Samstag, 18. Oktober 2014

Poesie am Samstag

Parabel einer Diagnostik
aus dem Bereich ASS*


Stellen Sie sich vor, Sie sind Mutter geworden und
leben mit Ihrem wenige Wochen alten Kind in einem 50 qm großen Raum.

Der Raum in dem sie sich befinden, hat zwanzig Türen.
Sie sind beschriftet: „Kinderarzt“, „Hausarzt“, „Kindergarten“, „Schule“, „Facharzt“, „Elternhilfe“, „Hilfe für auffällige Kinder“, „Eingliederungshilfe“, „Therapeuten“, „Psychologen“, „Psychiater“, „Fachkliniken“ „Schülerhilfe“ und noch Vielversprechendes mehr.

Ihr Kind schreit ohne Unterbrechung. Tage, Wochen, Monate.
Sie nehmen ihr Kind auf den Arm und gehen zur ersten Tür,
öffnen sie und stehen vor einer Mauer.

Sie wundern sich, denken sich aber noch,
dass die Tür irgendwann aus irgendeinem Grund zugemauert wurde.
Sie gehen zur zweiten Tür. Öffnen sie. Stehen vor einer Mauer.
Sie schütteln den Kopf und gehen zur dritten Tür.
Öffnen sie und stehen vor einer Mauer.
Unruhe ergreift sie.
Ihr Kind ringt nach Luft.
Sie hasten zur vierten Tür. Öffnen sie, dahinter: eine Mauer.
Sie springen zur fünften Tür, reißen sie in ängstlicher Erwartung auf: Mauer.
Sechste Tür: Mauer.

Ihr Kind läuft blau an. Sie sind verzweifelt. Welche der 20 Türen führt hinaus?
So schnell sie können rennen Sie, mit Ihrem Kind im Arm, von einer zur nächsten Tür.
Hinter jeder der zwanzig Türen befinden sich nur Mauern.

Es geht um Geld - nicht um Menschen
Sie legen Ihr um sein Leben kämpfendes Kind in die Mitte des Raumes und laufen verängstigt, aber mit dem Mut der Verzweiflung noch einmal los. Kontrollieren noch einmal alle Türen. Es kann doch nicht sein, dass alle Ausgänge zugemauert sind! Sie werden sich versehen haben!

Eine Runde, zwei Runden, drei Runden, unzählige Runden rütteln Sie an den Türen, rufen, klopfen und kontrollieren sie wieder und wieder.
Es bleibt dabei: Sämtliche Türen sind zugemauert.


Entsetzt, traurig, verzweifelt und am Ende Ihrer Kräfte, an sich selbst zweifelnd, setzen Sie sich zu Ihrem mittlerweile jugendlichem Kind, dessen Atem kaum noch hörbar ist, auf den Fußboden. Sie legen seinen Kopf in Ihren Schoß und streicheln sanft sein schönes Gesicht. Lautlos weinend sacken Sie über ihm zusammen, als es das letzte Mal ausatmet.

Plötzlich springen alle zwanzig Türen gleichzeitig auf.
In jeder Tür steht eine ‚Fachkraft‘ und jede von ihnen zeigt mit dem Finger auf Sie.
Und wie aus einem Munde rufen sie:
„Seht euch diese Mutter an, sie hat ihr Kind erstickt.“


*Autistische Spektrums-Störungen

                                                       © g.c.r. 2013


Inklusion findet statt. Allerdings nur dann, wenn verantwortliche Diagnostik vorausgeht und diese von verantwortlichen Behörden anerkannt wird.
Im Bereich nicht körperlicher Funktionsstörungen sind Defizite nicht nach außen sichtbar. Sie können und werden von verantwortlichen Stellen aus Kostengründen immer wieder wissentlich negiert.Wir haben schöne Gesetze die Unterstützung versprechen, die aber oft nicht zur Umsetzung führen.

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