Freitag, 8. April 2011

Gesundheitsausgaben in Deutschland so hoch wie noch nie – Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Vielleicht haben Sie es in den Nachrichten bereits gelesen. Wenn nicht, dann raten Sie einfach mal: Wie hoch waren im Jahre 2009, für das die Zahlen jetzt veröffentlicht wurden, die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben in Deutschland?

Die Antwort lautet: Deutschland wendete 2009 278,3 Milliarden Euro für das Gesundheitswesen auf, das sind pro Kopf rund 3.400 €. Vom Kleinkind bis zum Greis. Jeder von uns ist im Durchschnitt für 283 € pro Monat krank. Das ist eine Menge, finden Sie nicht auch? Begründet wird der Ausgabenanstieg zwar mit höheren Honoraren für Ärzte und Pflegekräfte, doch den meisten ist längst klar, dass die wahren Gründe anders gelagert sind.

Deutschland ist wieder mal Weltspitze
Und zwar, was die Anzahl der Arztbesuche angeht. Auf stolze 18 Arztpraxisbesuche bringt es ein Deutscher im Schnitt. Jedes Jahr. Alle 20 Tage einer. Klar: Es gibt chronisch Kranke, oder auch Menschen, die aufgrund der Einnahme eines bestimmten Medikamentes unter Dauerkontrolle stehen. Beides Umstände, die häufige Arztbesuche nötig machen können, die aber auf eine Minderheit begrenzt sind. Das Gros der Menschen, sollte man meinen, müsste so gesund sein, dass ständige Konsultationen unnötig sind. Wie also kommt diese gewaltige Zahl zustande?

Vorsorge ist alles!
Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass die Anzahl der dringend empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen von Jahr zu Jahr ansteigt? Und dass die Art, wie uns all diese Wohltaten in allen Medien angedient werden, nur als aggressiv und Angst machend bezeichnet werden kann? – Klar, dass ein Arzt auch irgend etwas findet, wenn er den Patienten erst einmal in der Mangel hat. Etwas, das natürlich weitere Konsultationen oder die Einnahme von Medikamenten nach sich zieht. Eine eventuell kleine Störung, die der Körper ganz unbemerkt selbst repariert hätte, wird zur Krankheit deklariert und ausgiebig behandelt. Dass all dieses »Zuviel« irgendwann zum Auslöser einer echten Krankheit werden kann, verschweigt die Gesundheitslobby in ihren Hochglanzberichten.

Wir wissen es: Radioaktive Strahlung kann Krebs verursachen. Dennoch lassen sich Millionen Frauen einreden, es sei ihrer Gesundheit förderlich, sich regelmäßig im Rahmen einer Mammographie die Brüste röntgen zu lassen. Auch ist es noch nicht lange her, da empfahl man Frauen in den Wechseljahren die unbedingte Durchführung einer »Hormonersatztherapie«. Ein Milliardengeschäft. Bis man vor nicht allzu langer Zeit herausfand, dass sich die Risiken für viele Krankheiten dadurch nicht verringerten sondern sogar erhöhten. Wie viele Ursachen für wirklich schwere Erkrankungen, deren Behandlung heute finanziert werden muss, damals gesetzt wurden, darüber kann man leider nur spekulieren.

Die Pharmalobby hat ganze Arbeit geleistet
Wagen Sie doch mal einen Versuch. Begeben Sie sich in irgendeine normale Gesellschaft und verkünden Sie dort, dass Sie selbstverständlich nur dann zum Arzt gehen, wenn Sie sich nicht wohl fühlen, Schmerzen oder Beschwerden haben, und dass Sie von den dann verordneten Medikamenten nur ein Minimum einnehmen, weil Ihr Körper sich darüber hinaus selbst helfe. Sie werden einen entsetzten Aufschrei ernten. »Was Du tust, das ist lebensgefährlich! Verantwortungslos!«, werden Sie zu hören kriegen. Und: »Naja, Du musst ja selbst wissen, was Du machst!«, gepaart mit einem sorgenvollen Blick, der die Frage zu stellen scheint, ob man noch ganz bei Trost sei.

Sie zum möglichst häufigen Aufsuchen von Arztpraxen zu bewegen, dafür hat die Pharmaindustrie hochpsychologische Mittel entwickelt. Eine Bemerkung, die mir schon häufig in einschlägigen Artikeln aufgefallen ist, ist folgende: »Es ist statistisch belegt, dass Hartz-IV-Empfänger besonders sorglos mit ihrer Gesundheit umgehen und die wenigsten Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, weshalb man ein Programm auflegen sollte, das auch diese Menschen erreicht.« Bedeutet übersetzt: Wer unseren Vorgaben nicht Folge leistet, der ist ein Loser, der es im Leben zu nichts gebracht hat, weil er ein wenig unbeholfen ist. Klar. Zum Arzt zu laufen, wenn man nicht krank ist, das ist mit Sicherheit ein Zeichen dafür, dass einer es geschafft hat.

All diese »vorsorglichen« Konsultationen und ihre fälligen Folgebesuche sorgen dafür, dass die Kosten ins Astronomische steigen und die Arztpraxen völlig überlastet sind. Wird jemand einmal wirklich krank, dann hat der Arzt hierfür leider nur noch wenig Zeit übrig.

So sehen uns unsere Nachbarn
Anlässlich einer beruflichen Reise nach Polen, vor wenigen Jahren, sagte mir eine einheimische Kollegin, sie sei mehrmals in Deutschland gewesen und habe sich über die große Apothekendichte hierzulande gewundert. »Ich habe gedacht, in Deutschland müssen sehr viele Leute krank sein«, erklärte sie mir, ohne jeden Anflug von Zynismus.

Ähnliches mögen sich auch die Schweden denken, wenn sie von unseren Weltrekord haltenden 18 Arztbesuchen hören: Drei- bis viermal im Jahr geht der Durchschnittsschwede zum Mediziner. Stirbt er deshalb früher? – Nein. Die unbestechliche Statistik bescheinigt den Schweden sogar eine etwas höhere Lebenserwartung als den Deutschen. Wie machen die das nur, mit so wenigen Arztbesuchen?, fragt man sich unwillkürlich. Sollte die hohe Lebenserwartung etwa eine Folge der wenigen Arztbesuche sein? – Diese Frage sollte einmal ohne ideologische Grabenkämpfe diskutiert werden, statt immer nur nach Beitragserhöhungen zu schreien.




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