Freitag, 4. Februar 2011

Freitagskolumne: Financial Times fordert die Enteignung Googles

Ursula Prem
Schon unglaublich, was man alles im Netz findet, wenn man sich auf Streifzug begibt. Sinnigerweise auf Google News fand ich heute einen Artikel der Financial Times Deutschland mit der Forderung nach einer Enteignung Googles. Diese Idee wird vom Verfasser des Artikels, Peter Ehrlich, hauptsächlich damit begründet, dass er die Verknüpfung der Suchergebnisse mit wirtschaftlicher Nutzung problematisch sehe. Künftige Eigentümer Googles sollten seiner Meinung nach die Nutzer selbst sein, die sich in einem Verein organisieren könnten. Ein nutzerfreundliches Google, so der Verfasser, würde bezahlte Werbung nur anzeigen, wenn der Nutzer dies ausdrücklich wünsche.

Lassen wir mal beiseite, dass Enteignungen grundsätzlich ein merkwürdig-ideologisches »G’schmäckle« haben, besonders wenn es darum geht, genialen Erfindern ihr ureigenes »Baby« einfach aus der Hand zu nehmen. Immerhin gesteht Ehrlich den Google-Gründern großmütig zu, Sparten wie YouTube, Android oder die Entwicklung des fahrerlosen Autos behalten zu dürfen.

Gefunden auf Google News, 3. Februar 2011
 









Ich nehme an, Peter Ehrlich stammt aus dem Land der Internetausdrucker, auch wenn er aktuell das Financial Times Deutschland-Büro in Brüssel leitet. Das ist nicht despektierlich gemeint, eher ein von mir unterstellter Fakt. Denn fast nur Deutschland kennt diese derart bizarre Unterscheidung zwischen »wertvoll« und »kommerziell«. »Beruflich« und »privat«. Deutschland geht ja sogar so weit, dass ein Radiohörer während der Ausübung seines Berufs ein anderer Mensch ist, als würde er in seinem privaten Umfeld dem Dauergedudel lauschen. Deshalb müssen Firmen gesondert an die GEZ zahlen, auch wenn sämtliche Mitarbeiter und Kunden dies ohnehin bereits tun. Aber das nur am Rande. Kurz gesagt: Jegliche Gewinnerzielungsabsicht (oder auch nur die Notwendigkeit zur Finanzierung eines Unternehmens) steht in Deutschland unter dem Generalverdacht der Unanständigkeit.

Merkwürdig ist, dass mir bekennender Netzhyäne Googles angebliche Werbelastigkeit noch nie unangenehm aufgefallen ist. Ein paar Kleinanzeigen, deutlich als Werbung gekennzeichnet, finden sich über den Suchergebnissen. Und auch nicht mal immer. Websitebetreiber nutzen das System gerne, um wenigstens einen kleinen Teil ihrer Bemühungen zu refinanzieren. Alles in allem konstatiere ich, dass Werbung bei Google wesentlich unaufdringlicher ist als in sämtlichen mir bekannten Zeitungen und Zeitschriften. Die meisten von ihnen kaufe ich genau deshalb schon lange nicht mehr: Die eigentlichen Informationen lassen sich darin kaum finden, zwischen all den Anzeigen. Das ist bei Google anders.

Ich konnte nicht widerstehen, Ehrlichs Idee im Kopf durchzuspielen. Was würde geschehen, würde Google enteignet und in die Verantwortung der Nutzer gelegt? – Das technische Bett ist bereitet, dank dem Erfindungsreichtum der Gründer. Legen wir uns also mal versuchsweise kollektiv hinein und beobachten wir, was geschieht.

Googlechecker007 hat das Wort
Zuerst wird besagter Verein gegründet und ein mehrköpfiger Vorstand gewählt. Das Rennen machen hierbei nicht die besten Techniker, sondern wie immer die, die am lautesten schreien. Das Google-Kleinanzeigensystem AdWords wird demonstrativ abgeschaltet, denn, nicht wahr: Die Finanzierung des Unternehmens ist ja nun nicht mehr nötig. Vielleicht könnte man ein paar der bisherigen Google-Mitarbeiter, die bereits in Rente sind, für die ehrenamtliche Wahrnehmung ihrer bisherigen Aufgaben gewinnen, aber das muss noch ausdiskutiert und abgestimmt werden. Im neuen Forum des Google-Vereins, in dem jeder der zwei Milliarden Mitglieder gleichberechtigt eine Stimme hat. Leider ist das Forum ein wenig trolldurchsetzt, sodass es zu keinem wirklichen Ergebnis kommt. Während Googlechecker007 das Wort führt und verkündet, ihm sei sowieso alles egal, da er für den Notfall noch Uropas altes Lexikon im Schrank habe, kommt es bereits zu ersten Serverausfällen bei Google, da man im Eifer des Gefechtes die Stromrechnung nicht bezahlt hat. Ein Spendenaufruf wird gestartet, der aber wenig einbringt. So kommt man überein, für die Mitgliedschaft im Google-Verein einen Monatsbeitrag zu erheben. Was vorher kostenlos für die Nutzer war, wird nun also gebührenpflichtig, aber egal: Wir haben den Kommerzialisten ein Schnippchen geschlagen!, verkündet Googlechecker007 hämisch im Forum, während er auf einer anderen Registerkarte seines Browsers schnell überprüft, ob die staatlichen Sozialleistungen für diesen Monat schon eingegangen sind.

Ein Jahr vergeht. Auch zwei. Die Stromrechnung ist bezahlt, alles läuft irgendwie dahin, nur Innovationen lassen auf sich warten, da die Googlegründer mit dem Bearbeiten der ihnen verbliebenen Baustellen beschäftigt sind. Das Unternehmen läuft auf Sparflamme und zeigt deutliche Anzeichen der Überalterung.

Eine echte Chance für andere Suchmaschinen, oder? Die private Konkurrenz wirft sich mächtig ins Zeug, jede der neuen Schwächen Googles gnadenlos ausnutzend. Die Nutzer, die zwar noch aus alter Anhänglichkeit ihre monatlichen fünf Euronen an den Google-Verein abdrücken, kommen nicht umhin, sich mal bei den Neuen umzutun. »Nur aus Gründen des Beobachtens«, lässt Googlechecker007 seine Mitforisten wissen. In letzter Zeit meldet er sich immer seltener, da er das neue Anzeigensystem des Google-Konkurrenten in sein Blog integrieren muss. Das dauert. Ist halt noch nicht so technisch perfekt wie damals, beim alten Google …


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2 Kommentare:

  1. Ursula Prem bringt ihre Kommentare zu tagespolitischen Nachrichten von brisanter Bedeutung wieder einmal höchst pointiert und zutreffend auf den berühmten Punkt. Was sich Kommentatoren in den Printmedien offenbar nicht auszusprechen wagen... bringt Ursula Prem in ihrer höchst wichtigen Kolumne im Internet erfreulich klar zur Sprache! BITTE MEHR!

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  2. Lieber Walter, vielen Dank für Deinen netten Kommentar. Lassen wir noch einmal Googlechecker 007 zu Wort kommen: "Leute, die jeden Freitag in ganzen Kolumnen ihren unqualifizierten Senf dazugeben, werden es im neuen Google seeerh schweeeer haben, nach oben zu kommen ..." :-)))

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