»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Foto 1: Gottgefällige Engel bleiben im Himmel. |
Wenn ich in Vorträgen auf die biblischen »Göttersöhne« hinweise, dann reagieren nicht selten selbst emsige Bibelleser verstört. Gottvater, so bekomme ich dann immer wieder zu hören, habe nur einen Sohn, nämlich Jesus. Gern zitiere ich dann vier Verse aus meiner wortwörtlichen Übersetzung des 1. Buches Mose (1): »1) Und es war, ja, es fing an, der Mensch, sich zu mehren auf dem Gesicht der Erde und Töchter wurden ihnen (den Menschen) geboren. 2) Und sie sahen, die Göttersöhne, ja, die Töchter des Menschen, ja, gut diese (oder: schön diese) und sie nahmen die zu Frauen, von allen welche sie wählten. 3) Und er sprach, Jahwe, er, mein Geist, soll nicht herrschen im Menschen für immer, denn auch er ist Fleisch, ja seine Tage seien 100 Jahre und 20 Jahre. 4) Die Riesen, sie (waren) auf der Erde in diesen Tagen, und auch danach ebenso, als sie gingen, die Göttersöhne, zu den Töchtern des Menschen und sie gebaren ihnen, sie, die Riesen, welche die Helden, die hochgerühmten Männer.«
Dann blätterten wütende Skeptiker in ihren Bibeln und stellten erstaunt fest, dass es tatsächlich in der Bibel besagte Göttersöhne gibt. Triumphierend wird mir dann gewöhnlich entgegen geschleudert, dass im Bibeltext von Gottessöhnen (Söhne des einen Gottes), nicht aber von Göttersöhnen 8Söhne mehrerer Götter) die Rede sei.
Ich zitiere die Passage erneut, diesmal aus der Aktuellen Luther-Bibel von 2017:
»1) Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden,
2) da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten.
3) Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn er ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertzwanzig Jahre.
4) Es waren Riesen zu den Zeiten und auch danach noch auf Erden. Denn als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.«
Tatsächlich ist im hebräischen Original von Elohim, also von Göttern die Rede, die Übersetzung Göttersöhne ist also korrekt. Ich hatte 1978 ausgiebig Gelegenheit, mich mit Prof. Dr. Georg Fohrer (*1915; †2002), Fachbereich Altes Testament an der »Friedrich Alexander Universität Erlangen«, über die ominösen Göttersöhne zu unterhalten. Der renommierte Theologe im Gespräch mit mir: »Es sind nicht die Söhne Jahwes, es sind die Söhne der Elohim! Und weiter: Es ist nur logisch, dass von Göttersöhnen die Rede ist, also von den Söhnen der Götter. Denn die Söhne der Götter begehrten die Töchter der Menschen.« Nach Überzeugung Prof. Dr. Fohrers waren die Göttersöhne untergeordnete Götter, die schon in vorbiblischen Zeiten verehrt und angebetet wurden!
Prof. Dr. Oswald Loretz (*1928; †2014) übersetzt in seinem leider viel zu wenig beachteten Werk »Ugarit und die Bibel« (2) auch auf die Göttersöhne ein. Auch er übersetzt: »Da sahen die Göttersöhne, wie schön die Menschentöchter waren. … Die Riesen waren in jenen Tagen im Land und auch danach, als die Göttersöhne zu den Menschentöchtern kamen.«
Foto 3: Die Göttersöhne zeugten mit den Töchtern der Menschen Riesen. Lithographie von Osmar Schindler, 1888 |
Für gewöhnlich kennen sich selbst die besten Theologen christlicher Couleur nur im Fachbereich Altes oder Neues Testament aus. Orientalisten wiederum mögen bestens in Sachen Schrifttum des Orients informiert sein, haben aber keine Ahnung vom »Alten Testament«. Prof. Dr. Loretz indes war sowohl Theologe als auch Altorientalist. Wikipedia würdigt Prof. Dr. Oswald Loretz wie folgt (3): »Oswald Loretz leistete neben seinen alttestamentlichen Studien und seinen Ugarit-Forschungen wesentliche Beiträge für die Erforschung der Literatur-, Sprach- und Kulturgeschichte des antiken syro-palästinischen und des ostmediterran-levantinischen Raumes vom 2. Jahrtausend v. Chr. bis zur Zeitenwende.«
Prof. Dr. Oswald Loretz erkannte, dass sich so mancher Verfasser von Texten, die wir aus dem Alten Testament kennen, aus sehr viel älteren Texten (Ugarit!) bedient haben muss. Prof. Dr. Loretz weist nach, dass scheinbar harmlose Bibelverse brisante Informationen bieten: allerdings nur, wenn man korrekt übersetzt. Das aber geschieht nicht immer. Prof. Dr. Loretz wird dem Original mit seiner Übersetzung gerecht (4): »Volles Gewicht hat die alte Tradition auch noch in diesem Abschnitt von Psalm 89, wo Gottes himmlische Umgebung folgendermaßen beschrieben wird (5): ›Die Himmel preisen deine Werke, Jahwe, …Denn wer in den Wolken gleicht Jahwe, ist ähnlich Jahwe unter den Göttersöhnen?‹«
In der Lutherbibel von 2017 findet sich in Vers 7 keine Spur mehr von den Göttersöhnen: »Denn wer in den Wolken könnte dem HERRN gleichen und dem HERRN gleich sein unter den Himmlischen?« Korrekt übersetzt finden wir den Vers in der »Elberfelder Bibel«: »Denn wer in den Wolken ist mit dem HERRN zu vergleichen? Wer ist dem HERRN gleich unter den Göttersöhnen?« Auch »Schlachter 2000« hat keine Angst von Göttersöhnen: »Denn wer in den Wolken ist dem HERRN zu vergleichen, wer ist dem HERRN ähnlich unter den Göttersöhnen?« Der »Zürcher Bibel« scheinen die Göttersöhne nicht zu schmecken: »Denn wer in den Wolken kann sich messen mit dem HERRN, wer unter den Gottessöhnen gleicht dem HERRN?« Immerhin bleiben die Gottessöhne erhalten. »Hoffnung für Alle« lässt die Göttersöhne verschwinden: »Denn wer im Himmel ist dir gleich? Kein himmlisches Wesen ist so mächtig wie du!« Auch in der »Neuen Genfer Übersetzung« vermisse ich die Göttersöhne. Wie so oft in manipulierenden Übersetzungen verharmlost man »Göttersöhne« oder »Gottessöhne« und macht »himmlische Wesen« daraus: »Denn wer dort über den Wolken hält einem Vergleich mit dem Herrn stand? Welches himmlische Wesen steht auf derselben Stufe mit dem Herrn?«
Foto 4: Der Heilige Gottesname Jahwe, der HERR in vielen deutschen Ausgaben der Bibel |
Wagen wir einen Blick nach England. »O heavenly beings«, also »O himmlische Wesen« finden wir in der »English Standard Version«. Dazu gibt es eine Fußnote: »Hebrew Sons of God or Sons of Might«, also »Hebräisch Söhne Gottes oder Söhne der Macht/ mächtige Söhne«. Die »New International Version« belässt es bei »heavenly beings«, also bei »himmlischen Wesen«, und verzichtet auf eine Fußnote.
Wie sich doch die Übersetzer oft winden, nur um nicht von »Göttersöhnen« sprechen zu müssen! »Ihr Söhne von Mächtigen..« fabuliert die »Wachturm Online Bibliothek« Aber wer sind denn »die Mächtigen« (Mehrzahl!)? Die »Gute Nachricht Bibel« lokalisiert sie etwas genauer, wenn sie von »Mächtigen im Himmel« spricht. Da und dort ist von »Engeln« zu lesen, auch wenn man im Original keinen Hinweis auf Engel findet.
»Mächtige Engel« sollen sich nach »Hoffnung für Alle« und der »New International Readers Version« (6) angesprochen fühlen und Gott loben und preisen.
Wahrhaft kurios fällt die Übersetzung aus, die die »Zürcher Bibel« verbreitet: »Ein Psalm Davids. Gebt dem HERRN, ihr Götter, gebt dem HERRN Ehre und Macht.« Im hebräischen Originaltext steht Jahwe. Erklärender Hinweis: Ursprünglich wurden die Originaltexte in der hebräischen Konsonantenschrift verfasst. Zeitweise durfte der heilige Gottesname Jahwe nicht ausgesprochen werden. Stattdessen musste in der Synagoge laut Adonai gesagt werden, wenn Jahwe geschrieben stand. Damit nun beim Vortrag aus der Thora nicht versehentlich doch einmal laut Jahwe ausgesprochen wurde, fügte man den hebräischen Konsonanten JHWH von Jahwe die hebräischen Vokale des Wortes Adonai bei. Adonai bedeutet Herr. Wenn Jahwe in der Schriftrolle stand, wurde laut Adonai vorgetragen.
Der besondere Respekt vor dem Gottesnamen Jahwe wurde bei der Übertragung des »Alten Testaments« ins Deutsche gewahrt. Wo im Original Jahwe stand, wurde in der deutschsprachigen Übersetzung HERR in Großbuchstaben gedruckt.
Die »Zürcher Bibel« zeigt: »Ein Psalm Davids. Gebt dem HERRN, ihr Götter, gebt dem HERRN Ehre und Macht!« Wenn wir etwas näher am Original bleiben wollen, lesen wir so: »Ein Psalm Davids. Gebt Jahwe, ihr Götter, gebt Jahwe Ehre und Macht.« Einfacher, kürzer und besser verständlich formuliert: »Ihr Götter gebt Jahwe Ehre und Macht!«
Diese Fassung des Verses 1 von Psalm 29 steht im krassen Gegensatz zum Monotheismus der Bibel. Götter sollen Jahwe Ehre und Macht geben? Welche Götter? Geradezu ketzerisch blasphemisch muss es doch für Christen sein, wenn im Text gefordert wird, dass irgendwelche Götter Jahwe Macht und Ehre geben sollen. Das könn(t)en sie doch eigentlich nur, wenn sie im Rang über Jahwe stehen! Nur der Stärkere kann dem Schwächeren »Ehre und Macht« geben.
In einem anderen Psalm, Psalm 82, tauchen wiederum Götter (Mehrzahl!) auf (7): »Gott steht in der Gottesgemeinde und ist Richter unter den Göttern.« Diese Übersetzung ist irreführend. Wortwörtlich übersetzt lautet der Vers in deutscher Sprache so: »Elohim – er steht – in der Gemeinde von El inmitten von Göttern spricht er Recht.« Prof. Dr. Oswald Loretz übersetzt so (8): »›Jahwe‹ steht in der ›El‹-Versammlung, inmitten der Götter hält er Gericht.«
Hier ist eindeutig von einer Versammlung von Göttern (Mehrzahl!). In dieser Zusammenkunft von Göttern hält ein Gott (DER Gott des monotheistischen Judentums?) Gericht?
Im Buch »Hiob«, es wird zur »Weisheitsliteratur« des »Alten Testaments« gezählt, gibt es gleich zwei Hinweise auf so eine Versammlung! Die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien räumte dem kleinen Büchlein einen sehr hohen Stellenwert ein und ließ es in der Bibel unmittelbar auf die fünf Bücher Mose folgen.
Hiob Kapitel 1,Vers 6: »Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, kam auch der Satan mit ihnen.«
Hiob Kapitel 2, Vers 1: »Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den HERRN trat.«
Fußnoten
(1) 1. Buch Mose, Kapitel 6, Verse 1-4
(2) Loretz, Oswald: »Ugarit und die Bibel«, »Wissenschaftliche Buchgemeinschaft«, Darmstadt 1990, Seite 60, Zeilen 1-3 von unten und Seite 61, Zeilen 1-6 von oben
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Oswald_Loretz (Stand 10.10.2019)
(4) Loretz, Oswald: »Ugarit und die Bibel«, »Wissenschaftliche Buchgemeinschaft«, Darmstadt 1990, Seite 61
(5) Psalm 89, Verse 6 und 7
(6) »you mighty angels«
(7) Lutherbibel 2017, Psalm 82, Vers 1
(8) Loretz, Oswald: »Ugarit und die Bibel«, »Wissenschaftliche Buchgemeinschaft«, Darmstadt 1990, Seite 60 unten
Zu den Fotos
Foto 1: Gottgefällige Engel bleiben im Himmel. Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Rebellierende Engel steigen hinab zu den Frauen. Fotocollage! Gespiegelt! Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 3 Die Göttersöhne zeugten mit den Töchtern der Menschen Riesen. Lithographie von Osmar Schindler, 1888. Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Der Heilige Gottesname Jahwe, der »HERR« in vielen deutschen Ausgaben der Bibel.Archiv Walter-Jörg Langbein
516. »Aquila und die Söhne der Götter«,
Teil 516 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 8. Dezember 2019
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