Freitag, 3. Juni 2011

Jörg Kachelmann und Alice Schwarzer – Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Freispruch in dubio pro reo für Jörg Kachelmann. Damit geht ein bizarres Medienschauspiel, gestrickt aus Gerüchten, Vermutungen und ungeniertem Voyeurismus langsam seinem Ende entgegen. Nach Auffassung des Gerichts ist nicht mehr zu klären, was in der besagten Nacht nun eigentlich geschehen ist. Eine Beweislage, die zwingend einen Freispruch erfordert, wenn wir nicht in die Zeit der Hexenprozesse zurückkehren oder psychopathischen Richtern von der Art eines Roland Freisler neuen Auftrieb geben wollen.

Alice Schwarzer, die seit Prozessbeginn als Beobachterin über den Fall berichtete, schreibt in ihrem Blog:

»Sie [die Stellung des Angeklagten im deutschen Recht] ist sehr stark – und geht in einem solchen Fall eben auf Kosten der (mutmaßlichen) Opfer.« (Zitat Ende.)
.
Schwarzer beschreibt das deutsche Recht als »strukturell täterorientiert«, was sich dringend ändern müsse. Leider geht sie nicht im Einzelnen darauf ein, wie sie sich eine Änderung vorstellt. Will sie auf eine Beweislastumkehr im Fall von Sexualdelikten hinaus? Müsste künftig jeder Angeklagte dezidiert beweisen, dass er die Tat eben NICHT begangen hat? Wie belegt man im Einzelfall, dass man etwas NICHT getan hat?

Mit ihrer Rolle als öffentliche Beobachterin des Falles Kachelmann hat sich Schwarzer nach meiner Ansicht die falsche Baustelle ausgesucht. Im juristischen Sinne ging es hier nicht um den Geschlechterkampf, sondern darum, ob die Täterschaft Kachelmanns zweifelsfrei feststeht. Hätte die Nebenklägerin ihn des Taschendiebstahls statt der Vergewaltigung beschuldigt, wäre das nicht anders gewesen.

Durch das Auftreten Alice Schwarzers bekam der Prozess eine Grundsätzlichkeit, die ihm aufgrund der Faktenlage überhaupt nicht zukam. Der Umgang des Gerichts mit dem Fall Kachelmann wurde so zum gesellschaftlichen Gradmesser, sollte beweisen, wie »Täter« (= Männer) gegenüber »Opfern« (=Frauen) bevorzugt werden.

Mutige Menschen wie Alice Schwarzer sollten sich nicht für eine Farce verschwenden, wie der Kachelmann-Prozess sie darstellte. Eine Farce deshalb, weil das zugrunde liegende Problem juristisch nicht lösbar ist, welches lautet: Wie ist es dazu gekommen, dass Frauen auf die Opferrolle abonniert sind? Wie kann das sein, dass auch heute noch viele Frauen wie Kaninchen auf die Schlange starren, statt ihren Raum zu beanspruchen und sich im Zweifelsfall mit Zähnen und Klauen zu verteidigen? Und wie kommt es, dass gerade eine Feministin wie Alice Schwarzer wiederholt betont, Kachelmann habe sein gegebenes Eheversprechen nicht eingehalten? Was kommt als Nächstes? Die Einforderung des Kranzgeldes mit feministischer Unterstützung?

Jeder Mensch hat das Recht, sich nach Kräften verarschen zu lassen. Sich elf Jahre hinhalten zu lassen und seine Hoffnungen an einen anderen zu knüpfen, statt an die eigene Stärke. Für mich ist der Sermon von der armen, schwachen Frau per sé nur noch schwer lesbar. Ich empfinde ihn als persönliche Beleidigung.

Alice Schwarzer hat in ihrem Leben viel Wichtiges angestoßen. Nicht zuletzt ihr Wirken hat die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter vorangetrieben. Nun sollte sie ihren Einfluss dazu nutzen, den Frauen ihre Stärke bewusst zu machen. Denn klar ist für mich eines: Wer als erwachsener Mensch im eigenen Bett vergewaltigt wird, hat offenbar irgend etwas nicht richtig verstanden …

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