Freitag, 10. August 2012

Sippenhaft – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Schuldig oder nicht, das zählt nicht, wenn Gutmenschen das Ruder ergreifen. Das musste die deutsche Olympionikin Nadja Drygalla schmerzhaft erfahren, als ihr eben dieses abgenommen wurde. Statt mit dem deutschen Damen-Achter um Medaillen zu kämpfen, verließ sie das olympische Dorf mit einer beschädigten Reputation. Grund war die politische Gesinnung ihres Freundes Michael Fischer, der sich in der rechten Szene Rostocks bewegt hatte und bis vergangenen Mai Mitglied der NPD gewesen war.

Nadja Drygalla selbst war nach heutigem Informationsstand nie durch rassistische Äußerungen, die Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen oder gar Straftaten in Erscheinung getreten. Ob sie der rechtsextremen Haltung ihres Freundes wohlwollend, gleichgültig oder ablehnend gegenüberstand, ist unbekannt. Dennoch reichte die Sachlage, um Drygalla mit Schimpf und Schande aus dem olympischen Dorf zu jagen, wenngleich sich die offizielle Variante natürlich anders liest, wonach Drygalla ihren Rückzug »freiwillig« angetreten habe. – Klar, wer würde hinterher noch etwas anderes behaupten? Schließlich zieht jedes Mobbingopfer irgendwann »freiwillig« von dannen. Das Foto einer blonden Frau auf einer Nazi-Demo, welches angeblich Drygalla zeigen sollte, entpuppte sich schnell als Ente, da es eine andere Person zeigt. Welche konkreten Vorwürfe gegen Drygalla haben eigentlich Substanz?

Der Fall zeigt eine bedenkliche Entwicklung. Ob es uns gefällt oder nicht: Die NPD ist nach wie vor keine verbotene Partei und kandidiert demzufolge ganz offiziell bei demokratischen Wahlen. Kann heutzutage die Mitgliedschaft eines Freundes in einer legalen Partei schon genügen, um im Leben kein Bein mehr auf den Boden zu bekommen? Werden wir jetzt alle unsere Freundeskreise analysieren und diejenigen aussortieren müssen, die uns irgendwann mal schaden könnten? – Vorsichtshalber ja! Und wir sollten bei unseren Entscheidungen bedenken, dass sich Hexenjagd und Sippenhaft nicht ideologisch beschränken lassen, da sie ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen. Also sollten wir vorsichtshalber alle aus dem Freundeskreis kicken, die jemals in irgendeiner kleinen Partei oder einer Sekte Mitglied waren oder sich an Demonstrationen beteiligt haben.


Und wenn es umgekehrt gewesen wäre?


Was wäre passiert, wenn es sich um einen unbescholtenen männlichen Ruderer gehandelt hätte, dessen Freundin in rechten Kreisen unterwegs ist? – Ganz klar: überhaupt nichts! Man hätte ihm zugetraut, genügend Hirn zu besitzen, um die Spinnereien seiner Freundin zu durchschauen und seinen eigenen Weg zu gehen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ihn als »Nazi-Bräutigam« zu titulieren oder gar von der Olympiade wegzubeißen. Doch Nadja Drygalla ist das perfekte Opfer: weiblich, von eher zarter Statur und noch dazu aus Ostdeutschland (»sind die dort nicht sowieso alle …?«). Und da sie blond ist, kann man ihr auch kaum zutrauen, zu einer eigenen, von ihrem Freund unabhängigen Meinung fähig zu sein. Gut, dass ein Exempel an ihr statuiert wurde!


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