Freitag, 1. November 2013

Zensur − die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Wird das Hemd der Argumente beschämend kurz, behilft sich so mancher mit einer Flickenhose aus Nebenkriegsschauplätzen, um notdürftig den eigenen Hintern zu bedecken. Das fadenscheinigste Pseudoargument auf diesem Gebiet werden wohl alle Blogbetreiber kennen: Es lautet »Zensur«. Vorgebracht wird es gerne mal, wenn ein Blogger von seinem virtuellen Hausrecht Gebrauch macht und diverse Beleidigungen gegen sich oder Dritte einfach nicht on stellt, was schon aufgrund der redaktionellen Verantwortung hin und wieder vorkommt. Mit »Zensur« hat dies in etwa so viel zu tun wie ein privat ausgesprochenes Hausverbot mit einer offiziellen Ausweisung aus dem Land.

Die wirklich hohe Schule des Zensurgeschreis geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie schmeißt den Vorwurf gerade dann in den Raum, wenn gar keine Löschung stattgefunden hat. So geschehen in dieser Woche auf diesem Blog, wo ein Kommentator namens Michael Folgendes zum Besten gab:

»[…] (Ich habe dazu eine Spottgeschichte geschrieben und an Frau Prem abgeschickt, die aber nicht veröffentlicht wurde. Zu respektlos?) Michael« [Quelle]

Da besagte Spottgeschichte mich definitiv nie erreicht hatte, antwortete ich Michael wie folgt:

»[…] Was Ihre angeblich "zu respektlose" Spottgeschichte angeht, so ist diese leider nicht bei mir eingegangen, weder als Blogkommentar noch als Mail.« [Quelle]

Michael schrieb daraufhin:

»[...] ich weiß nicht, ob sie meine Spottgeschichte wegzensiert oder nicht erhalten haben. Vielleicht war ich zu dusselig beim Übermitteln. Angesichts ihrer kleinlichen Reaktion auf meinen letzten Beitrag spricht aber manches für Zensur. Sei‘s drum. Der Text wird jetzt woanders erscheinen. […]« [Quelle]
  
Michael wendet hier eine beliebte Form der Mutmaßung an, die zur Demonstration von Fairness zwar scheinrelativiert wird (»zu dusselig«), zwei Sätze später aber den Verdacht bekräftigt. Und um den Kohl gar fett zu machen, setzt er später noch einen drauf:

»Ich würde als Blogbetreiber auch zensieren - aber auch zur Zensur stehen, statt in Neusprech von Schimäre zu reden.« [Quelle

Das Thema scheint Michael wichtig gewesen zu sein, denn nicht lange danach wandte er sich per Mail an mich. Aus meiner Antwort an ihn:

»[…] Ob Sie eine Zensurdiskussion anfangen wollten oder nicht: Tatsache ist, dass Sie genau das getan haben! Damit tun Sie mir zuviel der Ehre an, denn Zensur ist nun mal eine Sache für Machthaber, nicht für einzelne Betreiber mittelgroßer Websites ohne marktbeherrschende Stellung, die allenfalls von ihrem virtuellen Hausrecht Gebrauch machen können. Ihren Kreuzzug gegen Gustl Mollath und seinen Anwalt können Sie im Übrigen gerne fortsetzen, gehen Sie jedoch bitte davon aus, dass ich rabulistische Bestrebungen hundert Meilen gegen den Wind riechen kann.«

Dass zumindest die von Michael benannte »Spottgeschichte« tatsächlich existiert, wenngleich ich sie nie erhalten hatte, war leicht zu eruieren: Das inzwischen komplett auf Verschwörungstheorien spezialisierte Opa-Blog veröffentlichte zeitnah den Beitrag eines Michael Stamm, dessen vollen Namen ich bereits aus unserem Mailwechsel kannte. Da ist es naheliegend, dass mit »Spottgeschichte« wohl die Glosse »Alles wird gut« gemeint war.

Die »wohl zu respektlose« Spottgeschichte enthüllt sich als harmloses Geschwurbel auf sprachlich durchwachsenem Niveau: Michael mag wohl schon vor dem Absenden an mich erkannt haben, dass derartig beliebige Faktenfreiheit ihre ureigene Heimat im Opa-Blog hat, konnte aber wohl der Versuchung nicht widerstehen, daraus in einem Aufwasch noch eine Zensurdiskussion hochzuziehen, was er natürlich vehement bestreitet:

»Ich habe nicht über Zensur "kritisch" diskutiert, - würde sie als Bloginhaber auch praktizieren, - sondern über Ihre orwellianische Sprachverwendung.« [Quelle]
  
Tja, Michael hat also nicht nur kein Blog, in dem er Zensur »auch praktizieren würde«; Michael hat auch keinen blassen Dunst von »Sprachverwendung«: Bei seiner Bereitschaft zur absoluten Faktenfreiheit hätte man aus der von ihm so genannten »Spottgeschichte« doch ungleich mehr herausholen können …

- Der Kommentarbereich zu diesem Beitrag ist geschlossen. Ich danke allen Mitdiskutanten für die so entstandene wertvolle Stoffsammlung. - ;-)


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