Sonntag, 26. Juli 2015

288 »Widersprüchliches in den Evangelien in Sachen Auferstehung«

Teil 288 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein

Echte Pferde, echtes Feuer, echter Pulverdampf...

Nach Bad Segeberg haben mich, ich gebe es zu, zunächst keine theologischen Studien, sondern die berühmten Karl-May-Festspiele gelockt: 2014 wurde »Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado« gegeben, 2015 steht »Im Tal des Todes« auf dem Spielplan. Im Kino werden immer teurere Blockbuster geboten, in denen die »Schauspieler« kaum noch eine Chance haben wirklich zur Geltung zu kommen, weil immer raffiniertere »special effects« alles dominieren. Hinter den Kulissen wird eifrig an einem »Duftkino« gearbeitet. Ein »sniffman«, ein »mobiles Duftgerät« von der Größe eines Walkmans, soll für geruchliche Untermalung sorgen. Ob sich diese Neuerung je durchsetzen wird, das sei dahingestellt. In Bad Segeberg indes ist ein solcher technischer Schnickschnack nicht erforderlich. Da galoppieren echte Pferde, manchmal auch zwischen den Zuschauern, da sorgt Pyrotechnik für echten Pulverdampf, da werden Fantasien von Karl-May-Lesern nicht in teurer 3D-Technologie geboten, sondern real umgesetzt. Mit den Karl-May-Festspielen, die Jahr für Jahr mehr Zuschauer anlocken, kann kein Kino mithalten.

Die Marienkirche von Bad Segeberg
1156 erfolgte in Bad Segeberg die Grundsteinlegung der Marienkirche. 1199 verweist erstmals eine päpstliche Urkunde auf den Sakralbau, der erst im dreizehnten Jahrhundert vollendet wurde. 1470 wurde das Gotteshaus erweitert. Im Osten wurde ein Chorraum hinzugefügt. 1522 wurde das Kloster Segeberg aufgelöst. Im Dreißigjährigen Krieg kam es zu erheblichen Beschädigungen. 

Das nördliche Querschiff und andere Gebäudeteile waren wohl einsturzgefährdet und mussten abgerissen werden. In den Jahren 1761 bis 1764 wurde das Südschiff abgerissen. Ein neues Schleppdach sollte Schutz bieten. In den Jahren von 1864 bis 1867 wurde die ursprüngliche Gestalt der Kirche rekonstruiert. So wurde das Gotteshaus wieder zur Basilika mit Querschiff.

Betritt man die Marienkirche zu Bad Segeberg heute, so wird in dem fast kühl-sachlichen Bau der Blick auf den Altar gelenkt, dessen farbenprächtiger Altaraufbau an die Marktkirche von Hannover erinnert. Anno 1573 wurden Altar und Retabel an die Stelle im Vorchor verbracht, wo er auch heute noch das Zentrum des Kirchenschiffs bildet.

Altar - der kostbare Aufsatz

Wer den Schnitzaltar geschaffen hat, ist nicht mit Sicherheit feststellbar. Er stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert. Es könnte sich um ein frühes Werk des Bildhauers und Bildschnitzers Johannes Brüggemann (um 1480 geboren, etwa 1540 in einem Husumer Armenhaus verstorben) handeln.

Für die Anhängerschaft Jesu war es eine schlimme Zeit der Trauer nach dem Schock des gewaltsamen Todes Jesu. Jesus war von den Römern verurteilt am Kreuz gestorben und schließlich beigesetzt worden. Was geschah danach? Schon die frühe Christengemeinde glaubte: Jesus ist auferstanden! Was geschah nach der Grablegung Jesu? Was können wir der Bibel über das für den christlichen Glauben zentrale Ereignis entnehmen?

Der tote Jesus vor dem Kreuz
Die vier Evangelisten Johannes, Markus, Matthäus und Lukas berichten über die Ereignisse an der Grabstätte. (1) So kurz die Berichte  auch sind, so widersprechen sich die wenigen Verse doch in zahlreichen Punkten. Einig sind sich die vier Autoren nur darin, dass es Frauen waren, die als erste Jesu Grab besuchten. Aber wie viele waren es und welche Frauen? Schon da gehen die Meinungen auseinander!

Johannes: Eine Frau, nämlich Maria von Magdala.
Matthäus: Zwei Frauen, nämlich Maria von Magdala und die »andere Maria«.
Markus: Drei Frauen, nämlich Maria von Magdala, Maria (Mutter des Jakobus) und Salome.
Lukas: Mindestens fünf Frauen, nämlich Maria von Magdala, Johanna, Maria (Mutter des Jakobus) und »die anderen mit ihnen«. Drei Frauen werden namentlich genannt. Die »anderen mit ihnen« müssen mindestens zwei Frauen gewesen sein.

Wie viele Frauen eilten also ans Grab und wann? War es nur eine Frau oder waren es zwei, drei oder mehr? Und wann kamen sie zum Grab?

Johannes: Nachts, als es »noch finster war«.
Markus: Beim Sonnenaufgang.

Das Grab konnte mit einem gewaltigen Stein verschlossen werden. War der Eingang zum Grab frei oder offen?

Matthäus: Das Grab war geschlossen. Ein Engel musste den Stein erst wegwälzen. Nur Matthäus berichtet von »Wachen«, die einen Diebstahl des Leichnams Jesu verhindern sollten. Markus, Lukas und Johannes wissen nichts von diesem wichtigen Detail.
Markus, Lukas und Johannes: Das Grab war bereits offen.

Von den Toten auferstanden
Wen trafen die ersten Zeugen?

Matthäus: Den Engel des Herrn.
Markus: Einen Jüngling.
Lukas:  »Zwei Männer mit glänzenden Kleidern«.
Johannes: Zwei Engel.

Waren der Engel des Herrn von Matthäus und der Jüngling von Markus ein und derselbe? Waren die »zwei Männer« von Lukas die »zwei Engel« von Johannes? So uneins wie sich die Evangelisten über die Männer/ Engel sind, so uneins sind sie sich darüber, wo sie sich befanden und was sie genau taten.

Matthäus: Der eine Engel befand sich außerhalb des Grabes.
Markus: Der Jüngling saß in der Gruft und zwar rechts von Jesu Totenbahre.
Lukas: Die zwei Männer standen (vermutlich) in der Gruft.
Johannes: Die zwei Engel saßen in der Gruft und zwar je einer am Kopf- und Fußende von Jesu Totenbahre.

Einig sind sich die vier Evangelisten in einer Beobachtung:  Jesus, der Gekreuzigte, lag nicht mehr aufgebahrt im Felsengrab. Er war verschwunden. Verkündeten nun die Frauen, was sie beobachtet hatten? Selbst bei der Antwort auf diese wichtige Frage gibt es einen eklatanten Widerspruch! Es sieht nicht so aus, als ob die Frauen an Jesu Auferstehung geglaubt hätten. Sonst wären sie ja nicht über das Verschwinden des Leichnams erstaunt gewesen. Aber offenbar mussten sie erst über den Verbleibt des verschwundenen Jesus aufgeklärt werden. Im Evangelium nach Markus erfahren sie vom Jüngling im weißen Gewand (2): »Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.« 

Matthäus: Die Frauen teilten es »seinen Jüngern« mit großer Freude mit.
Markus: Die Frauen flohen entsetzt und »sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich«.
Lukas: Die Frauen »verkündeten das alles den elf Jüngern und den anderen allen«.
Johannes: Maria Magdalena bleibt zunächst beim Grab.

Jesu Totenbahre ist leer. Was ist mit dem Gekreuzigten geschehen?

Matthäus: Maria von Magdala und »die andere Maria« erfahren vom Engel: Jesus ist auferstanden.
Markus: Maria von Magdala, Maria (Mutter des Jakobus) und Salome erfahren vom »Jüngling«: Jesus ist auferstanden.

Himmelfahrt Jesu
Lukas: Mindestens fünf Frauen, nämlich Maria von Magdala, Johanna, Maria (Mutter des Jakobus) und »die anderen mit ihnen« erfahren von den »zwei Männern«: Jesus ist auferstanden.

Johannes: Maria von Magdala vermutet, der Leichnam Jesu sei gestohlen worden. Maria glaubt zunächst nicht an die Auferstehung. Schließlich tritt ihr Jesus gegenüber, aber sie erkennt ihn zunächst nicht. Jesus selbst verkündet, er sei auferstanden. Nur bei Johannes erscheint Jesus am leeren Grab. Bei Matthäus, Markus und Lukas findet die Begegnung erst später, zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt, statt.

Man kann sich die Freude Marias gut vorstellen. Eben noch war sie zutiefst betrübt über den Kreuzestod Jesu. Jetzt erfährt sie: Er ist auferstanden! Begeistert will sie Jesus begrüßen. Der aber weist sie mit einer seltsamen Begründung zurück! Bei Johannes (3) lesen wir: »Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Himmel!«

Nachzuvollziehen ist diese Begründung nicht. Maria darf Jesus nicht berühren, da er noch nicht gen Himmel gefahren sei. Aber nach der Himmelfahrt kann sie ihn nicht mehr berühren, da er dann ja im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr greifbar ist. Bei Matthäus (4) gibt es dieses Tabu nicht. Jesu Jünger, zu denen ganz offensichtlich auch Maria Magdalena gehört, dürfen ihn zur Begrüßung anfassen. Und das, obwohl er zu diesem Zeitpunkt ja auch noch nicht zum Vater gen Himmel gefahren war!

Blick in die Marienkirche
Der Theologe John Wenham gehört nicht gerade zu den kritischen Vertretern seiner Zunft. Für ihn ist die Bibel das Buch der Wahrheit. Aber auch er muss in seinem Buch »The Easter Enigma« (5)  konstatieren: »Nun wird die Geschichte von Jesu Auferstehung von verschiedenen Autoren erzählt, deren Berichte voneinander in einem erstaunlichen Maße abweichen. So sehr, dass  herausragende Gelehrte kategorisch festgestellt haben, dass sie nicht miteinander in Einklang gebracht werden können.«

Fußnoten

1) Das Evangelium nach Matthäus Kapitel 28, Verse 1-10, das Evangelium nach Markus Kapitel 16,1-11, das Evangelium nach Lukas Kapitel 24, Verse 1-12 und das Evangelium nach Johannes Kapitel 20, Verse 1-18
2) Das Evangelium nach Markus Kapitel 16, Vers 6
3) Das Evangelium nach Johannes Kapitel 20, Vers 17
4) Das Evangelium nach Matthäus Kapitel 28, Vers 9
5) Wenham, John: »Easter Enigma«, Grand Rapids 1984, S. 99

Die Marienkirche von Bad Segeberg
289 »Maria Magdalena?«
Teil 289 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 02.08.2015

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