Freitag, 19. Oktober 2012

Pressefreiheit oder Zersetzung? – Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
»Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender, sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben; systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen; […] Erzeugung von Zweifeln an der persönlichen Perspektive [...]«

Sie meinen, das obige Zitat könnte einer Arbeitsanweisung für Boulevardjournalisten entnommen sein? – Könnte tatsächlich sein: Betrachtet man die Art und Weise, wie die Medien mit Wettermoderator Jörg Kachelmann und seiner Ehefrau Miriam bis heute umgehen, so scheint die Journaille sich schließlich 1:1 an die oben zitierten Vorgaben zu halten. Journalisten bedienen sich zu ihrer Umsetzung gerne infamer Mittel wie verkürzter Zitate, gezielter Auslassungen oder reiner Lügen. Was nicht in das zu vermittelnde Bild des Diskreditierten passt, wird generös übersehen. Wie das Spiel genau funktioniert, ist an folgendem Beispiel zu erkennen:


Miriam Kachelmann: »Die Mehrheit der Vergewaltigungen wird nicht angezeigt«

Am 15.10.2012 erschien auf Emma Online der Artikel »Kranke Opferindustrie« meldet sich zu Wort. Dort heißt es unter anderem:

»„Im Bereich Missbrauch und Vergewaltigung sind Falschbeschuldigungen heute ein Massenphänomen“, hatte Kachelmann getönt. Und seine Frau Miriam sekundierte: „Es gibt eine Opferindustrie, die in dieser kranken Form endlich wegmuss.“ Jetzt meldet sich die „Opferindustrie“ mit den Fakten zu Wort: „Nicht die Falschbeschuldigungen sind in Deutschland das Problem, sondern die Zahl der Vergewaltigungsfälle, die nicht angezeigt werden.«

Die Opferindustrie scheint nicht allzu viel Zeit mit dem Lesen von Kachelmanns Buch vergeudet zu haben, denn dort heißt es auf E-Book-Position 4071:

»Es ist eine furchtbare Schere: Die Mehrheit der Vergewaltigungen wird nicht angezeigt  – die Mehrheit der Anzeigen sind Falschbeschuldigungen.«

Dass beide Aussagen sogar kräftige Überschneidungen aufweisen, wird von EMMA einfach unter den Tisch gekehrt und mit der Behauptung garniert:

»Kachelmann ist die sprechende Handpuppe des strategischen Arms der Maskulisten.«

Starker Tobak, der mit wirklich brauchbaren Beweisen unterfüttert werden müsste. Aber statt Größe zu zeigen und einfach mal zuzugeben, sich in diesem Fall vergaloppiert zu haben, wird mit an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen nachgelegt.


Hundert oder Fünf?

Ähnlich unseriös sind die Behauptungen von Hans-Hermann Tiedje in der Sendung von Günther Jauch (Minute 33):

»Sie erzählen hier von Hunderten von Einstweiligen Verfügungen, und was Sie da erzählt haben, wissen Sie, was das sind? Fünf!«


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Interessant in diesem Zusammenhang ist der Anhang von »Recht und Gerechtigkeit«, wo die immerhin 91 wichtigsten Einstweiligen Verfügungen sauber aufgelistet sind, die Kachelmanns Rechtsanwalt Höcker für seinen Mandanten alleine bis August 2012 erfolgreich erwirkt hatte. Durch die Liste geht nicht nur Tiedjes Schuss nach hinten los, mit dem er Kachelmann als Lügner darstellen wollte: Gleichzeitig muss man als Zuschauer an Tiedjes Aussage zweifeln, wonach dieser behauptet hatte, das Buch tatsächlich gelesen zu haben. 

Von solchen kleinen und großen Verdrehungen der Tatsachen war der Fall Claudia D. von Anfang an durchsetzt. In ihrer Gesamtheit geben sie ein erbärmliches Bild davon ab, zu welchen Zwecken die Presse- und Meinungsfreiheit heute missbraucht wird. »Das letzte Wort haben immer die Mobber«, resümiert denn auch Blogger Tigerauge folgerichtig auf »Olle Piepen«.


Die hochnäsige Übermutter 

Wer noch immer auf dem schmalen Brett steht, Kachelmann habe das alles verdient, der studiere jetzt die Vorgehensweise der Medien gegenüber Miriam Kachelmann. Frau Kachelmann stand nicht vor Gericht. Nach heutigem Kenntnisstand ist sie eine unbescholtene Bürgerin, die den Mut hat, offensiv Stellung gegen die Hetze zu beziehen. Doch lange wird sie nicht mehr unbescholten bleiben, dafür beginnt die Presse bereits zu sorgen:

»Wie eine Mutter ihr kleines Kind verteidigt, springt sie für ihren Mann in die Bresche«, berichtet der Kölner Stadtanzeiger am 16.10. unter dem aussagekräftigen Titel »Beschützend wie eine Übermutter«. Noch deutlicher wird die BILD, die mit ihrer Überschrift »Der hochnäsige Auftritt der Frau Kachelmann« mal wieder explizit vorführt, was echte Frauenfeindlichkeit im Jahre 2012 in Wirklichkeit bedeutet. Wer derartig jung ist, hat sich eben nicht so aufzuführen. Und schon gar nicht als Frau!

Jörg Kachelmann hat das Pech gehabt, dank akribischer Zersetzungsarbeit der Medien zu einem Spiegel zu werden, in dem nun die ganze Nation ihre eigene hässliche Fresse sieht. Aber ist es wirklich die Schuld des Spiegels, wenn uns ein Monster aus ihm entgegengrinst?

Ach so, zum Eingangszitat dieses Beitrags gibt es natürlich noch eine Quellenangabe: Es handelt sich um die Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge vom Januar 1976 des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, betreffend die Zersetzung von Einzelpersonen.  

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1 Kommentar:

  1. ich kann gut lesen, mir eine eigene Meinung bilden. Ich kann auch selbst in Verhandlungen gehen, um mir ein eigenes Bild zu machen. Das tat ich, auch bei dem Kachelmann-prozeß. Was ich dort miterlebte, hat mich absolut gegen die partei Kachelmann - Schwenn eingenommen.
    Waren Sie auch dort?

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