Freitag, 15. April 2011

Glückliche Kinder – Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle auf eine Umfrage zum Thema Bildungssystem hingewiesen. 500.000 Menschen nahmen daran teil und füllten den Online-Fragebogen insgesamt 130.000 mal vollständig aus.

Die nun vorliegenden Ergebnisse erscheinen mir ein wenig seltsam, jedoch angesichts meiner schon im ersten Beitrag angemeldeten Kritikpunkte an der Fragestellung nicht weiter verwunderlich. Vor Gericht würde diese Art der Fragestellung wohl als »Suggestivbefragung« verworfen werden, da sie bestimmte Antworten nahezu implizierte. Kein Platz für Zwischentöne, kein Platz für wirklich neue Lösungen, alles in allem entweder phantasielos oder aber gezielt dazu angetreten, das bestehende System zu zementieren. Sehen wir von einigen Äußerlichkeiten ab, die bei oberflächlicher Betrachtung als »Revolution« wahrgenommen werden könnten (Stichwort: gesamtdeutsche Vereinheitlichung der Bildung anstatt landespolitischer Sonderwege), soll wohl alles beim Alten bleiben, jedoch restriktiver gehandhabt werden.

Da ich nicht so naiv bin, zu glauben, die gestellten Fragen seien einer zufälligen Inspiration der Macher zu verdanken (denn dazu sind sie schlicht genau das nicht: inspiriert eben!), gehe ich davon aus, dass die Befragung dazu dienen sollte, eine nachträgliche, basisdemokratische Legitimation für bildungspolitischen Müll zu erhalten.

Wenn man sich die Auswertung der Befragung ansieht, wie sie am 14.04.2011 von t-online gemeldet wurde, dann stechen einige Ergebnisse doch sehr ins Auge, (ich unterstelle jetzt mal, dass die Befragung ordnungsgemäß ausgewertet wurde und die Prozentsätze korrekt sind):
  • 87 % alle Teilnehmer sprechen sich für einen verbindlichen Kita-Besuch aus, davon 41% bereits ab drei Jahren.
  • »Mehr als zwei Drittel« aller Teilnehmer halten eine längere Dauer der Grundschule für sinnvoll, (bis einschließlich der sechsten Klasse).
  • 80 % gar plädierten für das Modell der Ganztagsschule.
Diese drei Beispiele aus den Ergebnissen der Umfrage sprechen für mich eine deutliche Sprache: Die Umfrage ist weder dazu angetan, die wahren Probleme zu erfassen, noch dazu, neue Lösungswege zu finden. Fakt ist: Die überwältigende Mehrheit aller Kinder, laut Wikipedia nämlich 86,9 %, besucht auch heute bereits eine Kita. Probleme gibt es trotzdem.

Die Frage nach der Dauer der Grundschule bedingt, wie ich schon in meinem Eingangsbeitrag zum Thema schrieb, dass das mehrgliedrige Schulsystem heutigen Zuschnitts in Stein gemeißelt zu sein scheint. Kein Platz also für den Gedanken an ein Kurssystem, das den Schülern das Voranschreiten in den einzelnen Fächern im individuellen Tempo ermöglichen würde.

Das traurigste Ergebnis der Studie jedoch ist für mich der Schrei nach der Ganztagsschule. Nach allen Erfahrungen, die Eltern mit Schulen haben, wünschen sie das ihrem Kind also ernsthaft auch noch ganztags? Oder haben überwiegend nachwuchslose Kinderhasser an der Umfrage teilgenommen? – Wahrscheinlich. Denn: Eltern würde wohl das Lippenbekenntnis, das in vielen Schulprofilen nachzulesen steht, kaum ausreichen. Vermittlung der »Sozialkompetenz« haben sich viele Schulen auf die Fahnen geschrieben. Klingt gut, scheinen sich viele zu sagen. Wer so gelehrt daherschwätzt, wird wohl etwas von der Sache verstehen. Und wirklich: Die Schulen überbieten sich in der Veranstaltung von »Projekten« zum Thema.

Doch wie sieht es in den Kindern aus? Wie empfinden sie ihr Dasein in unseren Schulen ganz konkret? Meine Antwort dazu: Googeln Sie ein wenig! Sie werden interessante Aussagen dazu finden. Solche wie diese hier, zum Beispiel, die einen sprachlos und traurig machen …

Und es könnte so einfach sein …

»Wer wissen will, wie es um die Zukunft eines Landes bestellt ist, der soll in die Schulen gehen. Und dort soll er sich ansehen, ob dort glückliche Kinder sitzen …«

Das wäre mal eine Umfrage unter Schülern:

  • Wie fühlt ihr euch in eurer Schule?
  • Interessiert euch das, was dort erzählt wird?
  • Gibt es Dinge, die euch interessieren, die in der Schule aber keine Erwähnung finden?
  • Würdest du sagen dass du mit deinen Mitschülern überwiegend gut auskommst?
Nein. Nun bitte nicht mit dem alten Blödsinn von »Aspera ad astra« kommen! Durch das Raue zu den Sternen. Das wird gerne vorgeschoben, wenn man ausdrücken will, dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt, was natürlich richtig ist. Aber:
  • Wird ein Mensch erfolgreicher, wenn er schon in seiner Jugend jahrelang dem üblichen Mobbing ausgesetzt wird?
  • Inspiriert es ihn, ein Rädchen im großen Getriebe zu sein, das ganz schnell aussortiert wird, wenn es nicht funktioniert?
  • Findet ein junger Mensch in unseren Schulen seinen eigenen Weg? Oder wird er zum Bildungszombie, der es nach weiteren zehn Jahren Studium mit anschließender Arbeitslosigkeit höchsten noch zum Internettroll mit halbwegs funktionierender Rechtschreibung bringen kann, Letzteres nicht einmal wirklich sicher?
Machen Sie einen Versuch. Melden Sie sich in einem halbwegs frequentierten Internetforum an und schreiben Sie dort ein wenig. Es wird nicht lange dauern, dann taucht er auf, Ihr persönlicher Troll. Er wird jede Möglichkeit nutzen, Ihnen das Leben schwerzumachen, selbst dann, wenn Sie ihm vorher nichts getan haben. Alternativ findet er sich auch auf beliebigen Produktbewertungsplattformen, wo er unschuldige Schokopuddings der allgemeinen Häme preisgibt. Das tut er durchaus gewandt.

Wenn Sie ein wenig nach der Person des Trolls forschen, werden Sie meistens schnell fündig, da die meisten Trolls es nicht schaffen, Pseudonym und Realname dauerhaft und sauber voneinander zu trennen. Und was finden Sie? Einen wenig gebildeten Loser? – Sie werden sich wundern!

Studierte Juristen werden Sie finden! Sozialpädagogen! Arbeitslose Lehrer! Lauter Menschen, die unser Bildungssystem bis zur Neige genossen haben, und die ebendieses um ihre Lebenschancen betrogen hat. Kein Wunder, dass Ihr Troll ein wenig sauer ist. Und weil er »der Gesellschaft« als solcher, die an seinem Elend schuld ist, nicht habhaft werden kann, hält er sich an IHNEN schadlos. Ja, genau an IHNEN, die Sie vielleicht in oben genannter Umfrage in bester Absicht für die Ganztagsschule und das kostenlose Studium bis zur Rente plädiert haben.

Was wir daraus lernen sollten? – Eines zumindest, und nur dieses eine:

»Wer wissen will, wie es um die Zukunft eines Landes bestellt ist, der soll in die Schulen gehen. Und dort soll er sich ansehen, ob dort glückliche Kinder sitzen …«

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