Montag, 12. April 2010

Gewebe der Zeit

Rätselhafte Gefühle, berauschende Momente, Herzflimmern und Verzweiflung. Hauchzarte Gespinste von Träumen hervorgerufen und dazu verdammt beim leichtesten Atemzug zu zerfallen. Gewebe, so fein gesponnen, dass ein Luftzug genügt um sie zu zerstören und doch sind sie es, die uns am Leben erhalten, uns immer wieder Mut machen. Netze gewoben aus filigranen Materialien, die einem Märchen entsprungen zu sein scheinen. Welch großartige Magie kann solch Meisterwerk der Phantasie zustande bringen, legt den Zauber des Überirdischen über unser zerbrechliches Herz und unsere empfindsame Seele läßt Träume vor unserem geistigen Auge aufsteigen, an die wir uns klammern, gibt uns Hoffnung auf ein wenig von dem Erhofften und stürzt uns ins tiefste Tal des Jammers.

Gewebe der Zeit lassen keinen Rückschluß auf unerfüllte Hirngespinste zu, verzweifeltes Warten, unausgesprochene Worte und nie wahr gewordene Vorstellungen. Der Faden wird uns zum Zeitpunkt unserer Geburt aus der Hand genommen und von einem anderen, höheren Wesen geführt. Welch edles Netz es spinnt ist unvorhersehbar, doch weh dem, der an einen unfähigen Weber gerät, dem sei großes Leid prophezeit. Kein Entrinnen möglich, die Spule des Lebens liegt in einer fremden, unbeeinflußbaren Hand, die ihre Fäden fleißig durcheinander wirbelt und Muster entstehen läßt, die uns vielleicht gar nicht in dem Kram passen wollen. Nur der Tod kann den Lauf der Windungen, Knoten und Nahtstellen beenden und erlöst uns von dem Netz, das so gar nicht auf unseren Leib zugeschnitten ist.

Das Wesen, das die Spule meines Geschicks in der Hand hält, hat mich durch seine handwerkliche Fehlinterpretation meiner Träume und Hoffnungen dazu verdammt, selbigen immerzu hinterherzulaufen und sie scheinbar niemals einzuholen. Die Gewebe der Zeit raubten mir Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat und Jahr um Jahr meines unerfüllten Lebens. Das Netz, das um mich herum gewoben wurde begann mich bereits einzuengen, drückte mir die Luft ab, beraubte mich jeglichen Glaubens, nahm mir meine liebsten Träume und gab mich der Verdammnis preis.
„Oh Schicksal, laß den Faden zerreißen, schlag diesem Stümper die Spule aus der unfähigen, verkrüppelten, gichtgeplagten Hand, oder gib meinen weiteren Lebensweg in fähigere, geschicktere Finger, die mir ein wenig Zufriedenheit zugestehen und das Netz ein kleines bißchen nach meinem Geschmack ausschmücken“, so bat ich an vielen Tagen.

Manch Werk ist derart zart, dass es im frühesten Schaffensstadium zerstört und ein Neubeginn ermöglicht wird. Doch die Falle in der ich saß wurde, wie es schien, mit unverwüstlichen Hanfseilen gefertigt, hielt ein halbes, unerfülltes Leben allen Widrigkeiten stand und war so eng, dass es kein Entrinnen gab. Ich konnte nur stillhalten und den verhaßten Lauf der Spule verfolgen, abwarten wann der nächste Knoten geknüpft wird und ich wieder einen blauen Fleck von den Druckstellen bekomme, die er in meinem Fleisch hinterläßt, wie all die Knoten vor ihm.

„Gebt mir eine Schere und ich zerschneide dieses Gespinst aus Bosheit, verlorenen Träumen, Verlusten und Resignation. Befreie mich von den klebrigen Fäden des Geschicks, nehme die Spule in die eigenen Hände, werfe sie hoch in die Luft, fange sie wieder auf und ziehe meine Fäden ganz nach dem eigenen Geschmack. Lasse Formen und Farben entstehen, die mich glücklich machen, die mir ein Lachen entlocken, mein Herz erwärmen, meinen Geist schärfen, werde mein eigener Künstler“, so forderte ich den Weber des Schicksals heraus.

Gewebe der Zeit, ihr hattet mich in eurem teuflischen Netz gefangen. Lange zappelte ich und wehrte mich gegen deine Unfähigkeit, doch irgendwann regte ich mich nicht mehr und der letzte Widerstand erstarb. Ihr dachtet, ihr hättet die Schlinge endgültig zu eng gezogen, jede Hoffnung erstickt in eurem Gespinst aus peinlichen Fehlern und Fettnäpfchen für jede Gelegenheit. Dachtet ich wäre zur Marionette geworden, hänge hilf- und willenlos an euren Fäden und ließe mich von einem fremden Willen in Bewegung versetzen.

Aber ihr habt euch getäuscht, ich zertrennte die Fesseln dieses Gewebes, begann mein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Nun führe ich die Spindel und erschaffe selbst ein Netz aus Kreativität, Zufriedenheit und Liebe. Nie wieder werde ich mir diese Spindel aus den Händen nehmen lassen. Ich bin der Herr über meine Zukunft, kann sie kreativ gestalten und plötzlich erfüllen sich Träume. Das Leben erhält einen ganz neuen Sinn, endlich gehe ich meinen Weg.




©Sylvia Seyboth



Meine Internetseite:http://www.sylviaseyboth.cms4people.de/


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