Ich stehe vor der »Monstermauer« von Ollantaytambo im südlichen Peru. Tonnenschwere Steinkolosse trotzen seit uralten Zeiten Wind und Wetter. Sintflutartiger Regenschauer macht das Fotografieren schwer. Regennass glänzen die Steinquader. Sie wurden ... davon bin ich überzeugt ... lange vor der Epoche der Inkas zusammengefügt. Von wem? Wann? Warum?
Als Kind versuchte ich herrlich exotische Namen wie »Ollantaytambo« richtig auszusprechen. Sehnsüchtig studierte ich Karten Südamerikas. Ich träumte von Reisen in jene fernen Gefilde ... Jetzt sitze ich hoffnungsvoll im Minibus. Bei strahlendem Sonnenscheint geht’s am Rio Patacancha entlang. Wir erreichen den Urubamba. Am Südufer erkenne ich die kleine Bahnstation von Pachar. Hier macht der Zug von Cuzco nach Machu Picchu Halt.
Das Dörfchen Ollantaytambo hat sich seit meinem letzten Besuch nicht verändert. Lehmhütten stehen auf altehrwürdigen Inka-Mauern. Kaum steige ich aus dem Bus, ziehen sich auch schon Wolken zusammen ... pechschwarze ... und es schüttet vom Himmel. Warum regnet es fast immer, wenn ich nach Ollantaytambo komme?
Ich hole meine Regenjacke aus dem Rucksack, verstaue die beiden Kameras darunter ... und los geht’s. Zügigen Schritts will ich die steinerne Treppe erklimmen. Auf einer Höhe von 2800 Metern über dem Meer komme ich bald in Atemnot ... Weiter ... weiter ... Mir kommt es so vor, als zöge sich der steile Weg entlang der künstlich angelegten Terrassen endlos hin. Sind es zweihundert Stufen oder 2000?
Ein Weg führt von der Treppe nach links ab. Ich folge ihm und entdecke eine Steinwand mit Nischen. In ihnen sollen einst goldene Statuen von Göttern der Inkas gestanden haben, heißt es. Manche übersetzen den Namen »Ollantaytambo« mit »Speicher meines Gottes«. Ich muss gestehen, eine der Nischen zu einem profanen Zweck missbraucht zu haben ... um die vollen Filme aus meinen beiden Kameras zu nehmen und neue einzusetzen.
Weiter geht es ... zurück zur Treppe ... und nach oben. Plötzlich stehe ich (wieder einmal) vor dieser »Monstermauer«. Die tonnenschweren Steinkolosse sind millimetergenau aufeinander gesetzt worden. Um genau zu sein: Sechs je rund 50 Tonnen schwere Steinkolosse wurden auf der anderen Seite des Urubamba-Flusses von einem Steinbruch am Berg ins Tal geschafft, über den Fluss gebracht und wieder den Berg empor bis an ihren heutigen Platz geschleppt. Sie wurden bearbeitet und millimetergenau angepasst und so zusammengefügt, dass keine Messerklinge zwischen die Steine passt!
Ich schreite die Mauer ab. Sie ist etwas über dreizehn Meter lang. In der Höhe variieren die sechs Porphyr-Kolosse leicht. Der größte hat folgende Ausmaße ... Höhe 3,96 Meter, Breite 2,13 und Tiefe 1,67 Meter. Messen kann ich nur die Dicke des ersten und des sechsten Steines. Die anderen dürften aber ganz ähnliche Maße haben.
Welchem Zweck diente die Mauer? Als Verteidigungswall macht sie keinen Sinn. Vermutlich ist sie Teil eines Tempels, der allerdings nie fertig gestellt wurde. Im Flussbett des Urubamba ruht seit vielen Jahrhunderten ein Steinriese, der jenen der Mauer sehr ähnelt. Er sieht ganz so aus, als habe man ihn irgendwie an die Mauer anfügen wollen. Allerdings ist er wesentlich größer als die schon riesigen Steinquader. Der Stein der Superlative wird auf 250 Tonnen geschätzt. Die Steinmetzen haben ihm vom Steinbruch hinab ins Tal geschafft. Stürzte er beim Überqueren des Flusses in die Fluten und konnte nicht mehr geborgen werden? Oder wurden die Arbeiten urplötzlich abgebrochen?
1536 belagerten die Spanier Cuzco. Wacker hielten die Inkas den Attacken der Europäer stand. Inkaherrscher Manku Qhapaq II. hatte sein Quartier in Ollantaytambo aufgeschlagen. Hernando Pizarro befahl den Angriff auf die Festung. Die Spanier rückten mit 30 Soldaten zu Fuß und 70 zu Pferde an, begleitet von einem großen Kontingent einheimischer Hilfstruppen. Pizarro erinnerte sich später: »Wir fanden die Anlage so gut befestigt vor, so dass es ein entsetzlicher Anblick war!« Der nächtliche Angriff schlug fehl. Fast wären die Spanier vollkommen aufgerieben worden, doch den stark dezimierten Truppen gelang die Flucht.
Schmale Steinstäbe zwischen den Riesen Foto: W-J.Langbein |
Manche übersetzen »Ollantaytambo« mit »Speicher meines Gottes«. Andere erklären den Namen ganz anders. Einst habe sich ein örtlicher Stammesfürst in eine der Töchter des regierenden Inka verliebt. Die Verbindung sei nicht standesgemäß gewesen, der lokale Regent probte den Aufstand ... und wurde besiegt. Der Name des rebellierenden Verliebten – angeblich hieß er Ollanta – sei in Ollantaytambo verewigt worden. Einleuchtend ist diese Interpretation nicht.
Warum sollte der Zufluchtsort des Inka-Herrschers Manku Qhapaq II. Ausgerechnet nach einem besiegten Aufständischen benannt worden sein? Es sind die Sieger, die die Geschichtsbücher schreiben. Es sind die Sieger, die Städten und Plätzen ihre Namen verleihen. Die Verlierer werden so gut wie möglich vergessen und nicht geehrt ... Schon gar nicht benennt man den Ort, wo die Inka die Spanier schlugen, nach einem verachteten Inka-Rebellen.
Steinkolosse aus Vorinkazeiten Foto W-J.Langbein |
Meine Meinung: Die romantische Liebegeschichte wurde erfunden, um eine »Erklärung« für einen Ortsnamen zu finden ... dessen wirkliche Bedeutung schon vor langer Zeit in Vergessenheit geraten ist!
Gern bezeichneten räuberische Eroberer, die plündernd fremde Kulturen zerstörten, ihre Opfer als »Wilde«. Die eigentlichen »Wilden« aber waren in meinen Augen nicht die Ureinwohner Mittel- und Südamerikas, sondern die »Christen« aus Europa!
Inka-Experten wie John Hemming und Peter Frost (1) gehen davon aus, dass die Inkas »Ollantaytambo« von Vorgängern übernahmen, deren Geschichte gänzlich unbekannt ist. Wenn Touristen nach Ollantaytambo kommen, nehmen sie sich gewöhnlich sehr wenig Zeit.
Wer indes nicht nur einige Minuten vor der wuchtigen Mauer von Ollantaytambo verharrt, sondern die Umgebung – hoch über der Inkastadt Ollantaytambo – erkundet, wird immer wieder auf riesige Steinklötze stoßen, die wohl von den Inkas ... schon vorgefunden wurden! Die Inkas haben einen alten heiligen Ort übernommen. Inka-Mauerwerk ist oft längst schon wieder eingestürzt oder verfallen, während die riesigen Monolithen aus Vorinkubierten nach wie vor den Naturgewalten trotzen! Ich behaupte: Schon die Inkas wussten nichts mit den Steinmonolithen anzufangen ... so wie auch wir heute nach wie vor vor so manchem Rätsel stehen!
Wer auch immer wann auch immer mit solch gewaltigen Steinen hantierte, muss erstaunliche Kenntnisse und Fertigkeiten besessen haben. Fakt ist, dass wir mit heutigen technischen Mitteln solche Kolosse kaum an Ort und Stelle schaffen könnten! Gewaltige Kräne und Sattelschlepper wären erforderlich, die im unwegsamen Gelände von Ollantaytambo nicht eingesetzt werden können.
Ein Steinriese aus uralten Zeiten Foto: W-J.Langbein |
Mir kommt es so vor, als hätten kundige Ingenieure aus uralten Zeiten komplexe Steingebilde anfertigen lassen, die so einem monumentalen Gebäude zusammengefügt werden sollten.
Von »primitiv« kann jedenfalls angesichts so manches Steinwunders nicht gesprochen werden. Warum können wir, zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus, nicht einfach zugeben... dass wir vor einem Rätsel stehen? Lässt das unsere Überheblichkeit nicht zu?
Unverstandene Technologie in Stein Foto: Walter-Jörg Langbein |
Fakt ist: Die Monstermauer von Ollantaytambo kann Naturkatastrophen überstehen, die moderne Bauten zerstören ... Für die Inkas war das so erstaunlich nicht. Glaubten sie doch, die Bauten von Ollantaytambo seien einst unter Anleitung des großen Schöpfergottes Viracocha errichtet worden. Mit anderen Worten: Die Inkas selbst wussten nicht, wer die monumentalen Steinkolosse verbaute. Sie selbst trauten sich diese Kunst nicht zu, deshalb mussten sie einen mächtigen Gott bemühen ...
Fußnoten
1: Frost, Peter: »Exploring Cusco«, Lima 1989, S.100
Siehe auch Hemming, John: »Monuments of the Incas«, New York 1982
»Das Orakel in der Wüste«,
Teil 84 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 28.08.2011
Teil 84 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 28.08.2011
Walter-Jörg LangbeinWalter-Jörg Langbein zeigt allein an Hand der riesigen Monolithe, dass unsere
AntwortenLöschenErde schon kurz nach der ausgehenden Eiszeit oder sogar noch früher, von
verschiedenen großen Kulturen bewohnt war. Größe , Gewicht und vor allem die Härte
der Steine, erforderten eine moderne Technik. Die fast nie erwähnten Ruinen auf dem Meeresboden des Golfes von Cambay, die Hartgesteinblöcke von Puma Punku in Tiahuanaco oder das Unterwassermassiv Jonaguni bei Japan, beweisen uns , dass die Geschichte der Menschheit viel älter ist als die meisten von uns denken.
Herr Jörg Langbein machen sie so weiter und lassen sie sich von den Skeptikern nicht unterkriegen.
AntwortenLöschenErst recht nicht von denen auf Alien.de.
Die können nur wettern haben aber selbst keine logische Erklärung für diese Monumente die weltweit zu bewundern sind. Ihre Fotos sind beiendruckend und zeigen nur zu gut das mit der offiziellen Geschichtsschreibung einiges im argen ist.
Dann sollte man die Diskussion auch auf Alien.de führen. Sich hier anonym zu echauffieren zeugt von schwachem Charakter und der typischen mangelnden Zeigefreudigkeit der "Gäaubigen", wenn es um Belege geht.
AntwortenLöschenGrüße von Oliver.
Hallo und zuerst einmal: Danke für alle Kommentare. In meiner Eigenschaft als Admin dieses Blogs freue ich mich natürlich über rege Leserbeteiligung. :-)
AntwortenLöschenIm Übrigen bitte ich (rein präventiv) darum, auch im Falle unterschiedlicher Meinungen ein gewisses Niveau nicht zu unterschreiten, da dies hier ein Literaturblog ist. Danke schön!
U. Prem