Das Abendmahl von Kirchbrak Foto W-J.Langbein |
Im Zentrum des Altars, ja der Kirche steht das barocke Abendmahl eines unbekannten Künstlers einer unbekannten Schule. Es handelt sich bei der farbenprächtigen Darstellung nicht um ein Gemälde, sondern um ein bunt bemaltes, in Holz geschnitztes Halbrelief. Der Altar in seiner Gesamtheit stellt biblische Geschichten da, man kann ihn auch als Analphabet wie ein Buch lesen. Ganz unten wird Jesu Geburt, romantisch verklärt, im »Stall von Bethlehem« gezeigt. Darüber folgt - als weitaus größte Darstellung - das »Heilige Abendmahl«. Hebt man den Blick weiter, so erkennt man – wieder sehr viel kleiner - den Gekreuzigten und schließlich den Auferstandenen.
Wenden wir uns wieder dem Abendmahl zu. Es mag in Anlehnung an Leonardo da Vincis weltberühmtes Gemälde geschaffen worden sein. Jesus sitzt – wie bei Leonardo da Vinci – an einer langen Tafel. Er blickt zum Betrachter. Jesus thront auf einem Sessel mit goldener Lehne. Bei näherem Betrachten erkennt man Geheimnisvolles! Die »Lehne«, teilweise von Jesus verdeckt, hat die Gestalt eines fünfzackigen Sterns. Dieses uralte Symbol steht für die Göttin Venus!
Jesus vor dem Stern der Venus Foto W-J.Langbein |
Jesus hat seine Jünger um sich geschart. Es müssten zwölf sein. Oder sollte Judas die Runde bereits verlassen haben? Dann wären elf Jünger zu erwarten. Wir zählen nach und stellen erstaunt fest ... Es sind nicht zwölf, auch nicht elf ... sondern dreizehn Jünger, die am letzten Abendmahl teilnehmen.
Wer ist der dreizehnte Jünger ... und wo sitzt er? Hat der Künstler den 13. Jünger irgendwie anders gestaltet als die übrigen Jünger? Unterscheidet er sich von den Zwölfen? Jesus ist mit Bart dargestellt. Das entspricht der historischen Realität. Zu Jesu Zeiten waren alle Männer bärtig. Betrachten wir nun die übrigen Jünger, so stellen wir fest, dass sie alle mit Bart dargestellt sind ... bis auf einen. Der bartlose Jünger ... unterscheidet sich auch in der Kleidung von den anderen Männern. Bei allen Bärtigen sind die Arme nackt, sie haben ärmellose Hemden an. Der 13. Jünger ist bartlos und hat bedeckte Arme. Es galt als unschicklich, wenn eine Frau in der Öffentlichkeit ihre bloßen Arme zeigte. Meine Erklärung: Der 13. Jünger ist – bartlos und mit keusch bedeckten Armen – eine Frau!
Dan Brown identifizierte in seinem Weltbestseller »Das Sakrileg« einen bartlosen, sehr femininen Jünger in Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde vom Letzten Abendmahl als Maria Magdalena. Von christlich-theologischer Seite wurde er heftig kritisiert. Es handele sich um Jesu Lieblingsjünger Johannes, der ob seiner Jugend noch keinen Bart trug. Als ich in meinem Buch »Das Sakrileg und die Heiligen Frauen« (1) als erster Autor überhaupt auf das Sakrileg von Kirchbrak hinwies, erntete ich zum Teil heftige Kritik. Als ich den »13. Jünger« als Maria Magdalena identifizierte, bekam ich auch zu hören, es handele sich vielmehr um den Lieblingsjünger Jesu, um Johannes ... und nicht nicht um eine Frau. Zunächst muss konstatiert werden, dass der »Lieblingsjünger Jesu« im »Neuen Testament« nicht namentlich genannt wird. Im »Evangelium nach Johannes« (2) heißt es: »Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus liebhatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte ... Da lehnte er (der Lieblingsjünger) sich an die Brust Jesu ...«
Betrachten wir nun nochmals das »Abendmahl« von Kirchbrak: Der 13. Jünger schmiegt sich im Bildnis nicht an Jesu Brust. Kurzum: der 13. »Jünger« kann nicht der männliche Lieblingsjünger sein. Meine Überzeugung: »der 13. Jünger« in der Abendmahlsdarstellung von Kirchbrak ... ist eine Frau. Welche Frau aber könnte beim Abendmahl zugegen gewesen sein können? Welche Frau zeigt der unbekannte Künstler von Kirchbrak? Ist es Maria, Jesu Mutter? Nein! Die Frau ist sehr jugendlich, wirkt sehr viel jünger als Jesus. Wenn nicht Jesu Mutter auf dem Bildnis vom Abendmahl zu sehen ist, wer dann? Ich behaupte: Es ist Maria Magdalena!
Im »Evangelium nach Philippus« steht tatsächlich jener glasklare Satz, den Dan Brown durch seinen Weltbestseller »Sakrileg« berühmt gemacht hat. Da heißt es - im »Evangelium nach Philippus« - über Maria Magdalena und Jesus (3):
»Der Messias liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger und er küsste sie oftmals auf ihren Mund.« Dan Brown löste Empörung mit diesem Zitat aus. Jesus ... küsste eine Frau? Undenkbar! Ich verstehe die Aufregung um dieses Detail bis heute nicht: Nach christlichem Glauben war Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott. Wenn er wahrer Mensch war, dann hatte Jesus auch eine sexuelle Seite. Das wollen aber bis heute fundamentalistische Christen nicht wahrhaben. Und so werden die Küsse Jesu einfach weg erklärt. Sie seien natürlich nicht sexueller, sondern theologisch-spiritueller Art gewesen!
Die puritanischen Theologen wollen unbedingt einen asketischen Jesus und verschweigen geflissentlich einen konkreten Hinweis im »Evangelium nach Philippus«, der den Unsinn vom unerotischen Kuss widerlegt (4): »Denn die Vollkommenen werden durch einen Kuss schwanger.« Wenn man von Küssen schwanger werden kann, werden wohl keine spirituellen Handlungen umschrieben.
Aber selbst wenn Jesu Küsse für Maria Magdalena gänzlich unerotisch waren ... der vielleicht noch wichtigere Teil des Satzes aus dem »Evangelium nach Philippus« ist in seiner Aussage ganz eindeutig: »Der Messias liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger ...« Jesus zog Maria Magdalena den übrigen Jüngern vor! Wenn also eine Frau beim »letzten Abendmahl« zugegen war ... dann Maria Magdalena!
Pikanter wird es in den verbotenen »Philipps-Akten«. Da wird – dezent verschlüsselt – von einer Schwangerschaft Maria Magdalenas berichtet. Ist für fundamentalistisch-orientierte Christen Jesu Intimleben schon ein Tabu, ja nicht existent ... dann muss für sie eine Schwangerschaft Maria Magdalenas das absolute Sakrileg sein! Aber es heißt nun einmal im griechischen Text der »Philippus-Akten« , dass Jesus zu Maria Magdalena sagte (5): »Ich weiß, dass du gut und mutig bist und gesegnet unter den Frauen.«
Die Anspielung auf das »Evangelium nach Lukas« ist unverkennbar. Da ruft Elisabeth laut aus, was sie von Maria (Jesu Mutter) weiß (6): »Gesegnet (gebenedeit) bist du unter den Weibern und gesegnet (gebenedeit) ist die Frucht deines Leibes.« Das Evangelium nach Lukas umschreibt Marias Schwangerschaft mit »gebendeit bis du«. Jesus benutzt die gleichen Worte. Er lobt Maria Magdalenas Mut und erklärt zu wissen, dass Maria Magdalena »gesegnet« (»gebendeit«) unter den Weibern sei ... also schwanger. Liegt da nicht die Vermutung nahe, dass Maria Magdalena von Jesus schwanger war? Dann wundert es uns nicht, dass Maria Magdalena beim »letzten Abendmahl« zugegen war.
Theologischer Einwand: Frauen durften beim jüdischen Passach-Fest nicht zugegen sein! Da Jesus mit seinen Jüngern eben dieses Passach-Fest feierte, kann keine Frau daran teilgenommen haben. Dieses Argument träfe zu, wenn Jesus mit seinen Jüngern wirklich das Passach-Fest zelebriert hätte. Wie aber aus den biblischen Evangelien hervorgeht, fand die Kreuzigung Jesu so statt, dass sein Leichnam zum Passach-Fest nicht mehr am Kreuz hing. Daraus geht hervor, dass Jesus vor dem Passach-Fest mit seinen Jüngern ein letztes Mal zusammen saß und mit ihnen aß. Es war sein Abschied, wusste er doch, dass er schon sehr bald hingerichtet werden würde. Bei diesem Abschiedsessen aber durfte Maria Magdalena auf keinen Fall fehlen ... die Frau, die Jesus mehr liebte als seine männlichen Jünger!
Je intensiver man sich mit dem »Abendmahl« von Kirchbrak beschäftigt, desto geheimnisvoller wird es. Nach Jahren intensiver Auseinandersetzung mit der mysteriösen Bild bin ich davon überzegt ... die Realität ist manchmal faszinierender als die Fiktion. Das wirkliche »Sakrileg« ist nicht Leonardo da Vincis Abendmahl ... sondern das von Kirchbrak ...
Empfohlene Lektüre
Walter-Jörg Langbein: Maria Magdalena
Fußnoten
2: Evangelium nach Johannes Kapitel 13, Verse 23-25
3: Wort 55b
4: Wort 31
5: »Philippus-Akten« zitiert nach Brock, Ann Graham: »Mary Magdalene, The First Apostle«, Cambridge 2003, S. 125
6: Evangelium nach Lukas Kapitel 1, Vers 42
»Das Geheimnis der Dienerin«,
Teil 79 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 24.7.2011
Teil 79 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 24.7.2011
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