Sonntag, 10. September 2017

399 »Das Geheimnis der fliegenden Kapelle«

Teil 1 »Birkenstein und Orte der Weisheit«,
Teil  399 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein


Fischbachau ist ein idyllischer Urlaubsort in Oberbayern. Er liegt an der malerischen Leitzach im Mangfallgebirge. Zwei sakrale Sehenswürdigkeiten gibt es, nämlich »Mariä Schutz« und das  »Martinsmünster«. Das »Martinsmünster« gilt als die besterhaltene romanische Basilika Südbayerns. »Mariä Schutz« ist vielleicht kunsthistorisch noch bedeutsamer, ist doch die »Alte Pfarrkirche« vielleicht nicht der älteste, aber der älteste unveränderte Kirchenbau Altbayerns.

Foto 1: Fischbachau im Winter.

Nach mehreren Regentagen Anfang Mai 2017 ist uns – mir und lieben Freunden aus dem Münchner Umland – der Wettergott mehr als gnädig. Nach heftigen Regenschauern von graublauem Himmel lacht die Sonne vom bayerisch-blauen Firmament. Einzelne weiße Wölkchen heben noch die herrliche Bläue des Himmels hervor. Und »Mariä Schutz« und das  »Martinsmünster« strahlen in blendendem Weiß förmlich miteinander um die Wette.

Aber uns zieht es zunächst einmal weiter gen Himmel, den Berg hinauf zum ehemaligen Kloster und der Klosterkapelle von Birkenstein. Man sieht nur mit dem Herzen gut, so heißt es. Dieses Wort trifft auf Birkenstein zu. Die Schönheit Birkensteins, seine mystische Atmosphäre, lässt sich weder fotografieren, noch in angemessene Worte fassen. Man muss Birkenstein und seine Geheimnisse einfach erleben!

Per Zug ist Birkenstein von München aus zu erreichen. Man fährt Richtung Bayrischzell und steigt in Fischbachau aus. Von da aus geht es per Taxi oder zu Fuß weiter. Eine Stunde Fußweg muss man einkalkulieren. Bequemer ist die Anreise per PKW. Von München aus fährt man auf der Autobahn Richtung Salzburg. Man erlässt die Autobahn entweder bei der Ausfahrt Wayarn oder bei der Ausfahrt Irschenberg. Von da aus geht es nach Miesbach. Wunderschön ist die weitere Fahrt durch das wunderschöne Leitzachtal bis nach Fischbachau. Man kann aber auch Fischbachau über Schliersee erreichen. Den letzten Kilometer muss, nein darf man zu Fuß gehen, dann kommt man in Birkenstein an.

Anfang Mai 2017 drohte mein Besuch in Birkenstein auszufallen. Bedingt durch Straßensperrungen und Baustellen komme es in der Region zu Staus. Birkenstein müsse aus dem Programm genommen werden. Auf kleinen Nebensträßchen der idyllischen Art erreichten wir dann aber doch das Ziel, die mysteriöse Klosterkapelle.

Eigentlich könnte man sich tagelang in Fischbachau aufhalten, zahlreiche Hinweise auf uralten Volksglauben studieren. Der Bildstock des Heiligen Nepomuk zum Beispiel ist einen Besuch wert. 

Foto 2: Nepomuk von Fischbachau.
Johannes ne Pomuk, also Johannes aus Pomuk, Tschechien 1380 wurde zum Priester geweiht und Pfarrer an der Kirche St. Gallus in Prag. Sein energisches Auftreten für die Rechte der Kirche, seine mutige Haltung gegenüber dem König machte den konsequenten Theologen beim Volk beliebt. Er ließ sich, heißt es, den Mund nicht verbieten, worüber sich König Wenzel offenbar maßlos ärgerte. Zu allem Überfluss erkor sich die Königin Johannes ne Pomuk zum Beichtvater.

König Wenzel wollte nun von Nepomuk erfahren, was seine Ehefrau so an Sünden zu beichten Pflegte, aber auch unter schlimmster Folter bewahrte Nepomuk das Beichtgeheimnis. So starb er nach schlimmsten Qualen, so wird überliefert, als Märtyrer. Eine Legende schildert, fünf Sterne hätten der Königin gezeigt, wo der geschundene Leichnam des Priesters zu finden sei. Tatsächlich wurde der Körper Nepomuks gefunden und konnte beigesetzt werden. Angeblich wurden seine Gebeine und seine Zunge anno 1719 bei einer Graböffnung unversehrt vorgefunden. Zehn Jahre später wurde Johannes Nepomuk kanonisiert. Das »Zungenwunder« wurde als Zeichen des Himmels gesehen. Kein Wunder, dass Nepomuk zum Patron der Beichtväter wurde.

Eigentlich sollte man sich Zeit nehmen für Birkenstein und seine Klosterkapelle. Hand aufs Herz: Ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen für Birkenstein. Eigentlich sollte man nicht mit dem Auto anreisen, sondern als Pilger besuchen. Aber ich bin froh, überhaupt in Fischbachau und Birkenstein gewesen zu sein.

Wie ich vor Ort erfahren habe finden alljährlich 43 Fußwallfahrten nach Birkenstein statt. Manche haben schon eine sehr alte Tradition. So finden schon seit 1835 Fußwallfahrten von Obertaufkirchen bei Erding statt. Zwischenstation ist Tuntenhausen. Eine Wallfahrtskirche von Tuntenhausen ist bereits anno 1226 erstmals urkundlich erwähnt. Am späten Nachmittag des zweiten Tages erreichen die Pilger Birkenstein.

Foto 3: Der Verfasser in Birkenstein.

1470 bis 1480 wurde der Sakralbau durch eine größere Hallenkirche ersetzt, 1513 bis 1533 kamen die beiden markanten Doppeltürme hinzu. In den Jahren 1548 und 1584  setzten gewaltige Brände dem Gotteshaus zu. Die Kirche konnte aber wieder instand gesetzt werden. Der für heutige Zeitgenossen kuriose Name der Gemeinde Tuntenhausen  geht auf einen frühen Siedler namens Tunti oder Tunto zurück, der bereits im 8. Jahrhundert dokumentiert ist. Tuntenhausen ist also als »Befestigte Wohnanlage« oder «Burg« des Tunti/ Tunto zu verstehen.

Foto 4: Wallfahrtskirche von Tuntenhausen

Zurück ins 21. Jahrhundert. Zurück in unsere Zeit des Lärms und der Hektik. Dank des Internets können wir schneller denn je an Informationen gelangen. Dank des Internets können wir weltweit Kontakte knüpfen, ohne auf Entfernungen achten zu müssen weltweit mit anderen Menschen sprechen. Ich weiß die Segnungen des Internets sehr zu schätzen, so wie ich auch den modernen Wissenschaften wirklich außerordentlich dankbar bin. Die faszinierenden Wissenschaften haben uns viele Fenster geöffnet, die uns unglaublich viel von der Wirklichkeit zeigen. Seit Jahrhunderten explodierte das Wissen auf Planet Erde geradezu. Und dank des Internets ist heute allgemein zugänglich, was noch vor wenigen Generationen nur von Wenigen eingesehen werden konnte, die Zugang zu den größten Bibliotheken ihrer Zeit hatten.

Je weiter die Pioniere der Wissenschaft vorankamen, je größer der von ihnen angehäufte Wissensschatz wurde, desto schneller wuchs die Spezialisierung. Und je größer das Messbare, heute schon wissenschaftlich erfassbare und überprüfbare Wissen wird, desto größer wird die Distanz zur Mystik. Ja alles was nicht irgendwie messbar ist, was sich nicht mittels wissenschaftlicher Formeln definieren lässt, scheint offiziell gar nicht existieren zu dürfen. Dabei gibt es doch schon seit Jahrzehnten intensive Bemühungen Mystik und Wissenschaft nicht als unvereinbar Gegensätzliches zu sehen.

Allen voran versuchte Bestsellerautor (1) Fritjof Capra (* 1. Februar 1939 in Wien), ein österreichisch-amerikanischer Physiker, Systemtheoretiker und Philosoph, mit einem ganzheitlich-systemischen Ansatz eine Verbindung zwischen östlicher Mystik und moderner Physik herzustellen. Versuchten Weise der letzten Jahrtausende, die Wahrheit hinter dem Vordergründigen zu erkennen, so gibt es seit Jahrzehnten ernsthafte Bemühungen, das Gemeinsame von Wissen und Geheimnis zu finden (2).

Foto5: Fritjof Capra.
Ich frage mich immer wieder, ob nicht die moderne Wissenschaft des scheinbar Faktischen, eine wesentliche menschliche Fähigkeit mehr und mehr verkümmern lässt? Ich meine die Fähigkeit des Spürens, des Erfühlens von einer letztlich noch unser Vorstellungsvermögen bei weitem überschreitenden Weisheit. Betreten wir damit die Welt der Religionen? Auf der einen Seite gibt es die strenge materialistische Schulwissenschaft. Auf der anderen Seite gibt es die Welt der großen Religionen, die zu mächtigen Institutionen geworden sind. Das freilich war alles andere als im Sinn der großen Weisen vergangener Jahrtausende (3).

Institutionalisierten Religion geht es freilich früher oder später nur noch um Macht. Um diese Macht umsetzen zu können, benötigen sie Menschen, die sich das Denken abnehmen lassen. Was sie nicht gebrauchen können, das sind Menschen, die versuchen, mit selbständigem Denken und Weisheit die Realität zu erfassen. Sie sehen die Dinge nicht, wie sie nach Meinung ihrer Vordenker gesehen werden müssen, sie wollen sich ein eigenes Bild machen. Solche Menschen entziehen sich der Macht von Wissenschaftlern wie von Geistlichen, die vorschreiben wollen, was zu glauben ist und was nicht.

Was ich mich seit vielen Jahren frage: Gibt es auf unserem Planeten Erde Orte, an denen Weisheit besser erspürt werden kann als an anderen Orten? Ich meine ja. Und ich bin davon überzeugt, dass solche Stätten seit Jahrtausenden bekannt sind. An solchen Orten hat man schon vor Jahrtausenden Menhire errichtet, geheimnisvolle Zeichen in Berghänge gekratzt, Tempel gebaut, die dann später von Vertretern der großen Religionen vereinnahmt wurden.


Foto 6: Einer der »alten Weisen«.

Fußnoten

1) Capra, Fritjof: »Das Tao der Physik/ Die Konvergenz von westlicher
     Wissenschaft und östlicher Philosophie«, Neuausgabe, Bern, München, Wien,
     1984
2) Davies, Paul: »Gott und die moderne Physik«, Vorwort von Hoimar von
     Ditfurth, München 1986
Talbot, Michael: »Mystik und neue Physik/ Die Entwicklung des kosmischen
     Bewusstseins«, München 1989
3) Bütler, Rene: »Die Mystik der Welt/ Quellen und Zeugnisse aus vier
     Jahrtausenden/ Ein Lesebuch der mystischen Weisheiten aus Ost und West«,
     Bern, München, Wien 1992
Läpple, Alfred: »Ketzer und Mystiker/ Extremisten des Glaubens/ Versuch einer
     Deutung«, München 1988


Foto 7: Der Regenbogen, ein Symbol.
Zu den Fotos
Foto 1: Fischbachau im Winter. Foto wikimedia commons/ Bbb.
Foto 2: Der Nepomuk von Fischbachau. Foto wikimedia commons/ gemeinfrei/ Rudolph Buch.
Foto 3: Der Verfasser in Birkenstein. Foto Heidi Stahl. Copyright Heidi Stahl.
Foto 4: Wallfahrtskirche von Tuntenhausen mit dem Wappen der Gemeinde. Foto Wikimedia commons Rufus46
Foto 5: Fritjof Capra. Foto Wikimedia commons Zenobia Barlow
Foto 6: Einer der »alten Weisen«. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Der Regenbogen, ein Symbol. Foto Heidi Stahl


400 »Vom Staffelberg nach Birkenstein«,
»Das Geheimnis der fliegenden Kapellen«, Teil 2
Teil  400  der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                        
von Walter-Jörg Langbein,                      
erscheint am 17.09.2017


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2 Kommentare:

  1. Das Buch von Fritjof Capra "Das Tao der Physik" ist besonders empfehlenswert.

    Hans Dietrich

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Hans Dietrich! In der Tat! "Das Tao der Physik" ist sehr empfehlenswert! Das fundamentale Werk wird leider nicht mehr so beachtet, wie es das verdienen würde. Ich bin davon überzeugt, dass es zu einem radikalen Umdenken kommen wird und dass man sich dann an Capra und sein revolutionäres Buch erinnern wird. Ob ich das aber noch erleben werde? Das wage ich zu bezweifeln! Recht herzlich - Walter-Jörg Langbein

    AntwortenLöschen

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