Sonntag, 27. Januar 2013

158 »Geheimnisvolle Stelen, mysteriöse Altäre«

Teil 158 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Einer der kuriosen Altäre
von Copan - Foto: W-J.Langbein
Aus der Luft betrachtet, bietet Copán Erstaunliches: Haben doch die Mayas einst den gesamten Bereich der Stadt und seine »Vororte« mit einem komplexen Kanalisationssystem versehen. Vor Ort versicherte man mir: Die Mayas überzogen das Land mit Kanälen von insgesamt einigen Tausend Kilometern Länge! Die – in den Augen noch so mancher heutiger Zeitgenossen – »primitiven« Mayas wären entsetzt gewesen ob der hygienischen Zustände in Europas Metropolen zur Maya-Zeit. Damals kippte der »kultivierte« Londoner, Pariser oder Römer sein Abwasser einfach aus dem Fenster ...

Barbarisch war auch der Umgang der »zivilisierten« Europäer mit der uralten Kultur der Mayas. Ihr gesamtes Schrifttum wurde verbrannt. So gingen wahre Schätze wissenschaftlicher Literatur der Maya-Experten, etwa in Sachen Astronomie, verloren ... während an den Universitäten Europas Astrologie noch als »wissenschaftliches« Lehrfach unterrichtet wurde. Und während in Europa »Ketzer« gefoltert wurden ... blühte in Copán die wissenschaftliche Astronomie. Copán, so stellte Maya-Forscher Sylvanus Griswold Morley (7.Juni 1883 bis 2. September 1948) fest, war das glänzende Zentrum der Wissenschaft.

»Morley war einer der führenden Maya-Experten seiner Zeit ...« erklärte mir mein Guide vor Ort. »Er erkannte, dass die Mayas so etwas wie ein astronomisches System verewigten ... indem sie Stelen an exakt berechneten Stellen errichteten.« Ich hake nach: »Aber ist die These von astronomischen Beobachtungslinien nicht längst widerlegt? Oft kann man doch gar nicht von einer Stele zur anderen peilen, weil Bergrücken dazwischen liegen ...« Milde lächelte mein Guide: »Aber das beweist doch, dass die Mayas über ein unglaubliches astronomisches Wissen verfügten! Sie errechneten die astronomisch bedeutsamen Linien ... verewigten ihr Wissen in Stein!«

Stele A zeigt Mensch,
Herrscher und Gott.
Foto: W-J.Langbein
Nochmals fragte ich nach: »Aber stellen die Stelen nicht so etwas wie einen steinernen Wald dar?« Nachsichtig erklärte mein Guide weiter: »Aber das ist doch kein Widerspruch! Die Stelen sind ›steinerne Bäume‹, die an astronomisch bedeutsamen Punkten sitzen!«

Stele A, zum Beispiel, steht auf dem »Platz der Sterne«. Mein Guide: »Nach mündlicher Überlieferung gab es eine Verbindung zwischen dem Kosmos und den Stelen. Zumindest einige von ihnen bilden so etwas wie ein Kartenwerk des Weltalls, mit wichtigen Sternen ... Das konkrete Wissen über die Mayas und kosmische Bilder ist verloren gegangen ...« Menschliches und Göttliches verschmilzt bei den mysteriösen Maya-Stelen von Copán. So zeigt Stele A einen irdischen Maya-Regenten, dessen Gesichtszüge aber göttlich sind. Seine Augen sind typisch für Darstellungen des Sonnengottes.

Stele A zeigt, so heißt es, Waxaklajuun Ub'aah K'awiil, den 13. von sechzehn Herrschern. Stele A, die als eine der schönsten gilt, sollte so schnell wie möglich durch eine Kopie ersetzt und in einem klimatisierten Museum vor weiterem Verfall bewahrt werden.

Stele D: Irdischer
Herrscher mit
Göttermaske
Foto: W-J.Langbein
Stele D zeigt den irdischen Herrscher, der sich aber als himmlisches Wesen, als Gott verkleidet. So trägt er nach heutigem Verständnis eine Maske vor dem Gesicht, mit Öffnungen für die Augen und den Mund. Der weltliche Machthaber präsentiert sich als greisenhafter Gott, vielleicht als Sonnengott. Mein Guide: »Die Götter und Göttinnen der Mayas waren keine Geistwesen, sondern reale Gestalten aus Fleisch und Blut. Die Regenten versuchten, diesen Himmlischen ähnlich zu sehen. Sie wollten ihnen gleichen, wollten ihre Autorität beanspruchen, um sich so ihre Vormachtstellung zu sichern!« Wahrscheinlich haben die letzten Herrscher von Copán den Götterkult übertrieben. Das einfache Volk hungerte, musste zu Ehren der Götter immer neue Stelen aufstellen!«

Mit primitivsten Mitteln mussten prächtige, tonnenschwere Stelen oft viele Kilometer weit befördert werden ... oft bergan. Nach Anweisungen der Priesterastronomen musste jede an einer ganz genau errechneten Position platziert werden. Mag sein, das das hungernde Volk der Obrigkeit den Gehorsam verweigerte.

Diese Überlegungen mögen einleuchten, sind aber reine Gedankenspiele. Nirgendwo findet sich ein Hinweis in Glyphenform, dass die schweren Arbeiten so etwas wie Sklavendienste und nicht freiwillig waren.

Altar G - Fotos:

 W-J.Langbein
Meiner Meinung nach wird von Seiten der Wissenschaft viel zu wenig die mündliche Überlieferung der Nachkommen der Mayas berücksichtigt. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass die Herren Wissenschaftler mit Arroganz auf die Nachkommen der einstmals so stolzen Mayas herabblicken. Sie, die modernen Wissenschaftler, wollen sich von den »schlichten« Menschen aus dem Raum Copán nicht sagen lassen, was ihre Urahnen darstellen wollten. So heißen die zum Teil kuriosen Skulpturen nach wie vor Altäre, obwohl feststeht, dass sie alles gewesen sein mögen ... nur eben keine Altäre.
»Altar G«, so heißt es in der mündlichen Überlieferung, stellt ein Wunderwesen dar, das zwei Häupter hat. Eines blickt nach links, eines nach rechts. Die linke Hälfte symbolisiere den Tod, das Sterben, das scheinbare Ende. Die rechte Seite stelle die Wiedergeburt, das Wiedererstehen des Lebens dar.

An den schmalen Seiten des mysteriösen »Altars« sind Köpfe zu erkennen. Sie sind sauber und realistisch herausgearbeitet, sie sind naturalistisch. Die übrigen Bereiche muten wie abstrakte Gemälde oder unverständliche Symbole an. Die mündliche Tradition jedenfalls geht von zwei Häuptern einer Kreatur aus: nach links blickt das Haupt des Todes und des Sterbens, nach rechts das der Wiedergeburt und des Lebens.

Häupter des Todes und des Lebens
Fotos: W-J.Langbein
Auch wenn die Nachkommen der Mayas Nachfahren von Nachfahren von Zwangschristianisierten sind ... so blieb doch die uralte Maya-Vorstellung vom ewigen Kreislauf des Lebens erhalten.

Auf uns wirkt Copán mit seinen steinernen Stelen ... die auch als steinerne Bäume gesehen werden ... und mit seinen bizarren Skulpturen geheimnisvoll und rätselhaft. Die Vorstellung von einer sich ewig, zyklisch wiederholenden Zeit ist uns fremd. Unser Denken ist vom christlichen, linearen Weltbild geprägt. Da gibt es einen Nullpunkt (Schöpfung) und einen Endpunkt (Apokalypse der endgültigen Zerstörung). Die Zeit ist also endlich.

Und wenn wir nur für einen begrenzten Zeitraum auf Planet Erde zu leben haben, kann man ja sorglos seinem Egoismus frönen und mit den Ressourcen unserer Erdkugel verschwenderisch umgehen. Es naht ja nach dieser Vorstellung das Weltenende, die Apokalypse. Wieso sollte man dann noch schonend mit »Mutter Erde« umgehen? Wenn man aber von ewiger Wiederholung ausgeht, wenn es keinen Anfang und kein Ende gibt, dann müssen die Ressourcen an Rohstoffen auch endlos zur Verfügung stehen.

Wir aber leben heute so, als könnten wir ohne Bedenken alle Rohstoffe verbrauchen, weil das Ende sowieso »vor der Tür« steht. Wir konsumieren heute, was unsere Nachkommen morgen bitter entbehren müssen. Schlimmer: Wir verschwenden schon heute, während ein stetig wachsendes Heer von Menschen bittere Armut leidet und hungert. Wir sollten uns, wenn es nicht schon längst zu spät ist, endlich konsequenter der Maya-Denkweise bedienen ...

Mysteriöse Skulpturen und Altäre sind und bleiben rätselhaft. Ob wir die Geheimnisse der Mayas je wirklich verstehen werden? Ich habe da meine Zweifel. Die Kunstwerke von Copán – wie zum Beispiel ein an Loriot erinnerndes knollnasiges Männchen – bedürfen der Erklärung. Vielleicht gab es sie einst: die Codices der Mayas, die man wie ein Buch lesen könnte. Aber leider wurden die Texte ja verbrannt ...

Mysteriöse Knollennase - Foto: W-J.Langbein
»Uaxactún und der Krieg der Sterne«,
Teil 159 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 03.02.2013


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