»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
»Monstermauern, Mumien und Mysterien« – ein Resümee von rund fünfzig spannenden Jahren (m)einer Reise zu den geheimnisvollsten Stätten unseres Planeten. 550 Folgen (m)einer Sonntagsserie. Nr. 1 erschien am 17. Januar 2010. Diese Zeilen schreibe ich am 21. Mai 2020, »Christi Himmelfahrt«.
Die Welt bereisen wollte ich schon als Kind, als ich Karl Mays wunderbare Werke förmlich verschlang. Ich wollte Abenteuer wie »Old Shatterhand« im fernen Amerika und wie »Kara Ben Nemsi« im Orient bestehen.
1968 wurde ich 1968 von der »Dänikenitis« (1) befallen. Kennzeichnend für die »Dänikenitis« sind Symptome, auf die ich auf keinen Fall verzichten möchte: Reisefieber steht da an erster Stelle. Nichts kann es wirklich stillen, und das ist gut so. Je mehr man reist, desto stärker wird es. Wer ihm nachgibt, dessen Sehnsucht wächst. Je mehr Mysterien man erforscht, desto mehr möchte man ergründen. Es ist, scheint mir, eine Art Sucht.
Ein weiteres Symptom: Wachsende Neugier auf das Unbekannte bei gleichzeitiger Ablehnung vorgekauten »Wissens«. Und: Der von Dänikenitis Befallene denkt lieber selbst und verlässt gern die ausgetretenen Pfade von »Vordenkern«. Ich selbst verdanke dem großartigen Erich von Däniken (*1935) rund fünfzig spannende Jahre. Von Ägypten bis Zentralamerika gibt es zahllose Monumente, die an der Richtigkeit der Geschichtsschreibung zumindest doch stark zweifeln lassen. Die monströsen Riesensärge von Sakkara zum Beispiel werde ich nie vergessen.
Foto 1: »Verloren« in der Wüste - die »Djoser Pyramide« (Sakkara). |
Von der Djoser-Pyramide aus blickte ich hinaus in eine steinige Höllenglut von Wüste (2). Ein einheimischer Guide erklärte mir: »Überall gibt es noch unentdeckte komplexe unterirdische Anlagen ungeahnten Ausmaßes. Immer wieder werden neue Säle unter dem Wüstenboden ausfindig gemacht. Es ist schon vorgekommen, dass parkende Busse urplötzlich einbrachen und in einem unterirdischen Schlund zu versinken drohten. Zum Glück wurde dabei noch niemand verletzt! Es wurde mit großer Wahrscheinlichkeit erst ein kleiner Teil der unterirdischen Welt entdeckt!«
Prof. Hans Schindler-Bellamy (*1901; †1982) bestätigte: »Einst gab es im Wüstenboden ein Gewirr von zahllosen unterirdischen Gängen, Räumen und Sälen. Da wurde eine Unterwelt erschaffen, von deren Größe wir keine Vorstellung haben.« Auguste-Ferdinand-François Mariette (*1821;†1881) war eher zufällig in die Region von Sakkara gekommen. Ursprünglich wollte er Manuskripte aus der Frühzeit Ägyptens finden. Er gab aber frustriert auf und hoffte auf andere Sensationen. Würde er in den Gefilden von Sakkara Sphingen ausgraben können? Rücksichtslos setzte er Dynamit ein, um mit Gewalt einen Zugang zur Unterwelt von Sakkara zu finden. Tatsächlich hatte er Erfolg, hätte dabei aber leicht tödlich verunglücken können.
Foto 2: Von hier aus ging’s zum Eingang in die »Unterwelt«. |
Am 12. November 1851 tat sich der Boden unter Auguste Mariette im wahrsten Sinne des Wortes auf. Offenbar hatte er ein unterirdisches Gewölbe »entdeckt«. Die von ihm ausgelöste Detonation hatte ein Loch in eine steinerne Decke unter dem Wüstenboden gerissen. Auguste Mariette stürzte in die Tiefe. Wie durch ein Wunder blieb er unverletzt. Erst als sich der Staub gelegt und man Mariette eine Fackel gereicht hatte, erkannte er, wo er sich befand: in einer gewaltigen unterirdischen Gruft, im »Serapeum« von Sakkara. Aber war Mariette wirklich der »Entdecker« der fantastischen Unterwelt? Luc Bürgin (*1970), ein blitzgescheiter Schweizer Journalist, Publizist und Schriftsteller, hat ausgiebig recherchiert (3): »Ebenso umstritten bleibt, ob und wo der französische Abenteurer Paul Lucas (*1664; †1737) bereits über ein Jahrhundert vor Mariette dort unten herumkroch.«
Ich erinnere mich an meinen Besuch in Sakkara anno 1986. Die Hitze setzte mir arg zu, als ich die leider doch recht marode Pyramide von Sakkara umrundete. Ein schmächtiges Männlein mit gewaltigem Turban führte einen noch schmächtigeren kleinen Esel mit sich. Beide sahen aus, als wären sie einem Roman von Karl May entsprungen, sie waren aber real. Der Hüter des Esels war sichtlich enttäuscht, als ich mich weigerte, sein Grautier als Reittier zu nutzen. Ich wollte dem Tierchen nun wirklich nicht meine Last zumuten. Der Mann strahlte aber, als ich ihm das für einen Ritt geforderte kleine Trinkgeld zusteckte, ohne mich auf den armen Esel zu schwingen.
Mit einladenden Gesten forderte er mich auf, ihm zu folgen. Nach einem anstrengenden »Marsch« von höchstens einem Kilometer erreichten wir einen Eingang in die Unterwelt, der leicht zu übersehen war. Da ging es über eine Treppe in die Tiefe. Gut zehn Meter unter dem Wüstenboden schließlich standen wir vor einer schmalen Eisentür, die mein Führer mit wichtiger Miene und einem eisernen Schlüssel von beachtlicher Größe öffnete. Gestenreich erklärte mir der Mann den weiteren Weg.
Während sich meine Augen an die wohltuende Dunkelheit gewöhnten, tastete ich mich voran. Und plötzlich stand ich in einer fantastischen Welt, die ohne Probleme als Kulisse für einen SF-Film genutzt werden könnte. Vor mir dehnte sich ein imposanter Gang aus und verlor sich irgendwo in der Dunkelheit. Ich maß die Breite nach: gut drei Meter. Die Höhe schätzte ich auf bis zu zehn Meter. Ich schritt den Gang ab. Wie lang mochte er sein? Mindestens 180, vielleicht 210 Meter. Der gesamte Komplex dieser mysteriösen Galerie kam mir unwirklich vor.
Foto 3: Blick in die »Galerie«. |
Ich ging in der Mitte des Gangs. Irgendwo flackerten zwei oder drei Glühbirnen auf. Ich folgte dem Gang weiter und blieb immer wieder stehen. Rechts und links erkannte ich Räume unterschiedlicher Größe. In 24 dieser Räume stand je ein riesiger steinerner Monstersarg. Manche dieser Särge sahen aus, als wären sie aus Beton. Man hatte, so schien es, die Verschalung erst kürzlich entfernt. Die meisten Särge hatten einen massiven Deckel, bei einigen fehlte er. Einige Sarkophage waren nach wie vor verschlossen. Bei einigen war der massive Deckel verschoben worden. Von wem? Von potenziellen Grabräubern? Beim einem der Monstersärge hatte man, wer und wann auch immer, ein Loch in die steinerne Kiste geschlagen, um in das Innere des Sarkophags zu gelangen. Vermutlich hoffte man im Inneren Kostbarkeiten zu finden, hatte es aber nicht geschafft, den tonnenschweren Deckel auch nur ein Stück zu entfernen. Vier der Räume der Galerie waren leer. Ich nehme an, dass auch hier Monstersärge aufgestellt werden sollten. Warum das aber unterblieb? Beendete man das fantastische Projekt vorzeitig?
Foto 4: Der aufgebrochene Sarkophag. |
Die Monstersärge sind wirklich atemberaubend. Einen habe ich vermessen: Er war 3,85 Meter lang, 2,25 Meter breit und 2,50 Meter hoch. Die Sarkophagwand hatte oben eine Dicke von immerhin 43 Zentimetern. Verschlossen wurde die beeindruckende Riesenkiste aus Stein einst mit einem Monsterdeckel aus Stein, 62 Zentimeter dick. Nach vorsichtigen Schätzungen wiegt der Sarg mit Deckel rund achtzig, vielleicht sogar einhundert Tonnen.
Jeder dieser Riesensärge wurde aus einem einzigen Klotz aus härtestem Granit gefertigt. Der Steinbruch befindet sich in Assuan, rund 1.000 Kilometer entfernt. Warum machte man sich vor Jahrtausenden die Mühe, die monströsen Steinsärge 1.000 Kilometer in die Einöde der Wüste zu transportieren? Warum wurde die unheimliche Unterwelt nicht direkt bei Assuan geschaffen? Wie bugsierte man diese Steinmonster zehn Meter in die Tiefe, um sie in Räumen entlang eines Ganges zu deponieren?
Foto 5: Sarkophag ohne »Deckel«. |
Als ich am 16. April 1986 im Serapeum staunend vor den steinernen Riesensärgen stand, da ahnte ich nicht, dass das Mysterium Serapeum weit größere Ausmaße hat als bis heute offiziell zugegeben wird. Noch einmal Luc Bürgin (4): »Noch verwirrender: Im Gegensatz zur Fachliteratur soll das Serapeum insgesamt weitaus mehr Sarkophage bergen als offiziell bekannt. Genauer beziffert sagenhafte 40 bis 70 Stück, wie mir bereits vor etlichen Jahren von einheimischen Experten hinter vorgehaltener Hand zugeflüstert wurde. ›Längst nicht alle Gänge der Anlage sind heute für Touristen zugänglich.‹«
Foto 6: Sarkophag mit »Deckel«. |
Luc Bürgin fantasiert nicht. Er hat einige der verheimlichten Monstersärge von Sakkara vor Ort in Augenschein genommen. Für ein üppiges Bakschisch schloss ein Hüter der Schlüssel ein rostiges Eisentor auf. Für wenige Minuten durfte der sympathische Schweizer in einen Teil des unterirdischen Labyrinths eintreten, das sonst offiziell gar nicht zu existieren scheint. Keine Frage: Offensichtlich ist erst ein Teil des Serapeums bekannt. Besser gesagt: Vermutlich wurde bislang nur ein Teil der unterirdischen Anlage offiziell bestätigt und gezeigt, während weitere Teile – warum auch immer – geheim gehalten werden. Und vermutlich sind wiederum weitere Teile bis heute nicht entdeckt worden.
Foto 7: Ein »Nebenraum« der »Galerie«. |
Ich vermute, dass der lange Gang mit den Räumen für die Riesensarkophage nur Teil eines komplexen Systems ist. Ich nehme an, dass es noch weitere Galerien gibt, die womöglich untereinander verbunden waren. Angeblich hat man, wie ich vor Ort gehört habe, Hinweise auf schmale Korridore entdeckt, die von der Galerie wegführten. Ein solcher Gang soll eingestürzt, ein zweiter nur ein kurzes Stück passierbar sein. Wohin man wohl gelangt, wenn man diese Gänge wieder passierbar macht? Zu weiteren Galerien? Zu weiteren Räumen mit weiteren Riesensarkophagen? Oder zu anderen Geheimnissen der Unterwelt von Sakkara?
Foto 8: Einer der Monstersärge, fotografiert um 1910. |
Wirklich Geheimnisvolles aber vermag nur der zu erkennen, der dazu bereit ist einzugestehen, dass es Mysteriöses gibt. Leider glauben manche, es sei unwissenschaftlich zuzugeben, dass noch nicht alles wissenschaftlich erforscht wurde. Thomas Carlyle (*1795; †1881), schottischer Essayist und Historiker, rügte dieses Verständnis von »Wissenschaft«. Carlyle, der mit Goethe korrespondierte, brachte seine Kritik auf den Punkt: »Das wäre eine armselige Wissenschaft, die die große, tiefe, geheiligte Unendlichkeit des Nichtwissens vor uns verbergen wollte, über welcher alle Wissenschaft wie bloßer oberflächlicher Nebel schwimmt.« Wirkliche Wissenschaft ist vom Geheimnisvollen fasziniert. Wirkliche Wissenschaftler sehen die Existenz des Rätselhaften als Ansporn an, vorbehaltlos zu forschen, ohne auch nur eine einzige Antwort im Voraus auszuschließen. In diesem Sinne schrieb Justus Freiherr von Liebig (*1803; †1873): »Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört.« Wirkliche Wissenschaft macht nicht irgendwo halt, sie kennt keine Dogmen. Sie ist stets bemüht, das noch Geheimnisvolle zu ergründen.
Wer wirklich sucht, muss anzweifeln. Diese Steinmonster gigantischen Ausmaßes, man nennt sie in der Literatur gewöhnlich »Sarkophage«. Diese Bezeichnung habe ich übernommen. Aber waren diese Steinkisten wirklich Särge (5)? Oder waren sie etwas ganz anderes? Und wenn sie keine Steinsärge waren, was waren sie dann?
Fußnoten
(1) Der Ausdruck »Dänikenitis« wurde 1968 von der »New York Times« kreiert.
(2) Siehe hierzu Langbein, Walter-Jörg: »Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 3«, 2. Auflage, Alsdorf, August 2019, Kapitel 33 und Kapitel 34, Seiten 233-244
(3) Bürgin, Luc: »Die verheimlichten Sarkophage von Sakkara«, Artikel, erschienen in »mysteries« Nr. 4, Juli August 2019, Seiten 12-19, Zitat Seite 15, rechte Spalte, 10.-12. Zeile von oben
(4) Ebenda, 14.-19. Zeile von oben
(5) Vielen Dank, Roland Rambau, für den anregenden Kommentar bei facebook!
Zu den Fotos
Foto 1: »Verloren« in der Wüste - die »Djoser Pyramide« (Sakkara). Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Von hier aus ging’s zum Eingang in die »Unterwelt«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Blick in die »Galerie«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Der aufgebrochene Sarkophag. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Sarkophag ohne »Deckel«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Sarkophag mit »Deckel«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Ein »Nebenraum« der »Galerie«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Einer der Monstersärge, fotografiert um 1910. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
552. »Paulus wurde entrückt und altindische Vimanas«,
Teil 552 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 16. August 2020
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