Freitag, 18. Februar 2011

Freitagskolumne: Gedanken zur Umfrage »Zukunft durch Bildung«

Ursula Prem
Kürzlich ist eine neue Umfrage an den Start gebracht worden: »Die große Bildungsumfrage – Zukunft durch Bildung: Deutschland will’s wissen!« Initiiert wurde sie von Roland Berger Strategy Consultants, der BILD-Zeitung, der türkischen Tageszeitung Hürriyet sowie der Bertelsmann-Stiftung. Eine gute Initiative, wenn sie dazu führt, eine flächendeckende Diskussion in Gang zu setzen. In die Tiefe zu graben, zu den Wurzeln des Problems, dazu dürfte sie allerdings weniger geeignet sein, da die vorgegebenen Antworten doch ziemlich standardisiert daherkommen und außer zweier Textfelder ganz am Ende der Befragung keinen Raum für abweichende Gedanken lassen.

Nach einigen allgemeinen Fragen zur Person forscht die Umfrage zunächst nach der persönlichen Einstellung zum Thema Bildung. So fragt sie beispielsweise, warum man Bildung für wichtig halte und bietet fünf Antwortmöglichkeiten zur Auswahl an: a) Damit man beruflich erfolgreich ist, b) Damit es einem besser geht als den Eltern, c) Damit man sozial akzeptiert wird, d) Damit man möglichst gut verdient und e) Damit man persönlich zufrieden ist. Wem dies alles zu einseitig ist, hat noch die Möglichkeit, die Option e) Anderer Grund anzuklicken, ohne dies jedoch näher ausführen zu können.

Aufgefallen sind mir persönlich allerdings ein paar gefährlichere Fragen, deren Ergebnisse Politiker dazu nutzen könnten, wieder einmal die Steuern zu erhöhen oder Wahlfreiheiten weiter einzuschränken, und das dann auch noch unter Berufung auf das Umfrageergebnis. Wo ist da Platz für die Erkenntnis, dass gute Bildung nicht nur vom Geld abhängt, sondern eher von der unverdorbenen Neugier der Schüler und dem Geist der sie vermittelnden Lehrer?

Eine spätere Frage beschäftigt sich mit dem Problem, ab wann Kinder von der Grundschule auf verschiedene weiterführende Schulformen abzweigen sollten. Diese Frage impliziert, dass das System des jahrgangsbezogenen, festgezimmerten Klassenverbundsystems in Stein gemeißelt ist. Leider wird die Option eines kursbezogenen Unterrichts, in dem je nach Leistungsstand des Schülers Fächer schneller oder langsamer erledigt werden können, nicht einmal in Erwägung gezogen.

Kleines Einmaleins
mühelos lernen
Den Vogel ab schießt die Frage, wer darüber entscheiden sollte, ob ein Kind auf das Gymnasium oder auf eine andere Schule gehen soll. Zur Auswahl stehen a) Eltern, b) Lehrer, c) Eltern und Lehrer gemeinsam bzw. d) Der Notendurchschnitt. Leider wurde unter all diesen Optionen die wichtigste Person vergessen: das von der Entscheidung betroffene Kind. Natürlich können Kinder sich noch nicht wirklich vorstellen, was sie in den unterschiedlichen Schulformen erwartet. Es ihnen aber genau zu erklären, sie eventuell in die eine oder andere Schule hineinschnuppern und dann mit entscheiden zu lassen, scheint nach wie vor nicht vorgesehen zu sein.

Für mich leichter zu beantworten war da schon die Frage: »Auf welche Schule würden Sie Ihr Kind am liebsten schicken?« Meine Lieblingsantwort: Auf eine Schule, in der es als Person wahrgenommen wird, nicht nur als auf Linie zu trimmender Leistungsträger!, die war leider nicht vorgesehen. Zur Auswahl standen aber: a) Auf eine Halbtagsschule, b) Auf eine Ganztagsschule, in der ein freiwilliges Nachmittags-Programm angeboten wird oder c) Auf eine Ganztagsschule, in der sich für alle verbindlich den ganzen Tag über Unterricht, Ruhe- und Freizeitphasen abwechseln. Für mich persönlich ganz klar: Antwort a). Da ich dem in die Tiefe gehenden Reformwillen unseres Bildungssystems zutiefst misstraue, halte ich die Halbtagsschule für vollkommen ausreichend. Der Nachmittag dient dann dem regelmäßigen Frustabbau in den heimischen vier Wänden.

Mein Fazit: Diese Umfrage hat ihre Lücken, was angesichts der Schwierigkeit, Millionen verschiedener Auffassungen zu einem halbwegs tragfähigen Konsens zu bringen, auch kein Wunder ist. Mitzumachen lohnt sich trotzdem, um die Diskussion endlich mal richtig in Gang zu bringen. Zum anderen spiegelt das leichte Gefühl von Zwang, das manche Menschen vielleicht bei der Wahl zwischen den vorgegebenen Antworten verspüren werden, sehr gut wider, woran das Schulsystem eigentlich krankt: Nämlich daran, dass wir inzwischen der Multiple-Choice-Persönlichkeit den gesellschaftlichen Vorzug vor kreativen Querdenkern geben.

Ihre

Ursula Prem

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P.S.: Hatten Sie bei der Bearbeitung der Umfrage auch an manchen Stellen ein gewisses Unbehagen? Oder sehen Sie im Gegenteil die Problematik umfassend widergespiegelt? Dann hinterlassen Sie hier Ihren Kommentar! Ich freue mich auf eine anregende Diskussion ...

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