Teil 28 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Aus der Ferne betrachtet macht der legendäre Nemrud Dag keinen besonders einladenden Eindruck. Er wirkt vielmehr wie ein Berg von vielen in einer unwirtlichen Landschaft.. in einer steinernen Wüste, die ganz und gar nicht zu einem Besuch auffordert. Das graugraue Szenario könnte ohne Probleme als Kulisse für einen morbiden Film über eine lebensfeindliche Hölle auf Erden dienen. Genauso könnte man hier einen Science-Fiction-Film über den Besuch auf einem fernen Planeten drehen.
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Im Bergmassiv des Eski Kahta ließ der stolze Herrscher Antiochus I. die Gräber seiner Ahnen restaurieren. Mysteriös mutet die Botschaft an, die er von Steinmetzen verewigen ließ: »Der große König, Gott, der Gerechte, dem der Götter Entscheidung seine Geltung verlieh, hat im ewigen Gedenken ein unerschütterliches Gesetz der Zeit hinterlassen, indem er einem unantastbaren Monument unsterbliche Botschaften anvertraute.«
Mit dem »großen König«, der zugleich auch »Gott« war, kann sich Antiochus nur selbst gemeint haben. Was aber war mit dem »unantastbaren Monument« zu verstehen? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kennen wir dieses Denkmal. Es dürfte das Ensemble auf der Spitze des Nemrud-Berges gemeint sein. Das Monument auf dem Nemrud Berg war als gigantisches Grabmal für den selbstbewussten König gedacht, bestehend aus einer künstlichen Schotterpyramide, gewaltigen steinernen Thronen mit Göttern darauf und steinernen Reliefs.
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Erdbeben haben dazu beigetragen, dass die Pyramide oben abflachte, die einstige Spitze rutschte wohl im Verlauf der Jahrhunderte nach und nach in alle vier Himmelsrichtungen nach unten. Auch heute noch ersteigen Touristen den künstlichen Berg, obwohl das strengstens verboten ist. Sie treten Steine los, die nach unten rollen.
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Antiochus, der – wie übrigens fast zur gleichen Zeit auch Jesus – den Beinamen »Soter« (Retter, Heiland) trug, scheint an ein leibliches Weiterleben nach dem Tode geglaubt zu haben. Mit seinem Dahinscheiden stieg seine Seele in den Himmel, sein irdischer Leib sollte bis in alle Ewigkeiten erhalten werden. Würden dereinst nach Antiochus Glauben, Seele und Leib wieder miteinander vereint.. zu neuem Leben erwachen?
Als Erfinder der klassischen Pyramide gilt Djoser. Sein Grabmonument entstand um 2650 v.Chr. Solche Pyramiden hatten einen großen Nachteil: So wuchtig sie auch gebaut sein mochten, sie waren alles andere als sicher.Die raffinierten Todesfallen, wie wir sie aus Filmen in der Art von »Indiana Jones« kennen, gibt es in der Realität nicht. Alle Pyramiden Ägyptens wurden längst von Grabräubern »geknackt«. Weil sie – anders als die Pyramide des Antiochos – massiv und fest gebaut waren, boten sie den bestatteten Pharaonen keinen sicheren Schutz. Findige Grabräuber fanden in Ägypten immer den Gang zum Grab im Inneren und plünderten die letzten Ruhestätten.
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Eine Pyramide aus Stein ist denkbar einfach zu »knacken«: Man muss »nur« den Eingang des Ganges zum Grab finden. Dabei kann man mit brachialer Gewalt vorgehen, etwa wie ein Bergmann einen Tunnel in den Leib einer Pyramide treiben. Oder man schlägt systematisch die äußere Steinschicht ab. Das aber ist bei einer Schotterpyramide nicht möglich. Gräbt man sie an... rutschen sogleich Steine nach und verschließen wieder, was man eben geöffnet hat. So haben bis heute weder Grabräuber noch Archäologen die Grabstätte des Antiochus entdecken können.
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Von Malatya geht es hoch in die Berge. Nach rund 100 Kilometern erreichen Sie Ihr Etappenziel: Im Dorf Eski Kahta finden Sie Unterkunft. Hier können Sie übernachten, um morgens oder mittags mit geländegängigem Fahrzeug – möglichst einem Jeep – zum Nemrud Dag zu fahren. Nehmen Sie sich Zeit, um die Atmosphäre auf dem Götterberg zu genießen. Im Schatten der Kolossalköpfe können sie darüber nachdenken, welche Schätze wohl nur wenige Meter von Ihnen entfernt im Inneren der Nemrud-Pyramide ruhen mögen.
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Was steckt in der Pyramide des Antiochos? Werden wir das je erfahren? Sollen wir eine Antwort auf diese Frage suchen... oder Antiochos in Frieden ungestört ruhen lassen? Fragen über Fragen... Als ich die Statuen auf dem Nemrud Berg verließ, dachte ich bei mir: Ach, könnte ich doch euere Gesichter wie ein Buch lesen... Die Statuen aber, sie behielten ihr geheimnisvolles Wissen für sich.
»Das Geheimnis der unterirdischen Städte«,
Teil 29 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 1. August 2010
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