»O ihr, der Eide ewige Hüter! Lenkt euren Blick auf mein blühendes Leid; erschaut eure ewige Schuld!«
(Richard Wagner, Götterdämmerung, III. Akt)
In wenigen Tagen trifft die Opernwelt sich wieder in
Oberfranken, um eines der glanzvollsten Kulturereignisse überhaupt zu begehen:
die Bayreuther Festspiele. Zum wiederholten Male entfaltet sich mit dem »Ring
des Nibelungen« das ewige Weltendrama vom Untergang der Götter vor den Augen
und Ohren des Publikums. Das kleine Städtchen am Rande des Fichtelgebirges ist
damit Träger eines kulturellen Erbes, wie es weltweit einzigartig dasteht.
Bau und Eröffnung des Festspielhauses möglich gemacht hat
neben dem Universalgenie Richard Wagner nicht zuletzt König Ludwig II. von
Bayern, dem nicht nur diese visionäre Tat übel von seinem Land gedankt wurde:
Man ließ ihn mithilfe willfähriger Psychiater entmündigen und stellte ihn unter
Arrest. Das zugrundeliegende Gutachten entstand auf Veranlassung der
bayerischen Staatsregierung und ohne persönliche Untersuchung. Es wurde von
vier Kapazitäten unterzeichnet, die Ludwig für »unheilbar seelengestört«
befanden. Am 13. Juni 1886 starb Ludwig unter ungeklärten Umständen im heutigen
Starnberger See, gemeinsam mit seinem »Irrenarzt«, Bernhard von Gudden.
Heute pilgern alljährlich Zehntausende nach Bayreuth. Dass
es die Liebe des pazifistischen Königs zur Kultur war, der Derartiges
zu verdanken ist, ist Wagnerfreunden aus aller Welt wohl bewusst, weshalb sie
Ludwig stets ein ehrendes Andenken bewahrt haben.
Die hohen Throne der falschen Götter
Dieses Jahr werden viele Besucher der Festspiele sich ganz eigene Gedanken machen, wenn sie Brünnhilde vom aufdämmernden Ende der Götter singen hören, denn das unwürdige Gezerre von Justiz, Staatsregierung und Psychiatrie um die Freilassung des im BKH Bayreuth in der Psychiatrie festgehaltenen Gustl Mollath hat bis heute kein Ende gefunden. Noch immer klammern Götter und die sich dafür halten an ihrem Thron fest, während das Unrecht, das bereits archaische Züge angenommen hat, von Tag zu Tag größer wird. Dass derartige Götter den eigenen Untergang auf diese Weise befördern, statt ihn zu verhindern: Sie könnten es längst wissen, wenn sie Brünnhilde jemals zugehört hätten.
Zufälligerweise war die Schreiberin dieser Zeilen viele
Jahre lang selbst als Wagnersängerin unterwegs, sodass Brünnhilde an dieser
Stelle für sich selbst sprechen möge:
Ist es denkbar, dass vor den Augen Bayreuths und der Welt
auch in diesem Jahr Wagners Götterdämmerung zelebriert wird, während eben jene
Mechanismen der rücksichtslosen Gier und Machtpolitik, wie sie auch im Fall
Gustl Mollaths bis heute wirksam sind, nach wie vor unenthüllt bleiben und Mollath in 1,4 km Entfernung weiterhin in Haft sitzt, vogelfrei und von den Göttern verlassen wie Siegmund der Wälsung? Was ist
der Sinn von Kunst und Kultur, wenn ihre für jeden Zuhörenden offenkundigen ewigen
Weisheiten keinerlei praktische Konsequenzen haben?
»Starke Scheite schichtet mir dort am Rande des Rheins zu Hauf!« – Bleibt zu hoffen, dass Brünnhildes Ruf tatsächlich bis an den Rhein durchdringt, nach Karlsruhe, wo sich in diesen Tagen das Verfassungsgericht mit Gustl Mollath beschäftigt. »Denn der Götter Ende dämmert nun auf:« Möge der Tag der Götterdämmerung nicht mehr fern sein!
Ursula Prem
Ursula Prem
O ihr, der Eide ewige Hüter
AntwortenLöschenMollath selbst sollte als Respektspersion Schirmherr der Festspiele werden.
Das waere eine kulturell reife Leistung.
Es bleibt zu hoffen, dass Veranstalter und nicht zu viele Besucher sich um das Thema herum druecken wollen und koennen.
Mollath ist DER gegenwaertige Bezug.
Eine Ansprache von ihm ist wuenschenswert. Mollath waehlt seine Worte mit Bedacht:http://www.donaukurier.de/nachrichten/bayern/Muenchen-Ich-bin-der-Unruhestifter;art155371,2788327
Wunderbarer Artikel. Danke
Wie wahr, wie wahr, wie wünschenswert!
LöschenWie wahr, wie wahr, wie wünschenswert!
LöschenEs könnte aber auch Frau Merk sein, die ihre letzte Arie
AntwortenLöschensingt!
Das trauen Sie ihr zu? Ich nicht!
LöschenLiebe Ursula,
AntwortenLöschenvielen Dank für den Beitrag.
Zitat: »Was ist der Sinn von Kunst und Kultur, wenn ihre für jeden Zuhörenden offenkundigen ewigen Weisheiten keinerlei praktische Konsequenzen haben?« Zitatende
Ja, wir das Volk der Dichter und Denker ... Vermutlich werden in diesem Jahr wieder die Kameras der internationalen Presse auf die Söckchen von Angela Merkel gerichtet sein ...
Bayreuth macht sich keinen Gefallen damit, nahe den Heiligen Hallen einen Ort der Menschenrechtsverletzungen zu betreiben. Es ist eine Schande. Und wir dürfen nicht aufhören, unseren Unmut darüber zum Ausdruck zu bringen!
Sylvia B.
Das Ende der Götter in diesem Weltendrama wird verursacht durch Gier, Machtanspruch, Angst vor Machtverlust, Verstrickung in die eigenen Verträge (Intrigen)aus denen es keinen Ausweg gibt, durch Hybris, Maßlosigkeit und LIEBLOSIGKEIT.
AntwortenLöschenIch denke, dies alles trifft auch auf die Protagonisten im Fall von Herrn Mollath zu.
Elke Meissner
Neubiberg
Genau so ist es. Und viele der falschen Götter unserer Tage werden das Drama auch dieses Jahr wieder mit dem ihnen eigenen Überdruss genießen und nicht annähernd verstehen, dass es ihr eigener Untergang ist, der ihnen vorgeführt wird. Einfach zum Verzweifeln.
LöschenEs ist schon erstaunlich, wie die Mächtigen Jahr für Jahr Kunstverständnis zu demonstrieren meinen durch ihr Erscheinen in Bayreuth. Und - ich gebe zu, dass mir das erst jetzt klar wird - es ist erstaunlich, wie aktuell Wagner auch heute ist, heute noch ist.. oder besser wie zeitlos er ist! Revolutionär!
AntwortenLöschenJa, die Machthaber und ihre "Kunscht". (In Hölderlin war ich gut...) - Wuchtigkeit und Größe: Hohlraum des Berliner Stadtschlosses soundsoviel Kubikmeter, und dahinein noch mehr "Kunscht", irgendwelche, warum nicht gleich vom Flohmarkt? Ich glaube ja, dass die "Eliten" Scham und Peinlichkeit gar nicht empfinden können, gemütsarm wie sie sind.
AntwortenLöschenIch habe in letzter Zeit auch einen Ohrwurm, das ist allerdings die Egmont Ouvertüre. Hör ich mir jetzt an, damit er endlich Frieden gibt.
Herzliche Grüße
A.B.
Wagner ist nicht die Kunst der Machthaber, sondern genau das Gegenteil davon. Der Treppenwitz ist, dass die das nicht begreifen, weil sie nie richtig hingehört haben.
LöschenFrau/Mann/Jungs/Maedchen/Alte sollten sich wirklich Gedanken machen, wie die Spiele fuer Mollaths Oeffentlichkei und Freilassung genutzt werden kann....Kuenschtler, Kreative, Aktivisten, Kabarettisten, Engagierte, Dichter und Denker..zornige und phantasievolle Ideengeber!!!
LöschenEin Pro-Mollath Erkennungszeichen fuer alle Teilnehmer, auch Saenger??
Moeglichkeit der Spende fuer sympathisierende oder steuerhinterziehende Besucher?
Ich wünschte mir, wenn dort vor Ort Protest stattfindet, dann möge es in Form und Inhalt unübersehbar deutlich werden, welche Seite rechtens das kulturelle Erbe vertritt. (Wo der Geist steht ist ja auch aus den Schriftsätzen Dr. Strates, mehr als deutlich. - Hätt ich mir früher auch nicht gedacht bei solcher Materie.)
AntwortenLöschenVORSCHLÄGE:
- Als Symbol wäre das Anstecken einer weißen Rose nahe liegend. (Kann man einfachstens mit Seidenpapier, Draht und Schere herstellen.)
- Die Losung "EINIGKEIT! und RECHT! und FREIHEIT!" wäre für die nackte Faust der Macht-Willkür in dieser Situation die perfekte Demütigung.
- Infomaterial und Flyer parat halten
- Man sollte sich vorher untereinander absprechen, persönlich kennenlernen und auf Essentials einigen: Freundlichkeit, Standhaftigkeit und absolute Gewaltlosigkeit. (Klar, dass häßliche Provokationen genau die Bilder wären, die unsere Feinde wollen um uns zu diskreditieren. Mit agents provocateurs ist zu rechnen. Nicht als "Störer" auftreten, sondern als Mahner!)
A.B.
(Wie man sieht, bin ich im Herzen ein 1848er. Da ist noch vieles uneingelöst... Als Mensch aus dem hohen Norden unserer Heimat kann ich leider nicht vor Ort sein.)
Sehr verehrte,gnädige Frau!Seit Ihrer fulminanten "Turandot" in Berlin bin ich ein Fan von Ihnen.Daß Sie nun Ihre Kunst dazu verwenden,dem armen Herrn Molath zu helfen,zeichnet Sie für mich zusätzlich aus.Ich hoffe,daß er mit so prominenter Hilfe bald freikommt!
AntwortenLöschenHerzlichst Ihr E.S.
Hallo E.S.,
Löschenvielen Dank für Ihren Kommentar und das Lob. :-) Als Vertreterin der mehr als flüchtigen darstellenden Kunst freut es mich natürlich, dass Sie sich noch an die damalige Aufführung erinnern. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gustl Mollaths Freiheit in greifbarer Nähe liegt. Vielleicht haben Sie ja Lust, die Petition für ihn mitzuzeichnen? https://www.openpetition.de/petition/online/freiheit-fuer-gustl-mollath
Ihnen herzliche Grüße
Ursula Prem