Freitag, 3. August 2012

Beschneidungsdebatte – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
»Wir taten es, weil wir unsere Töchter lieben. Es war unsere Tradition, wir haben nichts Schlechtes darin gesehen.« 
(Zitat von Ourèye Sall, afrikanische Ex-Beschneiderin, die inzwischen eine Frauengruppe zum Kampf gegen die Beschneidung leitet.) 



»Der Vorwurf, wir würden unseren Kindern bewusst Schaden zufügen, ist besonders verletzend.« 
(Zitat von Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.)

»Der unretardierte Wirkstoff reicht ja nicht über die gesamte Schuldauer, sondern endet nach der 4. Stunde. Die Lehrer aus den Stunden 5 bis 6 waren von der Variante wenig begeistert. Deshalb haben wir z.Z. auf Ritalin LA umgestellt.« 
(Zitat aus einem deutschen ADS-Forum)

»Ich finde jeder sollte selbst entscheiden wann er seinen Kinder(n) Ohrringe stechen lassen will.« 
(Zitat aus einer Internet-Diskussion zum Thema Ohrlöcher stechen bei Babys)

Seit einem Urteil des Landgerichts Köln, das religiöse Beschneidung von Jungen als grundsätzlich strafbare Körperverletzung einstufte, tobt die Beschneidungsdebatte mit großer Heftigkeit. Muslime und Juden sehen sich mangelndem Verständnis für ihre religiösen Gepflogenheiten ausgesetzt und bestehen darauf, dass ihr Recht auf Religionsfreiheit sich grundsätzlich auch auf die Vorhäute ihrer Söhne erstrecke. Während die meisten Politiker eine rasche gesetzliche Regelung zugunsten der Religionen in Aussicht stellen, mahnen besonnenere Stimmen zur Zurückhaltung, da die notwendige Rechtsgüterabwägung zwischen dem Anspruch auf körperliche Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern nicht eben einfach sei.


Die Perversionen der Mehrheitsgesellschaft


Jede Religion, Kultur oder Gesellschaft kennt ihre eigenen Methoden der Kindesmisshandlung, die mit Zähnen und Klauen verteidigt werden. Wenn wir religiös motivierte Körperverletzung auf Dauer glaubwürdig beenden wollen, müssen wir gleichzeitig die Perversionen der Mehrheitsgesellschaft aufs Korn nehmen, die sich ebenfalls bizarr lesen. Erkennbar sind sie daran, dass ihre Anhänger empört aufschreien, wenn jemand sie auf die Tatsache hinweist, dass sie eine Körperverletzung begehen. Machen Sie den Test: Melden Sie sich spaßeshalber in einem ADS/ADHS-Forum an und versuchen Sie, gegen das Abfüllen von Kindern mit schweren Drogen wie Methylphenidat zu votieren, denn diese selbst können sich nur schwer durchsetzen. Oder klinken Sie sich ein in eine Diskussion über die Frage, ob man weiblichen Babys schon mit zwei Monaten Ohrlöcher stechen lassen könne, oder vorsichtshalber warten solle, bis die Kleinen ein Jahr alt sind. Atmen Sie aber in jedem Fall tief durch und machen Sie sich auf saftige Beleidigungen und ein aggressives Klima gefasst, auch dann, wenn Sie selbst sachlich argumentieren.

Wenn wir Kinderschutz wollen, dann bitte das ganze Programm: Keine Zwangsdrogen für Grundschüler. Keine Ohrlöcher für Babys. Keine abgesäbelten Vorhäute oder zusammengenähten Schamlippen. Obwohl unser Grundgesetz den Schutz vor solchen Auswüchsen auch in seiner heutigen Form schon hergeben würde, wenn man den Mut hätte, es konsequent anzuwenden, werden wir ein neues Gesetz brauchen. Ein Gesetz, das Kinder ausdrücklich als Menschen definiert und sie solch unbewusster oder traditioneller Übergriffigkeit der Eltern entzieht. Das ein für allemale klarstellt, dass Religion, Lifestyle oder pure Dummheit hinter dem Recht auf körperliche Unversehrtheit zurückzustehen haben. Ein Gesetz, das nicht mit dem Finger auf einzelne Gruppierungen zeigt, sondern deutlich macht, dass wir noch viele Baustellen haben, wenn es um die Menschenrechte von Kindern geht.



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