Freitag, 14. Januar 2011

Freitagskolumne: Kommunismus und Kapitalismus – Zwei Seiten einer Medaille

Ursula Prem
Die Vorsitzende der LINKEN, Gesine Lötzsch, plädierte kürzlich in einem Beitrag für die Zeitung Junge Welt offen dafür, mögliche Wege zum Kommunismus auszuprobieren.

Wahrscheinlich können Sie die Frage, ob Ihnen Kommunismus oder Kapitalismus sympathischer ist, in Sekundenschnelle beantworten. Beide Begriffe sind Reizwörter, auf die wir gewohnheitsmäßig reagieren wie die Pawlowschen Hunde, je nach Neigung mit gesträubtem Fell oder triefendem Speichel. Doch bringt uns diese einfache Unterteilung der Welt in Zukunft weiter? Sind nicht vielmehr beide Prinzipien inzwischen derart aufgebauscht und mit meist unrealistischen Vorstellungen besetzt, dass sie nur noch eines können: an die niedrigsten Instinkte der Menschen appellieren? Und ist es nicht sogar fraglich, ob sie jemals etwas anderes waren als der Versuch, für die jeweils Machthabenden legale Möglichkeiten zu erschaffen, von der Leistung anderer zu profitieren, damit sie keinen rechtswidrigen Diebstahl begehen müssen?

Machen wir uns nichts vor: Die Menschen sind in ihren grundlegenden Antrieben gleich. Egal, in welchem System sie leben. Jede in sich geschlossene Gesellschaft, sei es eine Familie, eine Firmenbelegschaft, ein einzelner Staat oder ein bürokratisches Monstrum wie die Europäische Union, besitzt ein in sich unveränderbares Verhältnis verschiedener menschlicher Charaktere. Ein kluger Unternehmer sagte einmal, erfahrungsgemäß seien drei Prozent der Belegschaft Intriganten. Sie hinauszuwerfen habe wenig Sinn, denn dann entwickelten sich sofort drei neue Prozent. Was immer man tue, diese Quote sei nicht wirklich veränderbar.

Unterstellt man, dass solch ein sozialpsychologisches Naturgesetz tatsächlich existiert, lässt es sich auch auf andere menschliche Eigenschaften anwenden: Faulheit und Fleiß, Machtstreben, Schaffensfreude oder Abzockermentalität: Sie alle sind in jeder denkbaren Gesellschaftsform gleich verteilt und werden immer Mittel und Wege finden, sich auszuleben. Der Volksmund hat diesem Prinzip ein einmaliges Denkmal gesetzt, nämlich mit dem Spruch »Dreck schwimmt immer oben!«, der es in wenigen Worten auf den Punkt bringt.

Klar: Jemand mit der Mentalität eines Heuschreckeninvestors würde seine Mitmenschen unter kommunistischen Vorzeichen mit einem unerfüllbaren Plansoll zwiebeln und umgekehrt. Dass er unter anderen politischen Verhältnissen mit bloßen Händen Kartoffeln aus der Erde graben würde, ist mehr als zweifelhaft.

Wer oben steht und wer unten, das ist viel weniger vom politischen System abhängig, als wir es landläufig glauben. So gesehen ist die Unterscheidung zwischen Kommunismus und Kapitalismus eine äußerliche und damit überflüssige. Die Kategorien sollten vielmehr stets von der kleinsten Einheit ausgehend gebildet werden: bezogen auf den einzelnen Menschen. Die Frage sollte also lauten: Nützt die Tätigkeit, für die ein Mensch sein Geld bekommt, der Gesamtheit? Steht seinen Einkünften eine adäquate, wie auch immer geartete Leistung gegenüber, die das Leben eines anderen (oder der Gemeinschaft) leichter, schöner oder sonst wie besser macht? Oder hat er sich lediglich, gleich einem Vampir, zwischen Geldquelle und Leistungserbringer geschaltet, ohne selbst einen nenneswerten Mehrwert zu erbringen?

Vergessen wir also Kommunismus und Kapitalismus. Es sind nichts als unbrauchbare Kategorien, die schon gestern nicht wirklich funktioniert haben. Wie sollten sie es heute, in einer immer unübersichtlicheren Welt? Fangen wir lieber bei uns selbst an und fragen wir uns, wofür wir unser Geld bekommen …


Meldung zum Thema auf t-online:

Ein Buchtipp zu Thema:


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2 Kommentare:

  1. Hallo Ursula,
    zu deinem Artikel fällt mir sofort unser Gastautor Wolf-Gero Bajohr ein, der sich Zeit seines Lebens mit genau diesen Strukturen beschäftigt und einige lesenswerte Bücher dazu verfasst hat.
    Ich sehe es auch so, dass das Streben nach größtmöglicher Gerechtigkeit hinsichtlich Leistung und Belohnung/Bezahlung sein muss. Und das zum Wohle der ganzen Gesellschaft. Auch wenn es wohl global gesehen nie eine völlige Gerechtigkeit geben kann, so ist es um so wichtiger, immer wieder den Weg dorthin zu suchen und zu gehen.
    Wolf-Gero Bajohr bieten in seinen Büchern eine Fülle von Ideen und Möglichkeit auf dem Weg in eine gerechtere Leistungsgesellschaft.
    "Kapitalismus oder Leistungsgesellschaft - Gesellschaftskritische Gedanken" ist druckfrisch jetzt im Buchhandel.

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  2. Hallo Grete,

    au, ein neues Buch von Wolf-Gero Bajohr? Das wusste ich ja gar nicht. das schau ich mir gleich mal an ...
    Danke für den Komm und den Tipp!

    AntwortenLöschen

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