Freitag, 12. Oktober 2012

Auf Aussterben geeicht – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Nun ist es heraus: Deutschland hat im Ranking der Länder mit der ältesten Bevölkerung die Silbermedaille errungen. Nur in Japan werden im Durchschnitt noch weniger Kinder geboren als bei uns. Dies ist das Ergebnis von Erhebungen des statistischen Bundesamtes, nachzulesen im statistischen Jahrbuch 2012. Unsere Strategie, die menschliche Fortpflanzung mit vielfachen Tabus zu belegen und kinderreiche Familien mit dem Asozialenstempel zu brandmarken, ist grandios aufgegangen. Die Bevölkerungspyramide stellt sich auf den Kopf, inzwischen leben mehr Menschen mittleren Alters in der Bundesrepublik Deutschland, als Kinder geboren werden. Wohin diese Tendenz in einigen Jahren führen wird, ist sehr leicht absehbar.

Leider werden die Gründe für diese Veränderungen grundsätzlich an den falschen Stellen gesucht. Es mangle an staatlicher Unterstützung, heißt es, trotz Elterngeld, Kindergeld und subventionierten Kindergärten. Verglichen mit den geburtenstärksten Jahrgängen früherer Zeiten investiert der Staat sogar ungleich mehr Geld in die Förderung von Eltern und Kindern. Trotzdem lässt der Babyboom auf sich warten.


Geistige Tiefflieger aller Couleur haben Oberwasser

Der eigentliche Grund für die Fortpflanzungsmüdigkeit ist in dem geringen gesellschaftlichen Stellenwert zu suchen, den Kinder heute genießen. Im Luftraum über den Kinderbetten toben ideologische Schlachten geistiger Tiefflieger aller Couleur, die allesamt ihren unqualifizierten Senf dazugeben, während sie den darunter friedlich schlummernden Zankapfel dabei völlig aus den Augen verlieren. Während sich Vertreter des traditionellen Familienbildes heiße Schlachten mit Feministinnen liefern, selbsternannte Erziehungsspezialisten mit sich widersprechenden Ratschlägen aufeinander einprügeln, Arbeitgeber genervt die Augen verdrehen, Politiker sich ergebnislos über das Schulsystem streiten und Single-Freunde sich endgültig abwenden, stehen die frischgebackenen Eltern ratlos daneben und fragen sich, wo auf der Welt sie einen klitzekleinen Freiraum finden könnten, um ihren Nachwuchs vorwurfsfrei nach eigenen Vorstellungen großzuziehen.


Menschenrechte für Kinder?

Schon die immer wieder aufkommende Idee, Kinderrechte nun endlich in der Verfassung zu verankern, zeigt die merkwürdige Tendenz, an der alles krankt. Seit seiner Einführung bilden die grundlegenden Menschenrechte das Fundament unseres Grundgesetzes. Doch niemand scheint auf die Idee zu kommen, dass diese selbstverständlich auch für Kinder Gültigkeit haben könnten, denn wäre die Würde junger Menschen unantastbar, wäre das heute gängige Schulsystem längst vom Verfassungsgericht untersagt worden.


Normalzustand ist was für Kinderlose

Wer sich heute für Nachwuchs entscheidet, tut dies in dem Bewusstsein, für viele Jahre in der Defensive zu leben und sich chronisch für irgend etwas entschuldigen zu müssen. Beim Arbeitgeber für eingeschränkte Arbeitszeiten. Beim Staat für zu niedrige Einzahlungen in die Rentenkasse. Bei der Schule dafür, dass das Kind entweder zu blöd, zu schlau, zu ruhig oder zu laut veranlagt ist und zu wenige oder die falschen Freunde hat. Beim Nachbarn für das Kindergeschrei und beim Kinderarzt für den Ritalinboykott: Was immer Eltern tun, ist grundsätzlich sowieso falsch. Entweder klammern sie oder schieben ab, misshandeln oder verzärteln, geben sich selbst völlig auf oder sind egoistische Monster, zumindest nach Ansicht ihrer Umwelt. Jemand hier, der noch einen irgendwie gearteten Normalzustand im Zusammenleben mit Kindern definieren könnte?

Der ganze Wahnsinn bleibt Kinderlosen natürlich nicht verborgen. Er klingt nach gewaltigem Stress und erstickt jeden aufkommenden Fortpflanzungsdrang im Keim. »Ihr werdet Euch doch nicht auch für so ein Karrierehindernis entscheiden?« – Verstärker für den eigenen Zweifel finden sich an jeder Ecke. Mutmacher? – Fehlanzeige. Keine Staatsknete der Welt wird die Situation verändern, wenn unsere Mentalität derartig auf Aussterben geeicht bleibt.     


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