Sonntag, 22. Januar 2012

105 »Am Nabel der Welt«

»Am Nabel der Welt«
Teil 105 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Geheimnisvolle
Osterinsel
Foto: W-J.Langbein
»Te Pito O Te Henua« wurde vom holländischen Admiral Jacob Roggeveen am 5. April 1772 »entdeckt«: ein kleines, von friedlichen Menschen bevölkertes Eiland in den unendlichen Weiten der Südsee ... am Ostersonntag. Und so taufte Roggeveen die einsame Insel »Paasch Eiland«, »Osterinsel«. Wer aber hat den kleinen Flecken im Pazifik wirklich entdeckt?

Uralte Sagen und Mythen geben Auskunft. Im Westen der Osterinsel gab es einst das »Atlantis« der Südsee, Maori Nui Nui genannt. Es drohte in den Fluten zu versinken. König Hotu Matua ließ nach einer neuen Heimat für sein Volk suchen ... lange vergeblich. Schließlich griff der fliegende Gott Make Make ein. Er verschleppte den Priester Hau Maka zu einer fernen Insel.
Make Make brachte den Priester schließlich zurück in seine sterbende Heimat. Hau Maka informierte seinen König über seinen »Traum«, denn seine Flugreise konnte doch nur ein Traum gewesen sein. Fedor Petrovic Krendelov schreibt in seinem Werk »Die Geheimnisse der Osterinsel« (1): »Die Beschreibung der Insel, die er im Traum gesehen hatte, war derart realistisch, dass sich der Gedanke aufdrängt, dass ihm die Osterinsel bekannt gewesen ist.« König Hotu Matua jedenfalls glaubte dem Priester ...

Kinder, die im Wasser stehen
Foto:  W-J.Langbein
Fedor Petrovic Krendelov (2): »In Vorbereitung der Übersiedlung entsandte Hotu Matua sieben Jünglinge mit dem Auftrag, die Insel zu finden, Yams (eine essbare Knolle) anzupflanzen und eine Bucht zu suchen, die für die Landung von Menschen aus großen Schiffen geeignet wäre. Die Kundschafter sahen den Vulkan Rano-Kao, der ihnen zur Orientierung diente, sowie daneben drei Inselchen, von denen Hau Maka als von ›Kindern, die im Wasser stehen‹ gesprochen hatte.«

Darf man derlei Überlieferungen glauben? Vor fast 40 Jahren interviewte ich zu diesem Thema den renommierten Osterinsel-Experten Dr. Fritz Felbermayer. Der Wissenschaftler antwortete mir: »Es ist meine felsenfeste Überzeugung, dass diese Überlieferung eine absolut wahre Begebenheit beschreibt. Von den alten Insulanern wird diese Tatsache so klar und ohne Zögern wiedererzählt, und immer in derselben Weise. Es werden Namen genannt, die einfach nicht erfunden wurden. So konnte ich diese Begebenheiten ohne jeden Zusatz aufschreiben. Im Vorwort meines Buches (3) habe ich auf eine Sache hingewiesen, die Sie lesen müssen: ›Wenn derjenige, der gerade erzählte, sich irrte oder auch nur einige wenige Worte änderte, die an sich ohne Bedeutung waren, so protestierten die anderen Zuhörer so lange, bis der Sprecher die Worte genauso wiedergab, wie sie die Vorfahren berichteten.‹«

Wann aber wurde die Osterinsel von Hotu Matua und seinem Volk besiedelt? Im Lauf der letzten vier Jahrzehnte las ich unterschiedliche Zeitangaben. Genannt wurden stark abweichende Daten: 500 n. Chr., 1000 n. Chr. und 1500 n. Chr. Ein eher unscheinbarer Vulkankegel im Osten des Eilands weist auf eine viel frühere »Entdeckung« hin. Der kleine Vulkan trägt den Namen »Puku-puhipuhi«, zu Deutsch: »der Keuchende« oder »der Schnaufende«. Die letzte vulkanische Tätigkeit auf der Osterinsel gab es um 500 vor Christus. Damals müssen schon Menschen auf der Osterinsel gelebt haben, die den kleinen Vulkan noch aktiv kennengelernt haben!

Te  Pito O Te Henua
Foto: W-J.Langbein
»Entdeckt« aber hat auch Priester Hau Maka nicht die Osterinsel. Sie war nämlich schon besiedelt. Die sieben Kundschafter trafen einen gewissen Jaga Tawake an ... Wer also als Erster die winzige Osterinsel erspähte ... Wir wissen es nicht. Admiral Jacob Roggeveen als »Entdecker« des Eilands zu feiern, beweist nur die Arroganz von uns Europäern. Nach wie vor tun wir so, als beginne die eigentliche Geschichte eines Eilands wie der Osterinsel erst mit dem Erscheinen eines Europäers. Für europäische Arroganz spricht auch die Umbenennung des mysteriösen Eilandes in »Osterinsel«. Der ursprüngliche Name aber lautet – poetisch und wohlklingend wie eine träumerische Melodie – Te Pito O Te Henua ... »Nabel der Welt«.

Wer die Osterinsel besucht, sollte unbedingt beim »Nabel der Welt« Halt machen. Direkt an steiniger Küste gelegen ... findet sich ein mysteriöses Denkmal. Ein Steinmäuerchen schützt einen eiförmigen Stein, um den wiederum vier kleinere, ebenfalls eiförmige Steine angeordnet sind. Wiederholt habe ich vor Ort recherchiert ... und unterschiedliche, voneinander abweichende Erklärungen erhalten: von Einheimischen, aber auch vom Magier Houngan-Man.

Nahaufnahme von
Te Pito O Te Henua
Foto W-J.Langbein
Variante A: Das Mäuerchen symbolisiert das Meer ... oder den Erdkreis. Das Ei in der Mitte zeigt präzise den exakten Punkt »Nabel der Welt« an. Um diesen Mittelpunkt ist das Meer ... ist die gesamte Welt, ja das gesamte Universum angeordnet. Die vier kleineren Steineier zeigen die vier Himmelsrichtungen an.

Variante B: Das Steinmäuerchen dient lediglich als Schutz für das eigentliche Heiligtum, das große Steinei in der Mitte. Die vier kleineren »Eier« haben – wie die Steinmauer – keine tiefere Bedeutung. Sie dienten lediglich andächtigen Besuchern als – eher unbequeme – Hocker.

Ich fand die Bezeichnung »Nabel der Welt« schon immer irritierend. Meiner Meinung nach passt er weniger zur Mentalität von Südseeinsulanern als von Europäern. Wir sehen unsere Welt gern als Zentrum aller Kultur und Zivilisation. So wundert es nicht, dass in Griechenland ein »Nabel der Welt« zu bestaunen ist! Im Allerheiligsten des Apollon-Tempels zu Delphi stand er eins ... der Omphalos. Alter Mythologie zufolge fiel der kurios geformte Stein einst aus dem Himmel zur Erde herab. Der angebliche Phallusstein dürfte aber kein Denkmal für männlich-göttlichen Stolz gewesen sein. Vielmehr diente er wohl in vorpatriarchalischen Zeiten der Erdmutter und Muttergöttin Gaia als Opferstein!

Der mysteriöse Omphalos-
Stein - Foto:
Ingeborg Diekmann
Intensives Literaturstudium hat mich zur Überzeugung gebracht, dass » Te Pito O Te Henua« ursprünglich mit dem ominösen »Nabel der Welt« nichts zu tun hat! Tatsächlich bedeutet »henua« zu Deutsch »Erde« oder »Welt«. Und man kann »pito« auch mit »Nabel« übersetzen! Weit verbreitet im Pazifik ist eine andere Bedeutung: »Ende«. »Te Pito O Te Henua« hieße dann ... »Ende der Welt«. Nach alten Überlieferungen ist die »Osterinsel« ein kleines Überbleibsel eines einst »sehr großen Landes«

Den Osterinselexperten Prof. Dr. Fjodor Petrowitsch (andere Schreibwiese Petrovic) Krendeljow und seinem Kollegen Dr. phil. Aleksandr Michailowitsch Kondratow standen Unterlagen Thor Heyerdahls über die Geschichte der »Osterinsel« zur Verfügung. Heyerdahl lagen demnach Texte vor, die belegen, dass das mysteriöse Eiland tatsächlich der karge Rest eines einst stolzen Kontinents war. Ein göttliches Strafgericht soll dieses Atlantis der Südsee weitestgehend zerstört haben. Ich darf zitieren (4): »Der Jüngling Tea Waka sagte: ›Unsere Erde war früher ein großes Land, ein sehr großes Land.‹ Kuukuu fragte ihn: ›Aber warum wurde das Land klein?’‹ Tea Waka antwortete: ›Uwoke senkte seinen Stab darauf. Er senkte seinen Stab auf die Gegend Ohio.‹«

Am Ende der Welt ...
Foto: W-J.Langbein
In einer weiteren Überlieferung, sie wurde ebenfalls in den Aufzeichnungen Thor Heyerdahls vor dem Vergessen bewahrt, ist zu lesen (5): »Kuukuu sagte zu ihm: ›Früher war diese Erde groß.‹ Der Freund Tea Waka sagte: ›Diese Gegend nennt sich Ko-te-To-monga-o-Tea-Waka.‹ Ariki Hotu Matua fragte: ›Warum versank das Land?‹ ›Uwoke machte das; er versenkte das Land‹ antwortete Tea Waka. ›Von nun an wurde das Land Te-Pito-o-te-Henua genannt.«

Mich überzeugt die mythologische Erklärung für den melodischen Namen: Die »Osterinsulaner« gingen davon aus, dass ihre Heimat einst zu einem riesigen Land im Pazifik gehörte, zum Atlantis der Südsee ... das in den Fluten versank!

»Te Pito O Te Henua« ... das »Ende der Welt« hat für mich eine geradezu prophetische Qualität. Sehen wir die »Osterinsel« als eine mahnende Warnung an uns Menschen des 21. Jahrhunderts! Eingebildet, wie wir sind, sehen wir uns gern als »Nabel der Welt« ... und verdrängen dabei begründete Angst vor einer großen Katastrophe, die alles Leben auf Planet Erde in einer gewaltigen Apokalypse auszulöschen vermag!

Bedenke ich den Umgang mit Nuklearenergie auf Planet Erde, kommen mir Zweifel an der Intelligenz des Menschen der Gegenwart. Manchmal hat es den Anschein, als wollte die Spezies Mensch die finale Apokalypse selbst herbeiführen ... und alles in einem atomaren Inferno versinken lassen!


Lektüre-Empfehlung

In meinem Buch »2012« gehe ich sehr ausführlich auf das ominöse »Atlantis der Südsee« ein. Wer sich gründlicher informieren möchte ... lese dort nach. Die Fülle von Fakten zum Thema würde den Rahmen eines Blogbeitrags sprengen! Buch jetzt bestellen >>

Fußnoten
1 Krendelov, Fedor Petrovic: »Die Geheimnisse der Osterinsel«, 2.Auflage, Leipzig 1990, S. 20
2 ebenda
3 Felbermayer, Fritz: »Sagen und Überlieferungen der Osterinsel«, Nürnberg o. J.
4 Krendelov, Fedor Petrovic: »Die Geheimnisse der Osterinsel«, 2.Auflage, Leipzig 1990, Seite 109
5 ebenda

»Von roten Hüten und runden Köpfen«
Teil 106 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 29.01.2012


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