Sonntag, 11. April 2010

13 »Das Horrorkabinett des Dr. Cabrera«

Teil 13 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein



Eines der geheimnisvollsten Museen unseres Planeten habe ich in Ica, Peru, besucht. Es ist das »Museo de Piedras Grabadas de Ica« (»Museum der gravierten Steine von Ica«). Gegründet hat es Professor Dr. Javier Cabrera Darquea (1924-2001). Das Museum bietet zwei archäologische Sammlungen. Eine davon wurde jahrelang geheim gehalten. Beide dürfte es eigentlich gar nicht geben: Sie sind viel zu fantastisch. Aber die Wirklichkeit mutet manchmal sehr viel unrealistischer an als die unwahrscheinlichste Fiktion.

Cornelia Petratu und Bernard Roidinger schreiben im Nachwort zu ihrem Werk »Die Steine von Ica« (S. 263/264) : »Pünktlich, frisch und voller Tatendrang erwartete uns Dr. Cabrera in seinem Museum.... Nichts unter seiner Regie hätte uns noch überraschen können. An diesem letzten Tag aber vollendete er seine Inszenierung.... Und so enthüllte uns Dr. Cabrera die versperrten Räume eines Hauses, das er seine ›geheimen Kammern‹ nannte. Hatte schon das Betreten des Privatmuseums von Dr. Cabrera wie ein Schock auf uns gewirkt, so übertraf das, was wie jetzt zu sehen bekamen, jegliche Vorstellungskraft. Was Dr. Cabreras ›geheime Kammern‹ bergen, ist so erschütternd, dass es alle Grenzen rationaler Vorstellungskraft sprengt. Auch wenn wir es zu erklären versuchen, wir können es nicht. Es übersteigt ganz einfach unsere Vorstellungskraft.«

Was haben Cornelia Petratu und Bernard Roidinger gesehen, aber nicht näher beschreiben dürfen? Was wurde ihnen gezeigt, was sie im Bilde nicht publik machen durften? Oder: Was haben sie gesehen, was sie nicht in ihr Buch aufzunehmen wagten?

Bereits Ende der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts hatte ich von den mysteriösen Objekten im Privatmuseum von Professor Dr. Javier Cabrera Darquea gehört. Von einem öffentlichen und von einem geheimen Teil einer mysteriösen archäologischen Sammlung war die Rede. Wirkliche Informationen waren aber nicht zu finden. Statements von Wissenschaftlern standen nicht zur Verfügung. Was hatte es sich mit Prof. Cabrera und Funden, die es angeblich eigentlich nicht geben dürfte, auf sich?

Im Herbst 1992 habe ich erstmals versucht, die mysteriösen Artefakte der Sammlung Dr. Cabreras anzusehen und zu fotografieren. Damals bereiste ich zusammen mit drei Freunden zwei Monate lang Südamerika von Ecuador bis zur Osterinsel. Als wir in Ica beim Privatmuseum Dr. Cabreras vorsprachen, da erlebten wir eine herbe Enttäuschung. Zunächst fand sich niemand, den wir hätten befragen können. Das Museum war geschlossen. Auf unser Klingeln reagierte niemand. Schließlich erfuhren wir: Dr. Cabrera war auf Reisen – in Europa. Welche Ironie: Da machten sich vier Europäer nach Ica in Peru auf den Weg, um Prof. Cabrera zu sprechen und Prof. Dr. Cabrera war gleichzeitig in Europa unterwegs.

Ich hatte aber schließlich Gelegenheit, mit einem Bruder von Prof. Cabrera ausführlich zu sprechen. Er bestätigte mir unumwunden die Existenz einer zweiten, geheimen Sammlung, die er mir aber leider nicht ohne die ausdrückliche Genehmigung seines Bruders zeigen dürfe. Und der war nicht zu erreichen.

Jahre später war es dann soweit... Langsam gewöhnten sich meine Augen an das diffuse Licht. Die Luft war staubgeschwängert. Vor mir erstreckte sich ein schmaler Korridor, dessen Ende ich nur zu erahnen vermochte. Rechts und links reichten Regale übermannshoch vom Boden bis zur Decke. Hunderte, ja Tausende von Tonfiguren lagen dicht gedrängt in mehreren Reihen hintereinander. Offenbar waren nachträglich immer wieder neue Bretter eingezogen worden, um immer mehr Fundstücken der mysteriösen Raum Platz zu bieten. Die gewaltige Sammlung wurde nach und nach immer wieder ergänzt.


Einige nackte Glühbirnen hängen an Drähten von der Decke. Ihr fahler Schein taucht das ganze Szenario in ein unheimliches Licht. Die Luft ist trocken und reizt zum Husten. Ich schreite langsam die Regale ab. Der Lichtkegel meiner starken Taschenlampe gleitet über die Figuren in den Regalen. Meist bilden je zwei menschenähnliche Wesen ein kleines erschreckendes Ensemble: Eine Gestalt liegt auf einer Art Tisch. Eine zweite steht daneben und »behandelt« die liegende Gestalt. Eine in Variationen häufig auftretende Gruppierung: Die stehende schneidet an der liegenden Person herum. In einigen Fällen hat der »Operateur« bereits mit einem Messer des »Patienten« geöffnet.

Die dargestellten Szenen variieren... und ähneln einander doch sehr. Ich fühle mich in ein steinernes Figurenkabinett á la Madame Tussaud versetzt... in die Gruselabteilung. Die Wesen aus grauem Ton sind – anders als in den Wachsmuseen Madame Tussauds – nicht menschengroß, sondern sehr viel kleiner. Bis zu dreißig Zentimeter sind sie hoch, habe ich nachgemessen. Verewigt wurden aber nicht – wie bei Madame Tussaud – prominente Individuen, sondern maskenhaft wirkende Gestalten. Ein ganzes Heer von seltsam uniform wirkenden Akteuren geht da einer blutigen Beschäftigung nach. Hundertfach, ja tausendfach wird da operiert oder seziert. Die Gestalten mit den Messern erinnern weniger an mitfühlende Ärzte, die Kranken zu helfen versuchen. Sie wirken mehr wie gefühlskalte Wissenschaftler, die menschliche Wesen als Versuchskaninchen missbrauchen und aus Forscherdrang öffnen und zerstückeln. Sind es überhaupt Menschen? Ihre Gesichtszüge wirken seltsam fremdartig.

Hunderte, ja Tausende von diesen Wesen habe ich in Prof. Cabreras geheimem Korridor gesehen. Sie standen dicht an dicht gedrängt. Eigentlich hätte ich einige Wochen lang Stück für Stück fotografieren müssen. In verstaubten Kartons entdeckte ich stark beschädigte Figürchen und nicht näher zu identifizierende Bruchstücke. Prof. Dr. Cabrfera: »Ich kann nur einen kleinen Teil der gut erhaltenen Figürchen ausstellen. Die Bruchstücke zusammenzufügen... dazu fehlt mir die Zeit!«

Immer wieder hat mir der Wissenschaftler versichert: In einer Höhle lagern Zigtausende solcher Figuren. Aus Platzmangel könne er in der geheimen Abteilung seines Museums nur einen kleinen Bruchteil seiner Figuren präsentieren. Nach Schätzungen von Professor Dr. Javier Cabrera Darquea haben die Einheimischen etwa 50.000 archäologische Objekte ausgraben. Er selbst, und auch das beteuerte er mir immer wieder, will in einem »unterirdischen Tunnel« schätzungsweise 100 000 der mysteriösen Objekte gesehen haben. »Um diese Schätze der Nachwelt dauerhaft erhalten zu können, ist ein großes Museum erforderlich. Die kostbaren Artefakte müssen fachgerecht geborgen, gesäubert, katalogisiert und unter idealen Bedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) ausgestellt werden.«

Professor Dr. Javier Cabrera Darquea (1924-2001) ist weltweit für seine ungewöhnliche archäologische Sammlung bekannt. Robert Charrox berichtete bereits 1974 in seinem Buch »L’enigme des Andes« über das Museum von Prof. Cabrera. Die deutsche Übersetzung erschien 1974 unter dem Titel »Das Rätsel der Anden«: Es gibt keinen Hinweis auf die eigentliche Sensation... auf das Horrorkabinet des Dr. Cabrera. Dr. Cabrera versicherte mir: »Die Zeit war noch nicht reif!« Ob sich die Wissenschaft jemals mit den archäologischen Objekten aus der Sammlung Cabreras auseinandersetzen wird. Wird sie es tun? »Sie muss es!« meinte Prof. Cabrera immer wieder. Ich habe da meine Zweifel. Nach Cabrera sind die Artefakte seines Museums »viele Jahrtausende alt«. Sollten sie echt sein, müsste die Geschichte der Menschheit in Teilen komplett umgeschrieben werden. Denn bislang sind Ärzte, die vor Jahrtausenden im »alten Peru« chirurgische Eingriffe vornehmen konnten.... in den Annalen der menschlichen Historie nicht vorgesehen. Werden wir die monströs-mysteriösen Figürchen je wie ein Buch lesen können?

Genau davon aber ist Prof. Cabrera überzeugt. Ob die Tonfiguren vielleicht Menschenopfer zeigen? Haben Priester vor Jahrtausenden Menschen rituell geopfert... und nicht operiert? Diese Vermutung weist Prof. Cabrera weit von sich. Prof. Cabrera, ein direkter Nachfahre des Stadtgründers von Ica Captain Don Gerónimo Luis de Cabrera y Toledo, war selbst geachteter und beliebter Mediziner. »Sehen Sie doch genau hin!« fordert er mich fast barsch auf. »Was sehen Sie da?« Tatsächlich scheint da einem Menschen das Herz aus dem Leibe geschnitten worden zu sein. »Ein Menschenopfer also?« frage ich. Eine andere Tonplastik zeigt, wie das Herz medizinisch versorgt wird. Ein Wesen hält es in den Händen. Von einer dicken Vene führt so etwas wie ein Schlauch in ein Gefäß.

Prof. Dr. Cabrera macht mich auf ein weiteres Ensemble aufmerksam. Was ich da sehe, verschlägt mir den Atem. Was wird da in Tonplastik dargestellt? Was diente den Künstlern einst als Vorlage? Wird da einem menschlichen Körper das Herz entnommen, einem anderen Menschen die Brust geöffnet... dem Empfänger des Herzens? Wird da eine Herztransplantation gezeigt? »Unmöglich... das kann doch nur unmöglich sein...« drängt es mich, Prof. Cabrera zu entgegnen. Handelt es sich um eine Fälschung? Ein religiöses Menschenopfer, daran gibt es keinen Zweifel, stellt die Plastik nicht dar: Ich muss Prof. Cabrera recht geben. So sieht kein primitives Menschenopfer für die Götter aus. Da werden tatsächlich Menschen von Chirurgen operiert. Werden Herzen verpflanzt? Wer aber soll vor Jahrtausenden im »alten Peru« bereits Menschen am Herzen operiert haben? Und wer soll schon Herzen transplantiert haben? Prof. Cabrera ist davon überzeugt: Es gab im Gebiet des heutigen Peru vor vielen Jahrtausenden eine fortgeschrittene, hoch stehende Zivilisation, eine Urkultur, lange vor der unseren.

Die Kunstwerke scheinen eine Geschichte zu erzählen. Können wir die Tonfiguren wie ein Buch lesen und verstehen?

Viele Jahre war lediglich Prof. Cabreras Sammlung garvierter Steine bekannt. Die Tonfiguren hielt er noch geheim. Tausende und Abertausende Steine mit Tausenden und Abertausenden von Gravuren waren in Cabreras Museum in Ica am »Plaza de Armas« zu sehen – mit teilweise phantastischen Motiven. Unter anderem wurden auch hochkomplizierte chirurgische Eingriffe gezeigt: mit einer Fülle von Details, die die Tonkünstler als dreidimensionale Plastiken nicht mit der gewünschten Präzision verewigen konnten. Das ließ das grobe Tonmaterial einfach nicht zu. Also ritzten sie offenbar Zeichnungen in harten Stein, mit unvergleichlich mehr an deutlich zu erkennenden Einzelheiten. Plastiken und Ritzzeichnungen stellen immer wieder ähnliche Motive dar. Plastiken und Ritzzeichnungen dürften annähernd zur gleichen Zeit entstanden sein. Wann?

Schon im Sommer 1967 führte die »Compania Minera Mauricio Hochschild« eine Untersuchung von gravierten Steinen aus der Sammlung von Prof. Cabrera durch. Verantwortlich zeichnete der Geologe Dr. Erik Wolf. Der Wissenschaftler analysierte die Oxydationsschichten, die sich auf den Einritzungen gebildet hatten. Diese Schichten liegen auf oder über den Gravuren. Die eingeritzten Zeichnungen sind also von einer hauchdünnen natürlichen »Glasur« überzogen. Keine Frage: Die Gravuren müssen also älter als die Oxydationsschichten sein.

Auch wenn es fast unmöglich ist, das Alter der Ritzungen direkt zu bestimmen... so hilft es doch, die Oxydationsschicht zu datieren. Das Ergebnis verrät uns, wie alt die eingravierten Bilder mindestens sind. Neben Dr. Erik Wolf hat auch das »Institut für Mineralogie und Petrographie an der Universität Bonn« Tests durchgeführt. Ergebnis: Die Gravuren müssen vor mindestens 12 000 Jahren in den Stein geritzt worden sein. Sie sind also zwölf Jahrtausende alt... oder älter.

Foto Cabrera/Langbein: Ingeborg Diekmann
Alle sonstigen Fotos: Walter-Jörg Langbein
Copyright: Walter-Jörg Langbein


Adresse des Museums: »Museo de Piedras Grabadas de Ica«, Bolívar 170, Plaza de Armas Ica, Peru
Das Museum wurde nach dem Tod von Prof. Javier Cabrera Darquea weitergeführt.
»Dr. Cabreras gravierte Steine«,
Teil 14 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«,
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 18.04.2010

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