Sonntag, 21. Juli 2019

496. »Licht und Hölle im Nahbereich Tod«

Teil 496 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Gekreuzigter bei Holzhausen
Als Hannelore S. das Licht am Ende des Tunnels immer rascher näherkommen sah, machte sie eine Gestalt aus. »Sie hob sich hell vom hellen Licht ab. Sie strahlte in gleißendem Licht. Ich fühlte mich von ihr angezogen. Ihr Licht blendete aber nicht. Es war ein Engel. Er trug ein fließendes, lang wallendes Gewand. Am Rücken waren zwei mächtige Flügel, die weit über die Schultern reichten. Jener Engel öffnete die Flügel weit, breitete sie aus und versperrte mir den Weg. Er bewegte zwar nicht die Lippen. Ich konnte aber deutlich seine Worte vernehmen: ›Bis hierher und nicht weiter! Noch ist deine Zeit nicht gekommen!‹«

Nach den Recherchen von George Gallup Jr. dürfte etwa jeder dritte Amerikaner, der ein Nahtoderlebnis hatte, auch so eine »Gestalt« wahrgenommen haben. Sie berichten, »die Gegenwart eines Wesens gespürt oder eine sonstige konkrete Erfahrung mit dem Jenseits gehabt zu haben.« Dr. Moody erfuhr durch Befragung von Menschen, die klinisch bereits tot waren, das Gleiche. Er fasst zusammen: »Eine ganze Reihe von Menschen hat mir berichtet, dass sie irgendwann im Laufe ihres Sterbeerlebnisses, sei es gleich zu Beginn, sei es erst später, die Gegenwart anderer spiritueller Wesen in ihrer Nähe wahrgenommen hätten. Diese Wesen seien offensichtlich gekommen, um ihnen den Übergang in den Tod zu erleichtern, oder aber um ihnen anzukündigen, dass die Zeit zu sterben für sie noch nicht gekommen sei, weshalb sie in ihren stofflichen Körper zurückkehren müssten.«

Hannelore S.: »Hinter den Flügeln nahm ich weitere Gestalten war. Sie winkten mir zu, freudestrahlend. Sie gaben mir zu verstehen, dass sie wieder zur Stelle sein würden, sobald ich sterben würde. Ich drehte mich um und flog wieder durch den Tunnel. Dabei flackerten Bilder vor meinem ›geistigen Auge‹ auf. Es begann mit dem Unfall, den ich nochmals wie in einem Film sah, dann folgten, immer weiter zurückgehend, blitzartig aufleuchtend, Szenen aus meinem Leben. Ich erlebte mich schließlich sogar als Baby im Arm meiner Mutter.« 

X
Eine solche »Rückschau« erlebten viele der von Dr. Moody befragten Menschen mit Sterbeerlebnissen. Manche sahen so etwas wie einen Film im Zeitraffertempo ablaufen. Andere visionierten ein eher chaotisches Durcheinander von Erinnerungsfetzen. Dr. Moody: »Obwohl sie so außerordentlich rasch vor sich geht, wird die Rückschau, die fast durchwegs als Spiel visueller Vorstellungsbilder bezeichnet wird, von den Betroffenen doch übereinstimmend als erstaunlich lebendig und lebensecht dargestellt. In manchen Fällen wird von dreidimensionalen und sogar bewegten Bildern in lebhaften Farben berichtet. Selbst wenn sie Schlag auf Schlag vorbeiflimmern, wird doch jedes einzelne Bild wahrgenommen und auch erkannt, ja während des Betrachtens werden die mit den Bildern zusammenhängenden Gefühle und Gemütsbewegungen manchmal sogar erneut durchlebt.«

Genauso erging es Hannelore S.: »Diese Filmsequenzen sausten förmlich an mir vorbei. So wohl ich mich gefühlt hatte, als es in Richtung Licht zuging, so gern ich auch vollkommen in das Licht eingetaucht wäre, jetzt war ich froh, dass es wieder zurück in mein ›altes Leben‹ ging. Bei den Bildern von bestimmten Szenen aus meinem früheren Leben hatte ich erneut die Gefühle von damals verspürt. Ich  konnte zum Beispiel den salzigen Geschmack der Lippen meines ersten Freundes schmecken, vom ersten zärtlichen Kuss als 16jährige.« Hannelore S. empfand schon bald die Chance nochmals in ihr altes Leben zurückkehren zu können, als überaus positiv. Das ist eher selten. Die meisten Menschen mit Nahtoderlebnissen haben sich gegen diese Rückkehr gewehrt. Ganz typisch ist das bereits mehrfach zitierte Erlebnis von Alberta Osborne. Bei ihr folgte auf das als wunderschön empfundene Licht die Rückkehr in die Intensivstation des Krankenhauses:

Foto 2: Höllenwelten von Herrad von Landsberg.
»Dann, schlagartig, hörte ich menschliche Stimmen. Ich wollte die Stimmen nicht vernehmen. Ich wollte bleiben wo ich war und ich wollte nicht zurück. Ich versuchte den Atem anzuhalten, in der Hoffnung, wieder zurückgehen zu können. Aber was auch immer ich versuchte, nichts funktionierte und so fing ich an zu realisieren, was die Menschen um mich herum sagten. Die Schwester meinte zum Arzt: ›Ich hoffe, dass die Nadel nicht zu dick war, ich hatte ja keine Zeit!‹ Und der Arzt antwortete ihr: ›Sie war zu dick, ich musste vorsichtig sein, keinen Knochen zu treffen!‹ Dann wurde mir bewusst, dass eine Nadel in meiner Brust steckte, die in mein Herz führte. Ich hatte eine Injektion ins Herz bekommen.« Sie fragte sich, was geschehen war. Da hörte sie die Antwort von einem der Menschen in ihrer Nähe: »Ihr Herz war stehengeblieben. Sie war dreieinhalb Minuten klinisch tot! Aber jetzt atmet sie wieder!«

Die meisten der Menschen, die Sterbeerlebnisse hatten und mit denen Dr. Raymond Moody gesprochen hat, kehrten nur widerwillig um. »Sobald die Sterbenden in ihrem Erlebnis bis zu einer gewissen Tiefe vorgedrungen sind, liegt ihnen nicht mehr an der Rückkehr, ja sie scheinen sich sogar dagegen zu sträuben, ihre körperliche Existenz wieder aufzunehmen. Insbesondere gilt das für diejenigen, die schon so weit gekommen waren, dass sie dem Lichtwesen begegneten. Wie ein Mann es überschwänglich formulierte: ›Die Nähe dieses Wesens wollte ich nie mehr verlassen!‹«

Foto 3: Höllenwelten von Herrad von Landsberg.
Es ist nur zu verständlich, dass die Sterbeerlebnisse von allen Betroffenen als starker Einschnitt im Leben empfunden wurden. Verglichen mit dem bis dahin erlebten Alltag ist die neue Realität im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch. Was bis dahin als einzige wirklich Welt empfunden wurde, erscheint jetzt als Teil einer umfassenderen Wirklichkeit. Der Tod ist dann nicht das Ende, sondern nur eine Grenze, die überschritten wird. Alberta Osborne stellte rückblickend fest: »Nichts im Leben lasst sich mit der Freude, der Schönheit und dem Frieden vergleichen, was einen alles erwartet, wenn man dieses Leben verlässt und in das nächste eintritt. Ich war dort drüben, wenn auch nur für kurze Zeit und bin zurückgeschickt worden. Das ist es, was ich als Botschaft all jenen vermitteln möchte, die noch Angst vor dem Sterben haben. Lass’ sie los, die Angst. Es gibt nichts Schöneres als das, was nach dem Leben kommt, wenn wir versuchen, richtig zu leben. Leben beinhaltet so viel Schmerz, Kummer, Sorgen und Angst. Doch das alles ist vorbei, wenn der Herr uns zu sich nimmt. Oh, dieser Frieden, diese Freude wird niemand kennenlernen, bevor er nicht dorthin gelangt. Das heißt aber nicht, dass man sich beeilt, dorthin zu gelangen, heißt nicht, dass man sich das Leben nimmt!

Nein, man muss alles Gott überlassen! Ich will keineswegs behaupten, perfekt zu sein. Ich habe viele Fehler in meinem Leben begangen, genau wie andere auch. Aber Gott schickte mich zurück ins Leben, mit einem Grund. Er zeigte mir nur einen Schimmer davon, wie schön der Tod sein kann, aber jetzt weiß ich eines gewiss. Ich kann die Fehler in meinem Leben sehen. Mein Erlebnis mit dem Sterben hat mir gezeigt, wie schön der Himmel sein wird. Das Thema Sterbeforschung hatte mich vor meinem Erlebnis nie interessiert. Doch seither lese ich alles, was ich zu diesem Thema finden kann und habe schon einiges an Nachforschungen geleistet. Niemand wollte jemals wieder zurück ins irdische Leben der einmal drüben war. Ich schließe mit der Aufforderung: Fürchte dich nicht vor dem Tod. Wenn du versuchst zu leben, wie du sollst, dann kannst du auf den Ruf warten. Du hast etwas Schönes in Aussicht, das wunderbarer sein wird als alles, was du je erlebt hast: den Tod. Er ist nicht von dieser Welt!«

Foto 4: Höllenwelten von Herrad von Landsberg.

Alle Menschen, die Sterbeerlebnisse hatten, haben ihre Angst vor dem Tod verloren. Das ist das wichtigste Ergebnis von Dr. Raymond Moody. Einer der von Dr. Moody befragten Betroffenen: »Als ich noch ein kleiner Junge war, grauste es mir vor dem Sterben. Ich wachte nachts häufig auf und schrie und tobte. Meine Mutter und mein Vater stürzten in mein Zimmer und fragten mich, was denn los sei. Ich sagte zu ihnen: ›Ich will nicht sterben, aber ich weiß, dass ich sterben muss. Ihr solltet machen, dass das aufhört.‹ Meine Mutter sprach dann mit mir und sagte: ›Nein, das können wir nicht, es muss wohl so sein, wie es ist und wir müssen uns alle damit abfinden.‹ Sie sagte, dass wir es alle ganz allein vollbringen müssten und dass wir, wenn es soweit sei, unsere Sache auch gut machen würden. Und noch viele Jahre später, als meine Mutter längst gestorben war, sprach ich mit meiner Frau über den Tod. Ich hatte immer noch Angst davor. Ich wollte nicht, dass er zu mir komme. Aber seit diesem Erlebnis (mit dem Tod) fürchte ich mich nicht mehr vor dem Tod. Derartige  Gefühle sind verflogen. Beerdigungen sind mir nicht mehr zuwider. Ich fühle dabei sogar etwas wie Freude, weil ich weiß, was der Tote hinter sich gebracht hat. Ich glaube, dass Gott mir dieses Erlebnis zugeteilt hat, weil ich mich so sehr vor dem Tode gefürchtet habe. Ich rede nicht viel über diese Dinge, aber ich weiß genug, und das macht mich ruhig und zufrieden.«

Was Menschen über ihre Sterbeerlebnisse berichten, klingt trostreich. Fragen aber bleiben. Das größte Geheimnis der Menschheitsgeschichte bleibt bestehen: Was erwartet uns nach dem Tode? Irgendwann wird jeder Mensch diese Frage für sich ganz persönlich beantworten können. Mehr Zeitgenossen als man gewöhnlich annimmt haben Nahtoderlebnisse. Und sie alle kommen zur Überzeugung, dass der physische Tod nicht das Ende ist. Es geht weiter.

Einige Menschen, die klinisch tot oder dem Tod sehr nahe waren, erinnern sich an Höllenvisionen. Ernst M., zum Beispiel (2), sah sich zusammen mit anderen »Toten« in einem Käfig im Höllenfeuer. »Eine Stimme ermahnte mich. So würde ich enden, wenn ich meinen Lebensweg nicht ändern würde. Tatsächlich hatte ich bis dahin manches getan, was eigentlich mit meinem Gewissen nicht vereinbar war. Mein Erlebnis im Todesbereich war alles andere als angenehm. Seither lebe ich so, dass ich keine Gewissenskonflikte habe!«

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Von Herrad von Landsberg (*1125-1130; †1195), einer hochgebildeten Äbtissin und Schriftstellerin, stammt der »Hortus Deliciarum«. Das Werk, in lateinischer Sprache verfasst, war eine einzigartige Enzyklopädie des Wissens. Es enthält eine äußerst detailreiche Darstellung der höllischen Unterwelt, ein Dokument religiöser Fantasien und Ängste. Wenn manche Menschen in Nahtoderlebnissen Höllenszenen durchleben, sind diese Bilder dann Ausdruck ihrer Ängste? Wenn Menschen im Nahbereich Tod verstorbene Verwandte und Freunde entgegenkommen, sind das dann echte Erlebnisse oder nur die visualisierten Hoffnungen der Menschen, die fast gestorben wären?

Fußnoten
1) Moody, Raymond A.: »Leben nach dem Tod/ Die Erforschung einer unerklärten Erfahrung«, Hamburg 1977
2) Persönliche Mitteilungen von Ernst M., Name geändert
Literatur
Doucet, Friedrich W.: »Die Toten leben unter uns«, Wien 1979
Gallup Jr., George: »Begegnungen mit der Unsterblichkeit«, München 1983
Moody, Raymond A.: »Blick hinter den Spiegel/ Botschaften aus der anderen Welt«, München 1994


Zu den Fotos
Foto 1: Der Gekreuzigte, unweit Keltenschanze 2, Holzhausen, Foto Walter-Jörg Langbein

Fotos 2-4: Höllenwelten von Herrad von Landsberg. wikimedia commons gemeinfrei 
X: Höllenwelten von Herrad von Landsberg. wikimedia commons gemeinfrei

497. »›Geheime Dinge hat er gesehen.‹«
Teil 497 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 28. Juli 2019
 


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