Freitag, 25. Februar 2011

Freitagskolumne – Karl-Theodor zu Guttenberg

Ursula Prem
Heute möchte ich, aus aktuellem Anlass, gleich mit einer Fußnote beginnen. Kann ja nicht schaden, in diesen Tagen. Also, Isaac Newton wird das Zitat zugeschrieben: »Was wir wissen, ist ein Tropfen - was wir nicht wissen, ein Ozean«. Dieser durch einen der größten Geister abgegebenen Kapitulationserklärung menschlicher Weisheit wird wohl jeder zustimmen, der einmal versucht hat, sich die Unendlichkeit des Universums praktisch vorzustellen. Oder eine deutsche Steuererklärung anzufertigen.

Geben Sie Newton auch Recht? Und wenn ja: Kräbbelt Sie das ein wenig? Ärgert es Sie genauso wie mich, dass unser Gehirn, scheinbar ein Kosmos, doch sehr schnell an seine Grenzen stößt? Als Deutsche tragen wir das Faustische in uns. Das unbedingte Wissenwollen. Das Sich-Erhebenwollen über alle anderen Menschen auf der Welt. Ja, wir wollen wissen, wie viele Lichtjahre entfernt das nächste Schwarze Loch auf uns lauert. Oder ob die Kakerlake in unserem Hotelzimmer eine Reisepreisminderung rechtfertigt. Und da die Welt sehr unüberschaubar ist, wollen wir das wenige Wissen, das wirklich als gesichert gelten kann, mindestens konservieren. Am liebsten noch das gesamte Internet ausdrucken und einbunkern, denn wer weiß, ob es morgen noch da ist. Der Natur an sich ist nun mal nicht zu trauen. Also müssen wir jeden Fetzen Wissen, der uns hilft, ihr ein Schnippchen zu schlagen, doppelt und dreifach abspeichern. Wer weiß, wann man es nochmal braucht.

Als Hauptspeicherorte dienen nicht etwa nur Wikipedia, oder die Deutsche Nationalbibliothek. Nein: menschliche Gehirne müssen mit jedem unnützen Wissen vollgestopft werden, das die kranke Menschheit je ersonnen hat. Und wer das erfolgreiche Stopfen nachweist, erhält als Belohnung einen Titel. »Doktor« nennt er sich fürderhin und ist dazu auserkoren, seine Mitmenschen in eine trügerische Sicherheit zu wiegen: »Wenn ich schon null Ahnung habe, der Herr Doktor wird es wissen«, sagt man sich und legt sich beruhigt schlafen.

Da ist es ein böses Erwachen, wenn sich plötzlich herausstellt, dass ein Herr Doktor abgeschrieben hat. Dass sein Gehirn dem Normalsterblicher doch ähnlicher ist, als wir es uns erträumen ließen. Wer schützt uns noch vor den Unwägbarkeiten des Kosmos, wenn selbst ein Doktortitel bloße Makulatur ist? Sind wir nun schutzlos den Naturgewalten ausgeliefert?

Also ich denk mal: Diesbezüglich könnten sich alle wieder beruhigen. Wenn wir ehrlich sind, war uns doch allen längst klar, dass das Doktorengeschlunse* grundsätzlich ein Trick ist, der dazu führen soll, Menschen ohne Titel mundtot zu kriegen. Eine Art akademischer Adel, der sich seiner Untergebenen sicher weiß, hervorragend dazu geeignet, heute nicht mehr ganz so wirkungsvolle Adelstitel neu mit Bedeutung zu unterfüttern.

Meine Meinung dazu: Weg damit! Vergessen wir Doktortitel überhaupt! Messen wir Menschen lieber an ihren Taten, weniger an ihrem Fleiß im Wiederkäuen fremden Gedankenguts. Oder interessiert Sie ein Doktortitel, wenn ein gestandener Notarzt Ihnen nach einem Unfall das Leben rettet? – Eben.

Karl-Theodor zu Guttenberg sollte sich durch herausragende Taten auszeichnen und damit sämtliche grinsenden Trittins dieser Welt an ihren Platz verweisen. Frage: Irgend jemand hier, der noch nach zu Guttenbergs Doktortitel fragt, wenn dieser sich zu der einsamen Entscheidung durchringen würde, endlich in einer Nacht-und-Nebelaktion und auf eigene Faust unsere Soldaten aus Afghanistan heimzuholen …?


* #Geschlunse: Wortkreation von Sylvia B., Synonym für »unnützes Zeug«


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3 Kommentare:

  1. Alle Achtung. Ich habe zwar von wegen dem Doktortitel von Herrn Guttenberg hier in Australien nur headlines mitbekommen, und finde es auch nicht notwendig dass ich nun stundenland recherchiere, es ist ja auch fuer diesen kleinen Kommentar nicht noetig; ich moechte nur Frau Prem gratulieren zur deutlichen Aussage wozu Doktorengeschlumsel gut ist! Man zieht generell heutzutage der ganzen Menschheit das Fell ueber die Ohren mit Doktorengeschlumsel. Mal Zeit dass es jemand sagt.
    Gruss von Australien
    Marlies Bugmann

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  2. Liebe Ursula.

    Meinen Dank für diese treffliche Kolumne.

    An dieser Stelle möchte ich eine kleine Episode einbringen:
    Vor Lichtjahren habe ich in der großen Pause erfahren, dass die Geometriehausaufgaben zensiert wurden, die ich, aus welchem Grund auch immer, nicht angefertigt hatte. Der Primus der Parallelklasse war ein feiner Kumpel und stellte mir sein Arbeitsblatt zur Verfügung. So radierte ich seinen Namen aus, fügte meinen ein und legte das Blatt zur Bewertung vor. Der Schwindel flog nicht auf, ich bekam eine 3. In der nächsten Pause gab ich das Blatt mit Dank zurück und wurde nach der Note gefragt. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht erklärte mir der Primus, dass er für das Blatt eine 2 erhalten habe.

    So hatte ich bereits in jungen Jahren das Schlüsselerlebnis, dass bei mir genauer hingesehen wurde. Kinder, die aus Unter- oder Mittelschichtfamilien stammen und die ehrgeizige berufliche Pläne haben, werden halt sorgfältiger betrachtet. Das bringt aber auch den Vorteil, dass ich mir sagen kann, dass ich mir meinen Weg selbst freigeräumt habe.

    Die Arbeit von KTzG wird auch geprüft worden sein. Und ich denke, da sollte durch dieses Ereignis ein Umdenkungsprozess einsetzen. Die besondere Verantwortung eines jeden, der prüft sollte frei von Dünkeldenken sein, denn letztendlich hat dieses Dünkeldenken KTzG bisher den Weg geebnet. Sicher ist auf jeden Fall, jetzt wird bei ihm ganz genau hingesehen.

    Deinen letzten Gedanken, Ursula möchte ich auch gerne aufgreifen. Verteidigungsminister ist KTzG nie gewesen, er war von Anfang an Kriegsminister. Zu dieser Erkenntnis müsste er kommen. Keine Frau setzt Kinder in die Welt, damit sie in Afghanistan geschlachtet werden.

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  3. Liebe Ursula,

    vielen Dank für diesen vortrefflichen Beitrag.
    Es ist nun mal so, dass die meisten Menschen gerne allwissend wären. Dazu stopfen sie allmögliches Infomaterial in sich hinein, studieren, lernen immer weiter, machen ihren Doktor und wollen die oberste Sprosse der Leiter erklimmen. Doch um ein „mehr“ an Wissen zu erlangen, sind viele Jahre notwenig. Und manchmal bleibt einem nur eine Wahl „man schreibt ab“ um weiterzukommen.

    Haben wir das nicht alle schon einmal getan? Wenn auch in einem kleineren Rahmen. Auch ich habe mir bei einer Mathearbeit eine Eins erschwindelt, in dem ich eine Aufgabe abgeschrieben habe. Aber das ist letztendlich für einen Schüler verzeihbar.
    Bei unserem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sieht die Sache schon etwas anders aus oder etwa doch nicht? Die Abschreibliste ist zu lang und die Fußnoten leider zu kurz.
    Nun hat er seine Doktorarbeit aberkannt bekommen, und damit sollte es genug sein. Viel wichtiger ist es, sich den Problemen zu widmen, für die er zuständig ist. Was braucht er einen Doktortitel, wenn er gute Arbeit leistet? Das soll kein Freibrief sein, aber auch kein Grund, nicht wieder in den Alltag zurückzukehren.

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+++ Aus aktuellem Anlass +++
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