Teil 11 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Die Zugänge in diese Unterwelt, die sich in mehreren Etagen weit über die Grenzen der einstigen Metropole hinaus erstreckt haben soll, endeten in Gebäuden aus der Vor-Inkazeit. Die Inkas übernahmen diese Bauwerke, vielleicht auch die gigantischen Tunnelanlagen. Und die spanischen Eroberer errichteten Kirchen auf den uralten Mauern. Die Tunnels müssen ihnen bekannt gewesen sein. Verschiedentlich haben mir Priester in weihrauchgeschwängerter Kirchenatmosphäre gezeigt, wo sich hinter Altären noch Eingänge in die Unterwelt befinden sollen. Andere Geistliche leugneten die Existenz der unterirdischen Anlagen. Ein Priester meinte mit erhobenem Zeigefinger: »Natürlich gibt es diese Gänge im Felsgestein nicht. Außerdem ist es viel zu gefährlich, sie zu erkunden!« Ein anderer behauptete: »Vor Jahrhunderten hatten die Menschen Angst. Sie glaubten, Teufel könnten aus der Hölle an die Erdoberfläche kommen. Sie zerstörten deshalb die Zugänge zu den Tunnels. Viele dürften zudem sowieso im Lauf der Jahrhunderte eingestürzt sein!«
1533 war der Herrscher der Inkas Atahualpa Gefangener der Spanier. Francisco Pizarro bat Inkaherrscher Atahualpa um ein Treffen in Cajamarca, wo der mächtige Regent die heißen Schwefelbäder genoss. Als Atahualpa auf einer goldenen Sänfte zum Marktplatz getragen wurde, war kein spanischer Soldat zu sehen. Die Komplizen Pizarros beobachteten aus ihren Verstecken das Geschehen. Der katholische Priester Vincente de Valverde näherte sich und forderte Atahualpa gebieterisch auf, den christlichen Glauben anzunehmen. Schließlich reichte der Geistliche dem Inka eine Bibel. Der hielt das »sprechende Buch« an sein Ohr, lauschte und warf es schließlich enttäuscht zu Boden. Diese »Schändung des christlichen Glaubens« war willkommener – erwarteter – Anlass, Atahulapa gefangen zu nehmen und seine Gefolgsleute niederzumetzeln. Bis zu 10 000 Inkas sollen in einem grausamen Gemetzel ermordet worden sein. Atuhalpa ließ man noch am Leben.
Atahualpa kannte die Gier der Spanier nach Gold und Silber. Also bot Atahualpa den Spaniern ein Lösegeld an: ein Raum von sechs Meter Länge und fünf Meter Breite würde übermannshoch mit Gold, ein zweiter Raum mit Silber gefüllt. Pizarro zögerte. Der zweite Raum sei doch kleiner, wandte er ein. Daraufhin erhöhte Atahualpa seine Offerte. Er würde als Lösegold zusätzlich zum Gold doppelt so viel Silber heranschaffen lassen, wie in den zweiten, kleineren Raum passte.
Boten wurden ins ganze Inkareich geschickt. Und bald schon trafen aus dem gesamten Inkareich Karawanen ein, beladen mit unvorstellbaren Schätzen aus Gold und Silber. Für die Inkas waren diese Metalle lediglich Material, um daraus kostbare Kunstschätze zu schaffen. Die »zivilisierten« Spanier indes hatten kein Interesse an den Zeugnissen einer fremden Kultur. Sie errichteten gewaltige Schmelzöfen und verwandelten fünf Wochen lang Tag und Nacht die Schätze der Inkas in Gold- und Silberbarren.
Vergeblich hatte Atahualpa darauf gehofft, die christlichen Eroberer würden zu ihrem Wort stehen. Die räuberischen Erpresser aus Europa dachten gar nicht daran. Ihnen war klar, dass ein aus der Gefangenschaft freigelassener Atahualpa seine Truppen neu sammeln und ordnen... und die Spanier besiegen konnte. Man wagte aber nicht, ihn sofort zu töten. So erklärten die Spanier ihren Gefangenen zum »freien Mann«. Freigelassen wurde er allerdings nicht, sondern blieb weiterhin Gefangener, jetzt allerdings als »Gast«. Gleichzeitig wurde ein abstruser Prozess vorbereitet, dessen Ausgang von Anfang an feststand: die Todesstrafe. Zu den »Verbrechen« des einst mächtigsten Mannes des Inkareiches gehörte es, nackt mit schönen Jungfrauen gebadet zu haben. Das Todesurteil wurde mit viel Brimborium verkündet.
Huldvoll bot Pizarro dem Inkaherrscher an, ihn nur erwürgen und nicht verbrennen zu lassen... falls er sich taufen ließe. Atahualpa willigte ein, weil seiner religiösen Überzeugung nach eine Wiedergeburt nur möglich war, wenn sein Leichnam nicht den Flammen zum Opfer fallen würde. Und so wurde Atahualpa am 26. Juli 1533 (oder am 29. August 1533) mit der Garotte ermordet, nachdem Padre Vincente de Valverde den Todgeweihten auf den Namen Francisco de Atahualpa getauft hatte.
Auch nach der Ermordung Atahualpas trafen weiterhin Reichtümer ein. Eine einzige Karawane, bestehend aus 11 000 mit Gold und Silber beladenen Lamas, soll noch rechtzeitig von Atahualpas Frau umgeleitet worden sein. So entgingen den Spaniern schätzungsweise fünf Tonnen Gold. Gelagert wurden diese Kostbarkeiten angeblich im Tunnelsystem unter Cusco, in einem Labyrinth mit bezeichnendem Namen: »Ort, an dem man verloren geht«. Felipe de Pomares, so überliefert es ein Dokument aus dem 16. Jahrhundert, soll noch gewusst haben, wo das unterirdische Versteck war. Felipe de Pomares zeigte seiner Frau einen einzigen Raum tief unter Cusco: Da standen Statuen von Menschen in Lebensgröße – in purem Gold. Wuchtige goldene Tische waren mit kostbaren Pokalen und Edelsteinen förmlich überladen.
1814 war es Brigadier Matieo Garcia Pumakahua, ein Nachfahre der stolzen Inkas, der einem Vorgesetzten die Augen verband und ihn in die unterirdische Welt Cuscos führte. Der hochrangige Offizier bekam Goldbarren in Backsteingröße, herrlichen Goldschmuck und kunstvoll gearbeitete Tierfiguren aus Silber zu sehen. Angeblich war in der Schatzkammer – einer von unzähligen – das Schlagen der Glocken der Kathedrale von Cusco zu hören. Das geheime versteck muss sich also irgendwo in einer unterirdischen Kammer im Stadtbereich selbst befunden haben.
Mitte des 19. Jahrhunderts will der Abenteurer Bill McGovern in unterirdischen Kammern bei Cusco »Altäre« gesehen haben, die zu Ehren der Inkagötter errichtet worden waren. McGovern: »Nahe bei Sacsayhuaman gibt es geheimnisvolle Höhlen, die in das Innere der Erde reichen. Hier hat man Altäre zu Ehren der Götter der unterirdischen Gefilde aus dem Gestein geschlagen.«
Eingänge in die Unterwelt soll es einst viele gegeben haben... die aber allenfalls nur wenigen Eingeweihten bekannt waren. Sie führten angeblich einst kilometerweit von der Metropole Cusco unterirdisch bis nach Sacsayahuaman.
Nach meinen Recherchen vor Ort befindet sich noch heute direkt unter dem Hauptaltar der Kirche von Santo Domingo ein Abstieg in die unterirdischen Gänge. Man zeigte mir einen primitiven Holzverschlag, der die geheimnisvolle Tür verbirgt. Weitere Kirchen sollen auf Grundmauern von Inka-Bauten mit Zugängen zum Gangsystem errichtet worden sein: die Kirche von San Cristobal, die Kathedrale von Cuzco, die Kirche von Santa Catalina und die Kapelle von Santa Rosa. Diese sakralen Gebäude reihen sich wie Perlen auf einer schnurgeraden Kette aneinander. Sie weisen in nördliche Richtung: nach Sacsayhuaman!
Einen dieser Steinriesen habe ich vermessen. Er hat ein Volumen von 180 Kubikmetern (seine Maße 9m x 5m x 4 m). Wie alle seiner »Kollegen« wurde er zwanzig Kilometer transportiert: vom Steinbruch zur geheimnisvollen Mauer. Wie soll das geschehen sein? Angeblich kannten die Inkas weder Rad noch Rolle. Wie hat man die Kolosse vom Steinbruch an die Baustelle befördert? Wie wurden sie zur Mauer aufgetürmt? Wie hat man sie aufeinander gestapelt?
»Aha, da waren also die Außerirdischen am Werk!« werfen Skeptiker ironisch grinsend ein. »Warum sollten Außerirdische so eine Monstermauer bauen?« Diese Argumentation klingt vernünftig. Allerdings wird da »widerlegt«, was niemals behauptet wurde: der gewaltige Monsterwall von Cusco wurde nicht von Außerirdischen errichtet. Aber: die Menschen, die da eine wahre Meisterleistung vollbracht haben, müssen über uns unbekannte Methoden und Werkzeuge verfügt haben. Wie entstand das Wunderwerk von Sacsayhuaman?
»Wir wissen es nicht!« erklärte mir Prof. Hans Schindler-Bellamy, Wien. »Die Anlage dürfte eher 10 000 Als 1 000 Jahre alt sein! Sie wurde – zu welchem Zweck auch immer – lange vor der Inkazeit errichtet!«
Als »Verteidigungsbollwerk« macht die Monstermauer keinen Sinn. Warum sollte man so eine zyklopenhafte Anlage bauen? Warum hat man Zigtausende von Tonnen Stein in Riesenbrocken über weite Strecken – wie auch immer – transportiert... und dann noch millimetergenau verbaut? Einen solchen Aufwand hätten die Inkas nicht getrieben, um Feinde abzuhalten.
Staunend steht man vor den Steinkolossen. Man gewinnt den Eindruck, als hätten Riesen die monströsen Steine wie kleine Bauklötzchen spielerisch zusammengefügt. Die Kolosse müssen zunächst millimetergenau zu komplexen, mehreckigen und vielflächigen Steinriesen zurechtgehauen worden sein. Erst dann können sie exakt auf – und nebeneinander gesetzt worden sein... millimetergenau und ohne Bindemittel. Mit unglaublicher Präzision hat man da gearbeitet.
Kleine, handliche Steine kann man auch mit primitiven Werkzeugen immer wieder bearbeiten: so lange, bis sie sich wie ein dreidimensionales Puzzle zusammensetzen lassen. Man kann immer wieder die Steine aneinander- oder aufeinanderhalten, man kann immer wieder probieren und ändern – bis sie exakt passen. Mit tonnenschweren Steinkolossen ist das nicht möglich. Wer auch immer die Monstermauer gebaut hat, muss über Transportmöglichkeiten, Werkzeuge und Arbeitsmethoden verfügt haben, die die Inkas nicht hatten.
»Das Geheimnis der Engel von Chinchero«
Teil 12 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 04.04.2010
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Erinnern wir uns: »Bei Pacari-Tambo, östlich von Cusco gelegen, sollen einst vier Schwestern und vier Brüder aus einem unterirdischen Tunnel gestiegen sein. Einer der Brüder schleuderte vier Felsbrocken, so heißt es, in die vier Himmelsrichtungen. So sollen die Grenzen des Inkareiches festgelegt worden sein.« Diese uralte Überlieferung mutet wie ein Märchen von Ali Baba und seinen Schätzen an, fantastisch und unglaubwürdig. Indes: Einst existierte unter der heutigen Stadt von Cusco ein gigantisches unterirdisches Tunnelsystem, dessen Ausmaße wir uns nicht einmal vorstellen können. In diesen Gängen sollen noch märchenhafte Schätze schlummern.
Die Zugänge in diese Unterwelt, die sich in mehreren Etagen weit über die Grenzen der einstigen Metropole hinaus erstreckt haben soll, endeten in Gebäuden aus der Vor-Inkazeit. Die Inkas übernahmen diese Bauwerke, vielleicht auch die gigantischen Tunnelanlagen. Und die spanischen Eroberer errichteten Kirchen auf den uralten Mauern. Die Tunnels müssen ihnen bekannt gewesen sein. Verschiedentlich haben mir Priester in weihrauchgeschwängerter Kirchenatmosphäre gezeigt, wo sich hinter Altären noch Eingänge in die Unterwelt befinden sollen. Andere Geistliche leugneten die Existenz der unterirdischen Anlagen. Ein Priester meinte mit erhobenem Zeigefinger: »Natürlich gibt es diese Gänge im Felsgestein nicht. Außerdem ist es viel zu gefährlich, sie zu erkunden!« Ein anderer behauptete: »Vor Jahrhunderten hatten die Menschen Angst. Sie glaubten, Teufel könnten aus der Hölle an die Erdoberfläche kommen. Sie zerstörten deshalb die Zugänge zu den Tunnels. Viele dürften zudem sowieso im Lauf der Jahrhunderte eingestürzt sein!«
Meine Recherchen vor Ort ergaben tatsächlich Fantastisches: Die heutigen Kirchen sollen nach wie vor über Zugänge in diese mysteriöse Unterwelt verfügen... Gotteshäuser christlichen Geprägtes als Hüter einer uralten heidnischen Vergangenheit. Teile der Labyrinthe wurden angeblich von der peruanischen Armee gesprengt. War es die Absicht der Militärs, die unterirdische Welt zu vernichten? Oder sollte vielmehr verhindert werden, dass moderne Abenteurer in die Unterwelt hinabsteigen? Was könnte in den Gängen unter Cusco zu finden sein?
1533 war der Herrscher der Inkas Atahualpa Gefangener der Spanier. Francisco Pizarro bat Inkaherrscher Atahualpa um ein Treffen in Cajamarca, wo der mächtige Regent die heißen Schwefelbäder genoss. Als Atahualpa auf einer goldenen Sänfte zum Marktplatz getragen wurde, war kein spanischer Soldat zu sehen. Die Komplizen Pizarros beobachteten aus ihren Verstecken das Geschehen. Der katholische Priester Vincente de Valverde näherte sich und forderte Atahualpa gebieterisch auf, den christlichen Glauben anzunehmen. Schließlich reichte der Geistliche dem Inka eine Bibel. Der hielt das »sprechende Buch« an sein Ohr, lauschte und warf es schließlich enttäuscht zu Boden. Diese »Schändung des christlichen Glaubens« war willkommener – erwarteter – Anlass, Atahulapa gefangen zu nehmen und seine Gefolgsleute niederzumetzeln. Bis zu 10 000 Inkas sollen in einem grausamen Gemetzel ermordet worden sein. Atuhalpa ließ man noch am Leben.
Atahualpa kannte die Gier der Spanier nach Gold und Silber. Also bot Atahualpa den Spaniern ein Lösegeld an: ein Raum von sechs Meter Länge und fünf Meter Breite würde übermannshoch mit Gold, ein zweiter Raum mit Silber gefüllt. Pizarro zögerte. Der zweite Raum sei doch kleiner, wandte er ein. Daraufhin erhöhte Atahualpa seine Offerte. Er würde als Lösegold zusätzlich zum Gold doppelt so viel Silber heranschaffen lassen, wie in den zweiten, kleineren Raum passte.
Boten wurden ins ganze Inkareich geschickt. Und bald schon trafen aus dem gesamten Inkareich Karawanen ein, beladen mit unvorstellbaren Schätzen aus Gold und Silber. Für die Inkas waren diese Metalle lediglich Material, um daraus kostbare Kunstschätze zu schaffen. Die »zivilisierten« Spanier indes hatten kein Interesse an den Zeugnissen einer fremden Kultur. Sie errichteten gewaltige Schmelzöfen und verwandelten fünf Wochen lang Tag und Nacht die Schätze der Inkas in Gold- und Silberbarren.
Vergeblich hatte Atahualpa darauf gehofft, die christlichen Eroberer würden zu ihrem Wort stehen. Die räuberischen Erpresser aus Europa dachten gar nicht daran. Ihnen war klar, dass ein aus der Gefangenschaft freigelassener Atahualpa seine Truppen neu sammeln und ordnen... und die Spanier besiegen konnte. Man wagte aber nicht, ihn sofort zu töten. So erklärten die Spanier ihren Gefangenen zum »freien Mann«. Freigelassen wurde er allerdings nicht, sondern blieb weiterhin Gefangener, jetzt allerdings als »Gast«. Gleichzeitig wurde ein abstruser Prozess vorbereitet, dessen Ausgang von Anfang an feststand: die Todesstrafe. Zu den »Verbrechen« des einst mächtigsten Mannes des Inkareiches gehörte es, nackt mit schönen Jungfrauen gebadet zu haben. Das Todesurteil wurde mit viel Brimborium verkündet.
Huldvoll bot Pizarro dem Inkaherrscher an, ihn nur erwürgen und nicht verbrennen zu lassen... falls er sich taufen ließe. Atahualpa willigte ein, weil seiner religiösen Überzeugung nach eine Wiedergeburt nur möglich war, wenn sein Leichnam nicht den Flammen zum Opfer fallen würde. Und so wurde Atahualpa am 26. Juli 1533 (oder am 29. August 1533) mit der Garotte ermordet, nachdem Padre Vincente de Valverde den Todgeweihten auf den Namen Francisco de Atahualpa getauft hatte.
Auch nach der Ermordung Atahualpas trafen weiterhin Reichtümer ein. Eine einzige Karawane, bestehend aus 11 000 mit Gold und Silber beladenen Lamas, soll noch rechtzeitig von Atahualpas Frau umgeleitet worden sein. So entgingen den Spaniern schätzungsweise fünf Tonnen Gold. Gelagert wurden diese Kostbarkeiten angeblich im Tunnelsystem unter Cusco, in einem Labyrinth mit bezeichnendem Namen: »Ort, an dem man verloren geht«. Felipe de Pomares, so überliefert es ein Dokument aus dem 16. Jahrhundert, soll noch gewusst haben, wo das unterirdische Versteck war. Felipe de Pomares zeigte seiner Frau einen einzigen Raum tief unter Cusco: Da standen Statuen von Menschen in Lebensgröße – in purem Gold. Wuchtige goldene Tische waren mit kostbaren Pokalen und Edelsteinen förmlich überladen.
1814 war es Brigadier Matieo Garcia Pumakahua, ein Nachfahre der stolzen Inkas, der einem Vorgesetzten die Augen verband und ihn in die unterirdische Welt Cuscos führte. Der hochrangige Offizier bekam Goldbarren in Backsteingröße, herrlichen Goldschmuck und kunstvoll gearbeitete Tierfiguren aus Silber zu sehen. Angeblich war in der Schatzkammer – einer von unzähligen – das Schlagen der Glocken der Kathedrale von Cusco zu hören. Das geheime versteck muss sich also irgendwo in einer unterirdischen Kammer im Stadtbereich selbst befunden haben.
Mitte des 19. Jahrhunderts will der Abenteurer Bill McGovern in unterirdischen Kammern bei Cusco »Altäre« gesehen haben, die zu Ehren der Inkagötter errichtet worden waren. McGovern: »Nahe bei Sacsayhuaman gibt es geheimnisvolle Höhlen, die in das Innere der Erde reichen. Hier hat man Altäre zu Ehren der Götter der unterirdischen Gefilde aus dem Gestein geschlagen.«
Eingänge in die Unterwelt soll es einst viele gegeben haben... die aber allenfalls nur wenigen Eingeweihten bekannt waren. Sie führten angeblich einst kilometerweit von der Metropole Cusco unterirdisch bis nach Sacsayahuaman.
Nach meinen Recherchen vor Ort befindet sich noch heute direkt unter dem Hauptaltar der Kirche von Santo Domingo ein Abstieg in die unterirdischen Gänge. Man zeigte mir einen primitiven Holzverschlag, der die geheimnisvolle Tür verbirgt. Weitere Kirchen sollen auf Grundmauern von Inka-Bauten mit Zugängen zum Gangsystem errichtet worden sein: die Kirche von San Cristobal, die Kathedrale von Cuzco, die Kirche von Santa Catalina und die Kapelle von Santa Rosa. Diese sakralen Gebäude reihen sich wie Perlen auf einer schnurgeraden Kette aneinander. Sie weisen in nördliche Richtung: nach Sacsayhuaman!
Sacsayhuaman! Der Name steht für ein kolossales Bauwerk, das zu den Weltwundern unserer Erde gezählt werden darf: Im Norden von Cusco gibt es ein gewaltiges Bauwerk, das wirklich die Bezeichnung »Monstermauer« verdient: 545 Meter lang erstreckt sie sich in Zickzacklinien, in drei Stufen übereinander wie eine mythologische Schlange. Oftmals ist dieser kunstvoll aufgetürmte Superwall über zwanzig Meter hoch! Steinriesen aus Andesit, bis zu 400 Tonnen pro Stück, wurden scheinbar mühelos in- und aufeinandergefügt.
Einen dieser Steinriesen habe ich vermessen. Er hat ein Volumen von 180 Kubikmetern (seine Maße 9m x 5m x 4 m). Wie alle seiner »Kollegen« wurde er zwanzig Kilometer transportiert: vom Steinbruch zur geheimnisvollen Mauer. Wie soll das geschehen sein? Angeblich kannten die Inkas weder Rad noch Rolle. Wie hat man die Kolosse vom Steinbruch an die Baustelle befördert? Wie wurden sie zur Mauer aufgetürmt? Wie hat man sie aufeinander gestapelt?
»Aha, da waren also die Außerirdischen am Werk!« werfen Skeptiker ironisch grinsend ein. »Warum sollten Außerirdische so eine Monstermauer bauen?« Diese Argumentation klingt vernünftig. Allerdings wird da »widerlegt«, was niemals behauptet wurde: der gewaltige Monsterwall von Cusco wurde nicht von Außerirdischen errichtet. Aber: die Menschen, die da eine wahre Meisterleistung vollbracht haben, müssen über uns unbekannte Methoden und Werkzeuge verfügt haben. Wie entstand das Wunderwerk von Sacsayhuaman?
»Wir wissen es nicht!« erklärte mir Prof. Hans Schindler-Bellamy, Wien. »Die Anlage dürfte eher 10 000 Als 1 000 Jahre alt sein! Sie wurde – zu welchem Zweck auch immer – lange vor der Inkazeit errichtet!«
Als »Verteidigungsbollwerk« macht die Monstermauer keinen Sinn. Warum sollte man so eine zyklopenhafte Anlage bauen? Warum hat man Zigtausende von Tonnen Stein in Riesenbrocken über weite Strecken – wie auch immer – transportiert... und dann noch millimetergenau verbaut? Einen solchen Aufwand hätten die Inkas nicht getrieben, um Feinde abzuhalten.
Oberhalb der Monstermauer haben Archäologen eine kreisrunde Anlage entdeckt. Sie hatte offenbar astronomische Bedeutung. Hier wurden Sterne und Planeten angepeilt und beobachtet. Wie wurden die Ergebnisse der astronomischen Studien festgehalten, in welcher Schrift? Eine Schrift muss es gegeben haben, auch für die Planung der gewaltigen Anlage von Sacsayhuaman.
Staunend steht man vor den Steinkolossen. Man gewinnt den Eindruck, als hätten Riesen die monströsen Steine wie kleine Bauklötzchen spielerisch zusammengefügt. Die Kolosse müssen zunächst millimetergenau zu komplexen, mehreckigen und vielflächigen Steinriesen zurechtgehauen worden sein. Erst dann können sie exakt auf – und nebeneinander gesetzt worden sein... millimetergenau und ohne Bindemittel. Mit unglaublicher Präzision hat man da gearbeitet.
Kleine, handliche Steine kann man auch mit primitiven Werkzeugen immer wieder bearbeiten: so lange, bis sie sich wie ein dreidimensionales Puzzle zusammensetzen lassen. Man kann immer wieder die Steine aneinander- oder aufeinanderhalten, man kann immer wieder probieren und ändern – bis sie exakt passen. Mit tonnenschweren Steinkolossen ist das nicht möglich. Wer auch immer die Monstermauer gebaut hat, muss über Transportmöglichkeiten, Werkzeuge und Arbeitsmethoden verfügt haben, die die Inkas nicht hatten.
»Das Geheimnis der Engel von Chinchero«
Teil 12 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 04.04.2010
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