Freitag, 8. Juli 2011

Ratingagenturen - Die Freitagskolumne von Ursula Prem

Ursula Prem
Schon lustig, wie es auf der Welt zugeht: Menschen aus Wolkenkuckucksheim lenken die Geschicke Europas, während die Völker danebenstehen und sich staunend die Augen reiben. »In ungewöhnlich scharfer Form« habe die allgewaltige EU-Kommission auf die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals durch die Ratingagentur »Moody’s« reagiert, heißt es heute in den Nachrichten. Wie gut, dass sich in der Politik immer wieder ein Schuldiger findet. Nicht die weltfremden Visionäre, die uns eine am Reißbrett entworfene, politisch konstruierte Währung übergestülpt haben, tragen die Verantwortung für das Euro-Desaster. Nein, die Ratingagenturen sind schuld, denn ihre Einschätzungen verhindern den permanenten Zufluss frischen Geldes mit ungewissen Rückzahlungschancen, den die Politik für ihre Ego-Spielchen braucht wie die Luft zum Atmen.

Brechen wir das Thema zur Verdeutlichung einmal auf die zwischenmenschliche Ebene herunter. Nehmen wir an, Sie werden von Herrn Müller gefragt, ob sie ihm kurzfristig aus einer bedrängten Lage helfen könnten, indem Sie ihm 1000 Euro leihen. Sie sind geneigt es zu tun, denn Sie sind ja kein Unmensch. Herr Müller ist Ihnen grundsätzlich sympathisch, außerdem hat er zwei Kinder zu ernähren und im Leben öfter mal Pech gehabt, wie man so hört. Dennoch täte Ihnen der dauerhafte Verlust von 1000 Euro weh, denn so dicke haben Sie es ja auch nicht. Da Sie Herrn Müller nur oberflächlich kennen, wenden Sie sich an Herrn Meier, von dem Sie wissen, dass er mit Herrn Müller näher bekannt ist, um sich diskret nach den näheren Lebensumständen Ihres potentiellen Schuldners zu erkundigen. Und was Sie dort erfahren, gefällt Ihnen gar nicht: Der Gerichtsvollzieher ist bereits Dauergast bei Müllers, doch diese bestellen weiterhin unverdrossen beim Versandhaus jeden erdenklichen Krempel, während die Kinder sich mit roten Köpfen jeden Mittag in die Schlange der »Tafel« einreihen. Alles in allem klingt die Schilderung reichlich unsolide, weshalb Sie beschließen, Herrn Müller die 1000 Euro lieber nicht zu leihen. Sie bedanken sich höflich bei Herrn Meier, denn er hat Sie höchstwahrscheinlich soeben vor Schaden bewahrt.

Nichts anderes tun Ratingagenturen: Sie helfen dabei, Investoren vor Schaden zu bewahren, indem sie die ihnen vorliegenden Wirtschafts- und Finanzdaten eines Landes auswerten und eine Risikoanalyse vornehmen. Oder würden Sie mit den 1000 Euro, die Sie dank Herrn Meiers Hilfe eingespart haben, lieber griechische Staatsanleihen kaufen?

Machen wir uns bewusst: Wenn unsere Politiker sich über das Treiben der Ratingagenturen aufregen, so wollen sie damit nichts anderes erreichen: Sie möchten, dass Menschen wie Sie ihre sauer verdienten Spargroschen ohne Vorwarnung in pleitebedrohte Länder stecken, damit sich das Rad des Irrsinns auf Ihre Kosten noch eine Weile weiterdrehen kann.

Die kühle Analyse von Chancen und Risiken ist im Wirtschaftsleben unverzichtbar. Fällt diese, wie jetzt in den Fällen einiger europäischer Staaten, negativ aus, so spiegelt sich darin die verfehlte Finanzpolitik seit Einführung des Euro wider. In viel zu rascher Folge wurden durch den Euro die Schicksale von Ländern aneinandergekettet, deren Politik-, Sozial- und Finanzsysteme unterschiedlicher nicht sein könnten. In Zeiten nationaler Währungen wurden diese Ungleichheiten durch Wechselkursschwankungen ausgeglichen, die so zur Gesundheit des Gesamtsystems beitrugen. Viel zu rasch und leichtsinnig wurde dieses Instrument über Bord geworfen, zugunsten einer auf politischer Ebene euphorisch bejubelten Einheitswährung. Nun stehen wir vor dem Zusammenbruch des europäischen Finanzsystems, das nur hinausgezögert werden kann, wenn man den Ratingagenturen einen Maulkorb verpasst und möglichst viele ahnungslose Kleininvestoren in den persönlichen Ruin lockt.

Also los! Worauf warten Sie noch? Vergessen Sie das Gerede von »Moody’s« und kaufen Sie portugiesische Staatsanleihen. Die 1000 € haben Sie ja noch …


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