Freitag, 14. Dezember 2012

Medizindiktatur – die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Regelmäßige Leser dieser Kolumne werden sich vielleicht wundern: Zum fünften Mal in Folge dreht sie sich heute um den Fall Gustl Mollath. Wer die aktuellen Ereignisse rund um den seit sieben Jahren gegen seinen Willen in der Forensik festgehaltenen Nürnberger Bürger aufmerksam verfolgt, erkennt schnell, dass der Ausgang dieser Causa eine weit über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung besitzt. Die Frage, ob Gustl Mollath am Ende frei sein, oder aber weiterhin auf unbestimmte Zeit ohne nachvollziehbare Gründe festgehalten werden wird, rüttelt an den Grundfesten unserer Demokratie. Gelingt es den Reichen und Mächtigen, die Empörung der Öffentlichkeit auszusitzen und alle Beobachter mit juristischen oder publizistischen Taschenspielertricks so lange hinzuhalten, bis sie das Interesse verlieren, dann steht der direkte Weg in die Medizindiktatur offen.

Klingt übertrieben, meinen Sie? – Wir werden sehen. Fakt ist: Gustl Mollath sitzt seit nahezu sieben Jahren in der Forensik, seiner angeblichen »Gefährlichkeit« wegen. Grundlage für seine Einweisung war nicht etwa, wie immer behauptet, das Urteil eines unabhängigen Gerichts: Grundlage war, wie so oft, ein für Mollath negatives psychiatrisches Gutachten, das vom Gericht abgenickt wurde. Wo bleibt die Unabhängigkeit des Gerichts, wenn das eigentliche Urteil von Ärzten gefällt wird?

Der Gutachter, seines Zeichens Chefarzt der Forensik am Bezirkskrankenhaus Bayreuth, bescheinigte Mollath in einem nach Aktenlage erstellten Gutachten:

»Aus dieser Betrachtung resultiert als Ergebnis, dass der Angeklagte in mehreren Bereichen ein paranoides Gedankensystem entwickelt hat. Hier ist (...) der Bereich der Schwarzgeldverschiebung zu nennen,* in dem der Angeklagte unkorrigierbar der Überzeugung ist, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und (...) weitere Personen, (...) in dieses komplexe System der Schwarzgeldverschiebung *verwickelt wären.«

Dumm nur, dass ein interner Revisionsbericht der HVB-Bank, bei welcher die ehemalige Frau Mollath als Anlageberaterin tätig gewesen war, Mollaths Anzeige in allen nachprüfbaren Teilen bestätigte und dem angeblichen Wahn dadurch Wirklichkeit bescheinigt. Dass der Gutachter diesen Bericht zur Zeit der Erstellung seiner Beurteilung nicht kannte, hat keine Bedeutung: Wenn die Psychiatrie ein geeignetes wissenschaftliches Medium zur Schaffung gerichtsfester Beweise wäre, dann hätte ihm dieser Fehler nicht unterlaufen dürfen!

Mollaths Unterbringung wird seitdem jährlich gerichtlich überprüft. Doch was heißt das konkret? Es bedeutet: Weitere Gutachter bestätigen die grundsätzliche Richtigkeit des Erstgutachtens, weitere der Gutachtergläubigkeit verfallenen »unabhängigen« Gerichte schicken Mollath jeweils für ein weiteres Jahr in die Forensik. Wer im Fall Mollath von »Verschwörungstheorien« spricht, hat das System grundsätzlich nicht verstanden, denn es ist nichts als ein furchtbarer Automatismus des Sich-gegenseitig-nicht-weh-tuns, den zu durchbrechen Mollath bis heute nicht gelungen ist.

Bis heute wird Mollath von den Medizinern seine mangelnde »Krankheitseinsicht« angekreidet. Er zeige recht wenig Mitwirkungsbereitschaft bei seiner Begutachtung und verweigere jede Therapie, weshalb der »therapeutische Zweck der Unterbringung noch nicht erfüllt sei.«

Eine empfehlenswerte Lektüre in diesem Zusammenhang sind die Erfahrungsberichte anderer Patienten, die online verfügbar sind. So schreibt ein Nutzer namens assi71 am 25.5.2010 auf klinikbewertungen.de

» [...]im 63 er ist mann diesem pack von sadisten ausgesetzt bis zum tod im schlimmsten fall und die sorgen dafür das mann richtig alt wird.« (Kommentar bezieht sich auf eine Unterbringung in der Forensik nach § 63 StGB.)

Passt irgendwie zusammen mit der Aussage von Gustl Mollath, der im Interview mit dem BR von allnächtlich dreimaligen Zellenkontrollen durch Ausleuchten erzählt, die sehr belastend für ihn seien. Auch die aktuelle Diskussion darüber, eine Zwangsmedikation psychisch Kranker, die unter Betreuung stehen, gesetzlich zu ermöglichen, bahnt der diktatorischen Medizin ein Stück weiter den Weg. Wohin wird diese Entwicklung führen, wenn wir eine derartige Grauzone zwischen Justiz und Medizin zulassen?

Fakt ist: Sowohl Schlafentzug als auch Zwangsmedikation stehen auf der Liste der anerkannten Foltermethoden. Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, die all das unter dem Deckmantel der Medizin möglich macht?

Infos zum Fall Mollath: 


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