kröber attackieren, der auf Wunsch der Staatsanwaltschaft ein "aussagepsychologisches Gutachten" angefertigt hat, wonach die diversen Geständnisvarianten des geistig behinderten Beschuldigten glaubhafter seien als seine zahlreichen bestreitenden Angaben davor und unmittelbar danach. Und das ganz ohne aussagepsychologische Qualifikation des Psychiaters.

    Nein, da hält Frau Rückert doch mehr von österlichem Frieden und legt den Mantel des Schweigens über dieses haarsträubende Verfahren, in dem jemand zum Sündenbock gemacht wurde. So viel Opfer muß sein.

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    1. Liebe Frau Wolff,

      das Risiko ist für Außenstehende schwer einzuschätzen: Vielleicht gibt es ja Auftraggeber, die hätten verärgert sein können? Da ist es wohlfeil, nun im Osterrausch auch noch den großen Friedrich Schiller als wehrlosen Zeugen zu bemühen, dem sich ob dieses Kontextes wohl alle Haare aufstellen würden. So schreibt Frau Rückert in dem von mir zitierten Artikel auch:

      »Wir alle leben vom Opfer, das andere bringen. Familien leben davon, Freundschaften (den Extremfall besingt der Dichter Friedrich Schiller in seiner Ballade von der Bürgschaft), Unternehmen leben davon, ja die ganze Gesellschaft.« Aha.

      Was Ulvi Kulac betrifft, so hat dieser glücklicherweise eine wesentlich kompetentere Aufklärerin an seiner Seite:

      Gabriele Wolff: Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy

      Danke für Ihre unermüdliche Arbeit, der ich mich gerne anschließen werde, sobald ich zeitlich wieder mehr Luft habe.

      Frohe Ostern!

      Ursula Prem

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    2. Noch 'ne Fundsache

      "Die Debatten des Jahres im Netz
      Welche Themen bewegten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr?

      März [...] In den hinteren Ecken der Community formiert sich derweil ein von der Aussicht auf die Wiederaufnahme des Falles Gustl Mollath inspirierter Mollath-Fanklub, der uns bis zum August erhalten bleiben wird. [...]"


      http://www.zeit.de/community/2013-12/social-media-debatten-jahresrueckblick2013

      * * *
      Machtgestützte Innerlichkeit: Zynismus hier, bigottes Gesäusel dort. - Ansonsten ist von Ihnen beiden und Herrn Seler ja schon alles gesagt.

      Herzliche Grüße
      A.B.

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  4. Liebe Frau Prem,

    vielleicht etwas OT, aber angeregt durch Herrn Selers Erwähnung des Magazins "Monitor" ...
    Ich habe mich sehr gewundert, dass nach dem BVerfG-Urteil zum ZDF kaum nachgefasst wurde. Bei Sonnenschein und Regen, oder wenn in China ein Sack Reis umfällt, gibt es sofort einen "ARD Brennpunkt" oder ein "ZDF spezial". Aber zu diesem Thema: dröhnendes Schweigen.
    Gerade habe ich ein Büchlein des legendären Dieter Hildebrandt gelesen, wo er erwähnt, wem wir die elende Verhunzung der öffentlich-rechtlichen Medien zu verdanken haben: ein gewisser Herr Struve. Ein grauer ARD-Apparatschik, der die Magazine damals rabiat von 45 auf 30 Minuten gekürzt und alle Informationsinhalte in die Zeit um Mitternacht verschoben hat.
    Was halten Sie von einem Rundfunkparlament, gewähllt von den Gebührenzahlern? - Könnte man per Briefwahl machen, bei den ziemlich bedeutungslosen Sozialwahlen geht das ja auch. Weil man dann die Wahlzettel in Ruhe zuhause ausfüllt, sollte man auch kummulieren und panaschieren können. (In Bayern kennt Ihr das ja.)
    Was halten Sie davon?

    Herzliche Grüße
    A.B.

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    1. Liebe/r A.B.,

      das Problem bei derart "bedeutungslosen" Wahlen ist immer, dass kaum ein Wähler weiß, wem er seine Stimme geben soll, da er von den Kandidaten meist nur den Namen kennt oder maximal ein Foto gesehen hat. Ich für mich persönlich habe das Problem anders gelöst: Mein Fernseher hat seit Monaten einen Wackelkontakt. Und seit nun auch noch Störche ihre Notdurft auf der Satellitenanlage verrichtet haben, geht gar nichts mehr. Ein Zustand, den ich nicht zu ändern gedenke: Denn wenn wirklich ab und an mal etwas von Bedeutung in den ÖR kommt, gibt es immer noch die Mediathek. Die "echten" Infos gibt es schon lange mehrheitlich im Netz (von wenigen rühmlichen Ausnahmen wie Report Mainz abgesehen). Je mehr Menschen sich im Netz bewegen und auch aktiv werden, desto mehr werden die ÖR in Bedeutungslosigkeit versinken, schon alleine deshalb, weil kaum noch jemand Zeit hat, die ganze Soße über sich ergehen zu lassen.

      Liebe Grüße

      UP

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    2. Liebe Frau Prem,

      vielen Dank für Ihre Antwort. - Ich erinnere mich an MRRs berühmte Philippika "Ich nehme diesen Preis nicht an ... Aber doch nicht diesen Blödsinn!"
      Mag sein, dass die Zeiten des ÖR dahin sind. - In meiner Jugend habe ich noch selbst nach Werkbuch einen Detektorempfänger gebaut. Die Hörspiele von G. Eich und vieles andere mehr... (So die Anfänge.) Jedenfalls war mir bewußt: da ist etwas Aufregendes, Seltsames, Neues. - Nostalgie? Ich möchte diese Erlebnisse nicht missen. Heute sind sie unwiederholbar...

      Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende
      Ihr A.B.

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    3. Lieber A.B.,

      die Entwicklung endet niemals, so lange es Menschen gibt. Mag der Bau eines Detektorempfängers heute nicht mehr allzu viel Sinn machen und das Endergebnis im Vergleich zu einem Smartphone wenig aufregend sein, so könnten Sie es mit der eigenhändigen Programmierung einer App versuchen. Oder dem Aufsetzen eines CMS-Systems. Es warten durchaus vergleichbare Aha-Erlebnisse. Die menschliche Kreativität kennt keine Grenzen, ihre Betätigungsfelder verschieben sich nur von Zeit zu Zeit.

      Viele Grüße und ein sonniges Wochenende

      Ihre UP

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