Montag, 12. Oktober 2009

Weihnachtsalternative

Noch nicht ganz vernarbt der Osterstress, da sind schon die nächsten Schwerenöter wieder in die Einkaufsregale gestiefelt. Sie tragen schneeverkrustete Mäntel, sind unrasiert, ungekämmt und blicken selbstsicher auf die Einkäufer herab, als wollten sie sagen: „Ich weiß, dass Du mich kaufen wirst!“

Die ersten Wochen ignoriert man sie natürlich siegesgewiss. Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe und nicht der Verfettung. Die Kilos, die die Osterhasen an Hüften und Bauch deponiert haben, sind dank Urlaubsschmaus und Grillpartys noch nicht einmal ansatzweise geschmolzen. Der Kampf mit dem inneren Schweinehund, den Bauchspeck wieder loszuwerden, noch in vollem Gange.

Eine richtige Gemeinheit, jetzt schon wieder so eine Schokokampagne auf die hilflosen Verbraucher abzuschießen.
„Mit mir nicht!“, würde man gern laut verkünden, und geht erhobenen Hauptes an dem Zeug vorbei. Mit etwas Glück kann man noch einen mitleidigen Blick auf eine dicke Frau werfen, die sich gerade mit strahlenden Augen, sechs Weihnachtskugeln aus Schokolade im Dinosaurierformat, gefüllt mit Pralinen, Marzipan und Lebkuchensternchen, begeistert aus dem Regal angelt.

Doch mit jedem Einkaufstag wird es schwieriger, sich den aufdringlichen Männern in den Regalen zu entziehen. Irgendwann bleibt man vor ihnen stehen. Natürlich nur, um sich einen Überblick zu verschaffen über das diesjährige Angebot.
Schnell aber ist klar: Nichts Neues dabei. Die weihnachtlichen Greise mit dem gleichen roten modischen Outfit und der viel zu großen Mütze, wie jedes Jahr. Den gleichen, geflickten Säcken mit den gleichen langweiligen Schokoautos, Zuckergelee und Eierlikörkügelchen, einwickelt in Goldfolie ... alles wie gehabt.
„Nein!“, man wendet sich entschlossen und angewidert ab.
„Dieses Zeug wird nicht gekauft!“ Es wird sich doch wohl eine Alternative finden. Vielleicht eine gesunde? Man will doch den Kindern etwas Gutes tun, und sie nicht schon wieder mit dem süßen Kram vollstopfen! Genau! Dieses Jahr wird der Weihnachtskrampf entschärft. Die meisten Sachen landen ohnehin spätestens am 01. Januar, wegen des auftretendes Würgerflex bei ihrem Anblick, im Müll. Schade ums Geld.

Noch ein-, zweimal fällt die Weihnachtsmannverweigerung zu unseren Gunsten aus. Dann ist plötzlich Weihnachten. Jedenfalls fast. Samstagmorgen. Und wo ist die Alternative? Buntes Obst vielleicht? Banane mit Rute? Mandarine mit Flügelchen oder Apfel mit Stauchbesen?

Vor dem inneren Auge tauchen Bilder auf, von dicken Weihnachtstränen, in Kinderaugen. „Wo ist lecker Geschenkemann?“, werden sie verzweifelt fragen.

Oh nein! Das geht auf keinen Fall! Also doch schnell noch eine Einkaufsfahrt zum Sackträgerregal. Hoffentlich ist noch etwas Brauchbares da – vielleicht etwas Halbgesundes, aus guter Schokolade, die, die so richtig teuer ist. Und dann eben nur ein hohler Geschenkemann, aber dafür so richtig groß und richtig gesund! Zu Hause kann man noch einige Kekse mit Zimt und Zuckerguss für den Teller backen und etwas Obst in Alufolie dekorativ auf den Weihnachtsteller legen. Alles fein umrahmt von gesunden Nüssen.
Also rein in den Einkaufswagen mit den fünf übergewichtigen, rotbemäntelten Oldies, einen noch als Reserve, falls mal einer zerdrückt. Was heißt falls, einer kommt immer zerdrückt zu Hause an ...

Sie liegen etwas verloren auf den Metallgittern. Ihr gerade noch provozierender, fast sarkastischer Blick, wirkt plötzlich eher traurig und vorwurfsvoll. Naja, vielleicht noch von diesen kleinen Marzipanfigürchen einige Tüten dazu. Man kann mit ihnen das den Teller hübsch füllen und es sieht gleich nach mehr aus. Ach, und dort, die hübschen Baumkugeln und Nougatautos. Damit könnte man doch den Frühstückstisch am Weihnachtsmorgen nett dekorieren.

Trotzdem, irgendwie sieht es im Einkaufswagen immer noch nach Restesammlung aus. Also hin zum Gaben-Grabbeltisch. Hier wird man fündig. Freude stellt sich ein. Es gesellt sich noch ein Büchlein und ein Paar lustige Socken zu den Bärtigen. Ja, jetzt ist es besser. Ach, dort liegt ja eine Hör-Kassette von der Lieblingsserie der lieben Kleinen, die nehme ich noch mit und dann ist aber Schluss!

Halt! Was ist mit den „Großen“? Ein oder zwei Leckerlies nach der Geschenkeschlacht vertragen die doch auch an Feiertagen! Da kann man natürlich nicht mit Kinderschokolade punkten. Also kaufen wir noch ein großes Paket „Mein Liebling“, und damit der bunte Teller auch wirklich bunt wird, noch ein Päckchen „Nach Acht“ und je eine Schachtel „Danke“, eins von der blauen Sorte und eins von der roten.



An der Kasse wartend ist Zeit, einen längeren Blick in den eigenen Einkaufswagen zu werfen. Merkwürdig, er sieht aus wie jedes Jahr zu Weihnachten. So ganz hat es noch nicht geklappt mit der Weihnachtsalternative — aber nächstes Jahr, da lässt man sich etwas ganz Besonderes einfallen, es ist ja jetzt Zeit genug, sich Gedanken zu machen — und die Weihnachtsmannfabrik kann sehen, wem sie ihre Strauchbesenhalter andreht.

© gcroth

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