Sonntag, 29. April 2018

432 „Das Leuchten in der Gruft“

Teil  432 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Dom zu Paderborn
Im Nachtzug von Rom nach München kam ich vor Jahren mit einem italienischen Geistlichen ins Gespräch. Der freundliche Herr mit Rauschebart kannte sich erstaunlich gut in meiner Wahlheimat, dem Weserbergland, aus.

Zunächst schwärmte er von der Kilianskirche zu Lügde. »Wenn sie bei Nacht angeleuchtet wird, dann erahnt man, dass sie Geheimnisse hat. Sie wurde auf einer Kapelle errichtet, erklärte mir der Geistliche, die ihrerseits auf einem heidnischen Quellheiligtum gebaut wurde. Noch vor wenigen Jahren habe es unter der Kilianskirche eine einst heilige Quelle gegeben. »Inzwischen ist sie versiegt!«

Ich habe die Kilianskirche mehrfach bei Nacht besucht. Sie scheint dann förmlich von innen heraus zu leuchten, zu glühen. Karl der Große soll hier Weihnachten gefeiert haben, anno 784.

An der Südseite des östlichen Jochs ist noch eine alte Bemalung zu erkennen. Eva mit Lebensbaum. Am besten sieht man Eva nebst Baum mit Schlange, wenn man sich auf den Boden legt und mit einem guten Teleobjektiv die kleine geheimnisvolle Malerei. Eva hat eine Hand kess gegen ihre Hüfte gestemmt. Sie spricht mit der Schlange am »Lebensbaum«. Der unbekannte Maler hat die bekannte Szene aus dem Buch Genesis in einen Sternenhimmel verlegt.

Foto 2: Eva, der Lebensbaum mit Schlange und Sterne

Das Motiv des »Lebensbaums« ist uralt. Im alten Indien wie in Mesopotamien kannte man ihn. Er verband die Unterwelt mit dem Himmel, wo die Götter lebten. Ab dem 3. Jahrtausend v.Chr. stellte man den Lebensbaum in der Region des heutigen Afghanistan auf Siegeln und Amuletten dar. Bei Ausgrabungen auf dem »Goldenen Hügel« im Norden Afghanistans wurden 1978 sechs Gräber entdeckt, die zu Jesu Lebzeiten angelegt wurden. 20.000 Schmuckstücke wurden geborgen und sorgfältig restauriert. Immer wieder kam auch das Lebensbaum-Motiv zum Vorschein. Während des Afghanistan-Krieges verschwand dieser außergewöhnliche Schatz spurlos und galt als verloren. 2004 tauchte er wohlbehalten wieder auf.

Vor vielen Jahren, so berichtete mir mein Gesprächspartner im Zug, habe er zunächst die Kilianskirche in Lügde, dann den Dom zu Paderborn besucht. „Hat man denn inzwischen den Brunnenschacht zu den unterirdischen Räumen unterhalb des mächtigen Gotteshauses gefunden?“, fragte er mich in fast fehlerfreiem Deutsch. Weitschweifig erzählte er von einem angeblichen „Brunnenschacht“ aus „heidnischen Zeiten“. 

Der Gottesmann rezitierte eine alte Volkssage, in der von einem Brunnenschacht die Rede ist, der zu unterirdischen Räumen tief unter dem Dom führt. Nur mit Magie sei es möglich gewesen, das Wasser im Brunnen vorübergehend zum Versiegen zu bringen und über eine Treppe im Schacht hinab in die „Unterwelt“ zu steigen. Eine Tür würde dann zu Räumen führen, in denen unermessliche Schätze lagerten. Vor allem, so der Priester in ernstem Ton, seien die unterirdischen Räume stet erleuchtet. Eine geheimnisvolle Lampe spende seit vielen Jahrhunderten Licht. Die Sage vom Brunnenschacht konnte ich tatsächlich verifizieren.

Josef Seiler (*1823; †1877) war fasziniert von alten Erzählungen und Sagen. 1848 erschien sein Werk »Volkssagen und Legenden des Landes Paderborn«. Im schmalen Sammelbändchen findet sich die mysteriöse Geschichte »Der Brunnen im Dom« fest. Da geht es um unheimliche Magie, um die menschliche Gier nach Reichtum. Von kostbaren Schätzen in Kammern unter dem Dom ist die Rede, nicht aber von dem mysteriösen Licht, das meinen Gesprächspartner so faszinierte.

Ich muss wohl zweifelnd drein geblickt haben, was den Geistlichen etwas zu ärgern schien. „Es gibt unzählige Berichte aus vielen Jahrhunderten, aus aller Welt, in denen magische Lampen beschrieben werden, die Jahrhunderte, ja Jahrtausende Licht spenden.“

Foto 3: Ewiges Licht in einer Synagoge.

Judentum und Christentum katholischer Prägung haben eine besondere Gemeinsamkeit: Im Tempel wie in der katholischen Kirche brennt ein „ewiges Licht“. Es symbolisiert die ständige Gegenwart Gottes im Tempel wie in der katholischen Kirche. Im Katholizismus wie im Judentum beruft man sich auf zwei Verse, die angeblich vom Propheten Jesaja verfasst wurden. In der aktuellen Luther-Bibel lesen wir (1):

„Die Sonne soll nicht mehr dein Licht sein am Tage, und der Glanz des Mondes soll dir nicht mehr leuchten, sondern der Herr wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Glanz sein. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen und dein Mond nicht den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“ Lesen wir in „Hoffnung für Alle“ nach (2):

Foto 4: Ewiges Licht in einer katholischen Kirche.

„Das Licht der Sonne wirst du nicht mehr brauchen und auch nicht das Leuchten des Mondes. Denn ich, der Herr, werde dein ewiges Licht sein, dein Gott, die Sonne, die dir scheint. Es wird nie wieder dunkel um dich werden. Denn anders als Sonne und Mond werde ich nie aufhören, dein Licht zu sein. Dann ist deine Trauerzeit vorbei.“

Das „ewige Licht“ im jüdischen Tempel wie im katholischen Gotteshaus steht also für die göttliche Präsenz: des Unaussprechlichen im Judentum, von Jesus im Christentum. Umstritten ist, wann das erste „ewige Licht“ entzündet wurde. In Europa, so heißt es, geschah dies erstmals im 13. Jahrhundert. In den orthodoxen Kirchen des Orients brannten „ewige Lichter“ schon etwa ein Jahrtausend früher, nämlich an den Gräbern von Märtyrern.

Foto 5: Götter Lakshmi, Vishnu und Shiva.

Im Judentum war es die ewige Präsenz Jahwes, im Katholizismus die Allgegenwart Jesu, an die das „ewige Licht“ erinnern sollte. Aber wer hat das „ewige Licht“ erfunden? Walter Raymond Drake (*1913, †1989), Verfasser einer Vielzahl von Werken der Präastronautik, war davon überzeugt, dass es echte „ewige Lichter“ schon vor Jahrtausenden gab. Mysteriöse Lampen, die – so Walter Raymond Drake – im wahrsten Sinne des Wortes ewig brannten, weil sie aus einer uns bis heute unbekannten Energiequelle schöpften. Nach Drake, den ich am Rande so mancher Konferenz der „Ancient Astronaut Society“ sprechen durfte, handelte es sich dabei um ein technisches Artefakt, dass einst von Besuchern aus dem Kosmos zur Erde gebracht wurde.

Vom symbolischen „ewigen Licht“ des Juden- und des Christentums zu mysteriösen Lampen, die über Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende Licht spenden. Einige Beispiele dieser rätselhaften Technologie begegneten mir immer wieder bei meinen Recherchen.

Foto 6: Gott  Vishnu mit seinen Waffen.

Auf einer meiner Studienreisen, die mich zu so manchem indischen Tempel führte, hörte ich von einem mysteriösen „ewigen Licht”, das nie erlischt, obwohl es schon seit Jahrtausenden brennt. In so mancher antiker Gruft habe ein „Licht“ geleuchtet, als Plünderer oder Archäologen alte Grabstätten öffneten. Immer wieder war von unerklärbaren „ewig leuchtenden Lampen“ die Rede. Manchmal war angeblich nicht zu erkennen, wie das Licht erzeugt wurde, öfter war von „Jahrhunderte lang brennenden Öllampen“ die Rede.

In der Stadt Jawalamukhi (3), Kangra-Distrikt, Bundesstaat Himachal Pradesh, steht „Jwala Ji“, der vielleicht älteste Tempel Indiens. Wie man mir versicherte, wird das uralte sakrale Gebäude bereits im Mahabharata-Epos erwähnt. Dort verehrt man die Göttin Jwala. Nach einem Bildnis oder einer Statue der Göttin wird man freilich vergeblich suchen. Stattdessen wird ein „ewiges Licht“ verehrt, eine rätselhafte bläuliche Flamme, die seit ewigen Zeiten knisternd züngelt. „Jwala“ lässt sich, so versicherte man mir, mit „Flamme“ übersetzen. Angeblich haben im Laufe der Jahrhunderte Skeptiker immer wieder versucht, die heilige Flamme der Göttin zu ersticken. Vergeblich!

Foto 7: Vishnu mit seinen Waffen.

Dschalāludin Mohammed Ākbar, Großmogul von Indien, wollte das geheimnisvolle Licht im 16. Jahrhundert mit einer Eisenplatte ersticken. Das gelang nicht. Auch seine Versuche, es mit Wasser zu löschen, schlugen fehl. Und so brennt das „ewige Licht“ der Göttin Jwala auch heute noch. Wo genau? Angeblich züngeln seit ewigen Zeiten mehrere Flammen, auch in einer unterirdischen Höhle. Nach alter Mythologie wurde der Himalaya einst von Dämonen beherrscht. Die Götter beschlossen, die Dämonen zu vernichten. Sie konzentrierten ihre Kräfte und riesige Flammen schossen aus dem Boden. Setzten die Himmlischen unter der Leitung von Vishnu höchstpersönlich Waffen ein? In zahlreichen Darstellungen hält er eine „Keule“ und eine „Wurfscheibe“.

8: Vishnus Käule
Die „göttliche“ Waffe, die am leichtesten zu handhaben war, war die Gattung der Wurf- oder Diskuswaffen. Dazu  gehörte zum Beispiel die »Chakra«. Sie hatte einen wesentlichen Vorteil, nämlich dass sie gezielt gegen einzelne Personen eingesetzt werden konnten, ohne dass dabei, wie es bei den größeren Waffentypen der Fall war, die Menschen und Tiere in der unmittelbaren Umgebung des Einzelopfers gefährdet wurden. Man konnte die „Chakra“ innerhalb von größeren Zimmern wie im freien Raum einsetzen, und das recht wirkungsvoll.

Zurück zum „ewigen Licht“, zurück zu mysteriösen „Lampen“, die seit Urzeiten leuchten sollen. Der chinesische Naturwissenschaftler Shen Kuo (* 1031; † 1095) gilt als der wichtigste Wissenschaftler seiner Zeit. Erfunden hat er einen Kompass für die Navigation und eine Lampe, die ohne Brennstoff auskam und doch immer leuchtete. Die Wunderlampe wurde dem genialen Erfinder mit in die Gruft gestellt. 250 Jahre nach seinem Tod drangen Plünderer in die Gruft ein. Die mysteriöse Lampe leuchtete immer noch. Weil sie nicht die erhofften Schätze fanden, zerstörten sie die fantastische Erfindung des Shen Kuo. Zur Strafe wurden sie lebendig begraben. Bis heute ist ungeklärt, was genau Shen Kuo erfunden hat. Wurde seine Wunderlampe mit elektrischem Strom aus einer Batterie betrieben? Was leuchtete? Eine Glühbirne?

Lukian (*120 n.Chr.;†180-200 n.Chr.)  berichtete über eine „Syrische Göttin“ (4). In seinem Werk schildert er, wie er im „Tempel von Heirapolis“ eine Statue der Göttin Hera bestaunte. An der Stirn der Figur war demnach eine „Lampe“ angebracht, die Tag und Nacht leuchtete und nie erlosch. Nachts habe sie mit ihrem Licht den ganzen Tempel erhellt.

Foto 9: Vishnus Wurfscheibe
In Athen, so berichtet Pausanias, namhafter Geograph und Historiker im 2. Jahrhundert, gab es auf der Akropolis einen weit über die Stadtgrenzen bekannten Tempel. Dreizehn Helden und Götter wurden verehrt. Anhänger verschiedener Kulte huldigten friedlich nebeneinander allen Unterschieden auf religiösem Gebiet zum Trotz ihren „Himmlischen“. Als besonders heilig galt eine Statue der Minerva-Athene, der ewig jungfräulichen Göttin der Weisheit. Angeblich war das verehrte Kultbild einst vom Himmel gekommen (6). Das Heiligtum wurde Tag und Nach von einer „goldenen Lampe“ erhellt (7), die kein Geringerer als der Bildhauer und Erfinder Callimachus bereits im 4. Jahrhundert angefertigt haben soll (8).

Ich meine: Das Thema der ewig leuchtenden Lampen wird von der seriösen Wissenschaft außer Acht gelassen und selbst von den Grenzwissenschaften stiefmütterlich behandelt. Eine Zusammenfassung entsprechender Berichte aus aller Welt mit Zitaten und genauen Quellenangaben ist überfällig! Wann wurden wo leuchtende Lampen in Gruften entdeckt? Welche frühe Historiker beschrieben wo über mysteriöse Lampen in Tempeln?

Fußnoten
1) Jesaja Kapitel 60, Verse 19 und 20, zitiert nach der „Lutherbibel 2017“
2) Jesaja Kapitel 60, Verse 19 und 20, zitiert nach „Hoffnung für Alle“
3) Nächster größerer Ort ist Dharamsaka, Entfernung 55 Kilometer
4) „De Dea Syria“
Foto 10: Der Dom von Paderborn
5) Seine genauen biographischen Daten sind nicht bekannt.
6) Als Quelle benutze ich eine Übersetzung von Pausanias‘ Werk ins Englische, Delphi Classics 2014. Pausanias 1, 26, 6: „But the most holy symbol … is the image of Athena… A legend concerning it says that it fell from heaven; whether this is true or not I shall not discuss.“
7) Dopatka, Ulrich: „Die große Erich von Däniken Enzyklopädie“, Düsseldorf 1997, Seite 211, Stichwort „Lampen“.
8) Als Quelle benutze ich eine Übersetzung von Pausanias‘ Werk ins Englische, Delphi Classics 2014. Pausanias 1, 26, 6: „A golden lamp for the goddess was made by Callimachus.“

Zu den Fotos
Foto 1: Der Dom zu Paderborn. Unter dem Dom soll es geheime Schatzkammern geben. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Eva, der Lebensbaum mit Schlange und Sterne
Foto 3: Ewiges Licht in einer Synagoge. Foto gemeinfrei/ Bachrach44
Foto 4: Ewiges Licht in einer katholischen Kirche. Foto wikimedia commons/ Membeth
Foto 5: Götter Lakshmi, Vishnu und Shiva. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Gott  Vishnu mit seinen Waffen. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Vishnu mit seinen Waffen.  Foto wikimedia commons/ Sarah Welch
Foto 8: Vishnus Keule.  Foto wikimedia commons/ Sarah Welch
Foto 9: Vishnus Wurfscheibe. Foto wikimedia commons/ Sarah Welch
Foto 10: Der Dom birgt noch manches Geheimnis. Foto Walter-Jörg Langbein

433 „War Maria Magdalena 'der' Lieblingsjünger Jesu?“,
Teil  433 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 06.05.2018


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Sonntag, 22. April 2018

431 „Die Kreatur, Eulenmann und Kartoffelkopf/ Abschied von der Osterinsel“

Teil  431 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein                       


Foto 1: Heyerdahls Experiment misslang

1955/56 scheiterte Thor Heyerdahl weitestgehend auf der Osterinsel. Es gelang ihm nicht, allen vollmundigen Ankündigungen zum Trotz, eine Statue mit Faustkeilen aus dem Vulkankegel am Rano Raraku heraus meißeln zu lassen. Seine tüchtigen Gehilfen mussten enttäuscht und mit wunden Händen aufgeben. Das Ergebnis des Heyerdahl-Experiments mutet kläglich an. Allenfalls die Umrisse, nur wenige Millimeter tief, konnten in das relativ weiche Vulkangestein „geritzt“ werden.

Gescheitert ist Thor Heyerdahl mit seinem Versuch, archäologische Nachweise für seine Theorie, die Osterinsulaner seien von Peru aus gekommen. Auch trotz zahlreicher Grabungen konnte nicht ein einziger Fund getätigt werden, der eine Verbindung Peru/ Südamerika mit der Osterinsel zumindest nahelegte.

Foto 2: Osterinselriesen als Briefmarkenmotiv

Ganz in der Nähe des Rano Raraku Vulkankegels, nur wenige Meter vom „Steinbruch“ entfernt, stießen Heyerdahls Gehilfen in einiger Tiefe auf eine kuriose steinerne Figur. Sie ist eine der kleineren Statuen, ihre Höhe misst nur 3,60 Meter. Und sie unterscheidet sich vollkommen vom Standardtypus der Osterinselriesen. „Tukuturi“ nannten die Einheimischen spontan die mysteriöse Figur, zu Deutsch „der Kniende“.

Die typische Osterinsel-Statue steht aufrecht. Die Arme liegen seitlich am Körper, die langen dünnen Finger deuten Richtung Nabel. Einen Unterleib haben die Riesen nicht, an der Gürtellinie ist Schluss. Die Köpfe der Kolosse wirken roboterhaft starr, aber auch blasiert und arrogant. In den Augenhöhlen lagen einst Augen aus Muschelkalk, auf den flachen Häuptern standen zylindrische Steine wie monströse Hüte.

Fotos 3-5: „Der Kniende“

„Tukuturi“, „der Kniende“, fällt vollkommen aus dem Rahmen. Die Figur ist komplett ausgearbeitet, von den Füßen bis zum rundlichen Kopf. Die Figur kniet, hockt auf Fersen und Unterschenkeln, die Hände ruhen auf den Oberschenkeln. Leicht angedeutete Brüste sehen manche als Hinweis auf das Geschlecht der seltsamen Statue. Nicht zu übersehen ist aber der Bart. Es dürfte sich also um einen Mann handeln, der da kauert. Nach weithin akzeptierter Lehrmeinung wurden die Osterinsel-Statuen immer größer, womöglich als Resultat eines Wettstreits zwischen verschiedenen Stämmen.

Foto 6: Mein Bungalow

Versuchte jeder Stamm seine Konkurrenten zu übertreffen und möglichst noch größere Figuren aus dem Vulkankrater zu hauen? Oder wollte man von Generation zu Generation die „Altvorderen“ mit immer größer werdenden Figuren übertrumpfen? Die größte bekannte Statue – Länge rund 20 Meter (von mir nachgemessen) – wurde nie vollendet. Sie wurde nicht komplett aus dem Vulkangestein gelöst. Niemand vermag zu sagen, warum die Arbeiten im Steinbruch offensichtlich abrupt beendet wurden.

Dann müsste „der Kniende“ mit ihrer geringen Höhe (ich habe 3,60 Meter gemessen) zu den ältesten Statuen gehören. Wieso hat man sie vergraben? Etwa weil es zu einem abrupten Stilwechsel kam, warum auch immer? Man muss sich natürlich fragen, ob „der Kniende“ die einzige Statue ihrer Art ist. Sie ist die einzige, die man bis heute gefunden, sprich ausgegraben hat. Ruhen noch weitere solche vollkommen aus dem Rahmen fallenden Figuren unter dem Erdboden der Osterinsel?

Davon sind viele Osterinsulaner überzeugt. Tatsächlich sieht man da und dort auf dem Eiland Gesichter der berühmten Steinkolosse aus dem Erdboden ragen. Wie viele ganz und gar vom Erdreich bedeckt sind und so von Witterungseinflüssen verschont bleiben? Niemand weiß das. Und Eingeweihte, die von Vätern und Großvätern in Geheimnisse der Osterinsel eingeweiht worden sind, schweigen.

Fotos 7 und 8: „Der Eulenmann" oder „Die Eule"

Ein Gesicht ragt ein Stück aus dem Erdreich. Im Hintergrund: Reste einer Plattform, auf der einst mehrere Statuen der bekannten, klassischen Art standen. Sie sind (wurden) gestürzt, liegen in Trümmern vor der verfallenden Plattform. Ganz aus dem Rahmen fällt das runde Gesicht. Es ist keines der fast normierten stoischen Gesichter der typischen Statuen. Leere Augenhöhlen starren den Besucher an. Einheimische nennen die Figur, von der nur wenig zu sehen ist, scherzhaft „Eulenmann“ oder „Eule“. Warum gräbt man die Figur nicht aus?

Ein Geistlicher erzählte mir vor Ort: Über Jahrzehnte hinweg seien die Statuen für viele Einheimische nichts Besonderes gewesen. Mehrfach sei er gefragt worden, ob es überall auf der Welt diese „Dinger“ gebe. Lange Zeit hatte kaum jemand Interesse, die Vergangenheit der Insel zu erforschen. Aber immer mehr, auch junge Inselbewohner, interessieren sich für die Geschichte der Insel mit den Riesenstatuen.

Foto 9: „Die Kreatur“
Die Osterinsel ist mit Lava-Schlacken übersät. Überall liegen kleine oder große unförmige, auch runde, Klumpen, die einst einer der Vulkane ausgespuckt hat. Sie schossen noch flüssig in die Höhe, schlugen verfestigt wie Bomben wieder auf. In der Regel haben sie eine raue Außenhülle mit Löchern unterschiedlicher Größe. Figuren aus Lava-Schlacke-Klumpen soll es „viele“ gegeben haben. Sie entsprachen ganz und gar nicht dem weltberühmten Typus des Osterinselriesen mit starren, fast roboterhaften Gesichtsauszügen.

Vergeblich suchte ich bei meinen Aufenthalten auf „meiner Lieblingsinsel“ nach einer „nur“ etwa 2,40 Meter kleinen Figur aus rötlich-brauner Vulkanschlacke. Ein vergilbtes Foto stand mir kurz zur Verfügung. Eine angeblich maßstabsgetreue Zeichnung (Foto 8) durfte ich ausgiebig in Augenschein nehmen, aber nicht publizieren. Grete C. Söcker fertigte für mich eine Zeichnung dieser Kreatur an. Auf einem formlosen „Oberkörper“ oder „Leib“ ohne erkennbare Gliedmaßen ruht ein wuchtiger Kopf mit dicker Knollennase und wulstigen Lippen. Gab es eine reale Vorlage für dieses in rötlich-brauner Schlacke verewigte Geschöpf? Es könnte sehr wohl findige Hollywoodgrößen zu einem menschenfressenden Monster inspirieren.

Fotos 10 und 11: „Der Krallenmann“

Das gilt auch für  eine weitere Statue, die auf den ersten Blick sehr dem „typischen“ Osterinselriesen ähnelt. Sie ist verglichen mit ihren steinernen „Kollegen“ ausgesprochen klein, sie misst nur etwa 1,70 Meter. Anstatt von Fingern hat dieser seltsame „Osterinselzwerg“ aus Basalt lange, unnatürlich abgewinkelte Krallen. Freunde von Horrorfilmen mögen an Freddy Krueger aus der langlebigen Reihe „Nightmare on Elmstreet“ erinnert werden. Massenmörder Freddy trägt an seiner rechten Hand einen Handschuh mit Klingen, scharf wie Skalpelle, am Ende der Finger. Sein Osterinsel-Pendant freilich hat an beiden Händen diese scharfen spitzen Krallen.


Foto 12: „Kartoffelkopf“
Die Osterinsel bietet noch viele Geheimnisse und Rätsel. Immer wieder werden Meldungen durch die Medien verbreitet, wonach nun endgültig geklärt sei, wie die Riesen vom Steinbruch an die Plätze ihrer Bestimmung transportiert werden. Tatsache ist: Keiner dieser Lösungsvorschläge ist mehr als reine Spekulation. Und keine dieser Spekulationen hält einer stichhaltigen Überprüfung stand. Daran ändert auch die immer wieder in die Welt posaunierte Meldung, nun sei Däniken endgültig widerlegt. „Widerlegt“ werden nämlich auch in Sachen Osterinseln angebliche Behauptungen Dänikens, die sich nirgendwo in seinen Büchern finden.

Ungelöst sind nach wie vor viele Geheimnisse der Osterinsel. Wo wurden Riesenstatuen und Statuetten vergraben und warum? Wen oder was sollen die stoisch dreinblickenden Statuen darstellen? Wie kamen sie zu Fall? Wer oder was hat sie gestürzt? Wen stellen fratzenartige Reliefs und gnomartige Skulpturen dar, die man selbst in dickleibigen Bildbänden über die Osterinsel nicht zu sehen bekommt? Warum hat der angeschlagene, wieder aufgerichtete Moai vom „Ahu Huri a Urenga“ (Größe: Fast 3,50 Meter) gleich vier Hände mit Krallenfingern wie Freddy Krueger aus der Horror-Film-Reihe „Nightmare on Elmstreet“?
Foto 13: „Puoko Tea Tea“

Wen oder was stellt – pardon – der „Kartoffelkopf“ (von mir so „getauft“) dar, der im „Orongo-Heiligtum“ verewigt wurde? Man möchte ihm nachts ebenso wenig begegnen wie seinem Kollegen „Puoko Tea Tea“, der vor Jahrhunderten als Miniatur aus Trachyt-Gestein geschaffen wurde.

Die Osterinsel ist und bleibt rätselhaft, ein winziges Fleckchen Erde, irgendwie verloren in Zeit und Raum…

Ich habe im Laufe der Jahre eine erfreuliche Entwicklung auf der Osterinsel feststellen dürfen. Junge Osterinsulanerinnen und Osterinsulaner interessieren sich wieder für ihre Heimat. Kinder lernen in der Schule wieder die langsam in Vergessenheit geratende Sprache des Eilands. Sie lassen sich von den Älteren und Alten die Tänze zeigen, die schon seit Urzeiten auf dem Eiland bekannt waren. Junge Künstler studieren wieder die seltsamen Steingravuren von Fabelwesen, Vogelmenschen, Obergott Make Make und fertigen neue Kunstwerke an, Halbreliefs und Statuetten. Und die alten Kunstwerke, die gigantischen Steinriesen, aber auch Halbreliefs und Ritzzeichnungen, werden, leider ist das erforderlich, bewacht. Es ist bedauerlicherweise immer wieder vorgekommen, dass uralte Überlieferungen in Stein beschädigt wurden.

Manche Menschen müssen sich anscheinend überall »verewigen«. Ein Tourist wurde erwischt, der einem der Osterinselkolosse die Nase abgeschlagen hatte. Er wollte sie als Souvenir mit nachhause mitnehmen. Dein anderer Tourist hatte es auf ein Ohr einer der Statuen abgesehen. Es gelang ihm, das imposante Ohr abzuschlagen, beim Aufprall auf dem Boden zerbrach es in mehrere Teile. Ein Stück wurde im Gepäck des Touristen gefunden. Der Bürgermeister der Inselgemeinde, Pedro Edmunds, ließ verlautbaren (1), der Finne sollte frei gelassen werden und müsse keine Haftstrafe antreten. Die Beschädigung der Statue, so der Bürgermeister, sei nur möglich gewesen, weil die chilenische Regierung zu wenig für den Schutz des Weltkulturerbes tue.

Übrigens: Bevor Erich von Däniken anno 1968 über die Osterinsel berichtete, interessierte sich niemand für das mysteriöse Eiland. Erich von Däniken war es, der mit »Erinnerungen an die Zukunft« weltweit die geheimnisvollen Statuen zum Diskussionsthema machte. Auch wenn alle Jahre wieder verkündet wird, dieses oder jenes Geheimnis der Osterinsel sei gelöst worden, so wurden bislang nur, zum Teil kuriose, Spekulationen vorgetragen. Auch in Sachen Osterinsel konnte Erich von Däniken bis heute nicht widerlegt werden.

Meine Trauminsel ist und bleibt die Osterinsel!. ¡'Iorana!

Fußnote
(1) Der Vorfall ereignete sich meiner Erinnerung nach im Jahr 2010.

Danksagung

Ein herzliches Dankeschön 
geht an Grete C. Soecker 
für die großartigen Zeichnungen, 
die sie für diesen Beitrag angefertigt hat. 
Ihre Illustrationen bereichern meinen Beitrag, 
veranschaulichen den Text, wo keine Fotos vorliegen. 
DANKE!

Fotos 14-16: Einige der rätselhaften Statuen der Osterinsel

Zu den Fotos:
Foto 1: Heyerdahls Experiment misslang. Foto/ Archiv W-J.Langbein
Foto 2: Osterinselriesen als Briefmarkenmotiv. Archiv W-J.Langbein
Foto 3: Der Kniende. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Der Kniende. Zeichnung Grete C. Söcker
Foto 5: Der Kniende. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Mein Bungalow. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 7 und 8: „Der Eulenmann“ oder „Die Eule“. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 9: „Die Kreatur“. Zeichnung Grete C. Söcker
Foto 10 und 11: Der „Krallenmann“. Zeichnungen Grete C. Söcker
Foto 12: „Kartoffelkopf“. Zeichnung Grete C. Söcker
Foto 13: „Puoko Tea Tea“. Zeichnung Grete C. Söcker
Fotos 14-16: Einige der rätselhaften Statuen der Osterinsel. Fotos Walter-Jörg Langbein

432 „Das Leuchten in der Gruft“,
Teil  432 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 29.04.2018


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