Ursula Prem |
Nun ist es heraus: Deutschland hat im Ranking der Länder mit der ältesten Bevölkerung die Silbermedaille errungen. Nur in Japan werden im Durchschnitt noch weniger Kinder geboren als bei uns. Dies ist das Ergebnis von Erhebungen des statistischen Bundesamtes, nachzulesen im statistischen Jahrbuch 2012. Unsere Strategie, die menschliche Fortpflanzung mit vielfachen Tabus zu belegen und kinderreiche Familien mit dem Asozialenstempel zu brandmarken, ist grandios aufgegangen. Die Bevölkerungspyramide stellt sich auf den Kopf, inzwischen leben mehr Menschen mittleren Alters in der Bundesrepublik Deutschland, als Kinder geboren werden. Wohin diese Tendenz in einigen Jahren führen wird, ist sehr leicht absehbar.
Leider werden die Gründe für diese
Veränderungen grundsätzlich an den falschen Stellen gesucht. Es
mangle an staatlicher Unterstützung, heißt es, trotz Elterngeld,
Kindergeld und subventionierten Kindergärten. Verglichen mit den
geburtenstärksten Jahrgängen früherer Zeiten investiert der Staat
sogar ungleich mehr Geld in die Förderung von Eltern und Kindern.
Trotzdem lässt der Babyboom auf sich warten.
Geistige Tiefflieger aller Couleur
haben Oberwasser
Der eigentliche Grund für die
Fortpflanzungsmüdigkeit ist in dem geringen gesellschaftlichen
Stellenwert zu suchen, den Kinder heute genießen. Im Luftraum über
den Kinderbetten toben ideologische Schlachten geistiger Tiefflieger
aller Couleur, die allesamt ihren unqualifizierten Senf dazugeben,
während sie den darunter friedlich schlummernden Zankapfel dabei
völlig aus den Augen verlieren. Während sich Vertreter des
traditionellen Familienbildes heiße Schlachten mit Feministinnen
liefern, selbsternannte Erziehungsspezialisten mit sich
widersprechenden Ratschlägen aufeinander einprügeln, Arbeitgeber
genervt die Augen verdrehen, Politiker sich ergebnislos über das
Schulsystem streiten und Single-Freunde sich endgültig abwenden,
stehen die frischgebackenen Eltern ratlos daneben und fragen sich, wo
auf der Welt sie einen klitzekleinen Freiraum finden könnten, um
ihren Nachwuchs vorwurfsfrei nach eigenen Vorstellungen großzuziehen.
Menschenrechte für Kinder?
Schon die immer wieder aufkommende
Idee, Kinderrechte nun endlich in der Verfassung zu verankern, zeigt
die merkwürdige Tendenz, an der alles krankt. Seit seiner Einführung
bilden die grundlegenden Menschenrechte das Fundament unseres
Grundgesetzes. Doch niemand scheint auf die Idee zu kommen, dass
diese selbstverständlich auch für Kinder Gültigkeit haben könnten,
denn wäre die Würde junger Menschen unantastbar, wäre das heute
gängige Schulsystem längst vom Verfassungsgericht untersagt worden.
Normalzustand ist was für
Kinderlose
Wer sich heute für Nachwuchs
entscheidet, tut dies in dem Bewusstsein, für viele Jahre in der
Defensive zu leben und sich chronisch für irgend etwas entschuldigen
zu müssen. Beim Arbeitgeber für eingeschränkte Arbeitszeiten. Beim
Staat für zu niedrige Einzahlungen in die Rentenkasse. Bei der
Schule dafür, dass das Kind entweder zu blöd, zu schlau, zu ruhig
oder zu laut veranlagt ist und zu wenige oder die falschen Freunde
hat. Beim Nachbarn für das Kindergeschrei und beim Kinderarzt für
den Ritalinboykott: Was immer Eltern tun, ist grundsätzlich sowieso
falsch. Entweder klammern sie oder schieben ab, misshandeln oder
verzärteln, geben sich selbst völlig auf oder sind egoistische
Monster, zumindest nach Ansicht ihrer Umwelt. Jemand hier, der noch
einen irgendwie gearteten Normalzustand im Zusammenleben mit Kindern
definieren könnte?
Der ganze Wahnsinn bleibt Kinderlosen
natürlich nicht verborgen. Er klingt nach gewaltigem Stress und
erstickt jeden aufkommenden Fortpflanzungsdrang im Keim. »Ihr werdet
Euch doch nicht auch für so ein Karrierehindernis entscheiden?« –
Verstärker für den eigenen Zweifel finden sich an jeder Ecke.
Mutmacher? – Fehlanzeige. Keine Staatsknete der Welt wird die
Situation verändern, wenn unsere Mentalität derartig auf Aussterben
geeicht bleibt.
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