Monstermauern, Mumien und Mysterien
von Walter-Jörg Langbein
Einst war die mysteriöse Hochebene von Nasca nur eine trostlose Einöde, in die sich Touristen so gut wie nie verirrten. Die gewaltigen, in den Erdboden gescharrten Zeichnungen und »Landebahnen« interessierten allenfalls einige wenige Experten.
Maria Reiche (geboren am 15. Mai 1903 in Dresden, verstorben am 8. Juni 1998) hat einen Großteil ihres Lebens in Nasca verbracht. Sie kämpfte wie eine Löwin für die Bewahrung der uralten Riesenbilder in der Wüste. Ihr ist es zu verdanken, dass sie nicht schon längst unwiderruflich zerstört worden sind, etwa von »Sportlern«, die in der Wüste von Nasca Autorennen veranstalteten und in zwei Jahren größere Schäden anrichteten als die Unbilden der Natur in zwei Jahrtausenden.
Auch Maria Reiche lenkte nicht die Aufmerksamkeit der Welt auf das Mysterium von Nasca. Das änderte sich aber anno 1968 schlagartig! Damals erschien das erste Buch eines Schweizers, der zum erfolgreichsten Sachbuchautor der Welt wurde! Seit Erich von Dänikens Weltbestseller »Erinnerungen an die Zukunft
Nur aus der Vogelperspektive sind gewaltige Scharrzeichnungen auszumachen. Da gibt es welche von Tieren unvorstellbaren Ausmaßes. Selbst kleinste anatomische Einzelheiten sind zu erkennen... wie etwa bei einer wirklichen »Riesenspinne«. Selbst aus Weltraumstationen machten Astronauten die imposanten »Bahnen« aus, die im Nichts beginnen und sich kilometerweit erstrecken. Sie laufen schnurgerade durch die Wüste laufen und enden ebenso abrupt wie sie begonnen haben.
Wer schon einmal das Geheimnis von Nasca vom Flugzeug aus studiert hat, der kommt nicht umhin zuzugeben, dass Däniken mit seiner Hypothese Recht haben könnte. Vielleicht sollten Linien und Tierbilder tatsächlich die fliegenden Götter der Vorzeit zur Rückkehr zur Erde bewegen.
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Morgen oder übermorgen werden die gruseligen Überlieferungen in Vergessenheit geraten sein. Schließlich leben wir doch in einer »aufgeklärten« Zeit. Für alten Aberglauben haben wir doch keine Zeit mehr. Oder verdrängen wir lediglich einen Teil der Wirklichkeit, nur weil wir manches nicht zu erklären vermögen? Bilden wir uns nur ein, »alles« zu wissen... und leugnen penetrant eine fremdartige Realität?
Dabei ist der unheimliche Friedhof sehr einfach zu finden. Er liegt nicht verborgen irgendwo im Urwald... sondern offen in der Wüste! Man fährt vom Städtchen Nasca auf der legendären Panamericana Richtung Lima. Vier Kilometer hinter Nasca geht ein Weg ab. Folgt man ihm, dann erreicht man nach knapp fünfzehn Kilometern den »Cementario von Chauchilla«, den »Friedhof von Chauchilla«. Die Bezeichnung »Friedhof« ist allerdings für Europäer und Amerikaner höchst irreführend. Bei einem »Friedhof« erwartet man Gräber mit steinerner Umrandung und massivem Grabstein. Die Namen der Toten, Geburts- und Sterbedaten sind verzeichnet. Zu Ehren der Toten werden Blumen und Kränze niedergelegt. Dergleichen gibt es in Chauchilla aber nicht.
Wie groß mag das Areal von Chauchilla ursprünglich gewesen sein? Wir wissen es nicht. Die Wüste hat im Laufe der Jahrtausende die Bestattungsfelder wieder verschlungen. Einst wurden hier auf einigen Quadratkilometern Tausende, wahrscheinlich sogar Zehntausende begraben. Wer waren die Toten? Mit Sicherheit vermag das heute niemand mehr zu sagen. Einig sind sich die Archäologen freilich in der Datierung. Sie kamen zu verblüffenden Ergebnissen! Die ersten Toten wurden vor »mehreren Jahrtausenden« beerdigt. Sie wurden also lange vor der Inka-Zeit bestattet. Welcher Kultur gehörten sie an? Wurde die uralte Zivilisation bereits von Vorgängern der Inkas vernichtet? Oder gab es sie noch zu den Zeiten der Inkas?
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Auch hier waren und sind bis in unsere Tage Grabräuber aktiv. Hunderte Ruhestätten wurden nach und nach entdeckt und mit pietätloser Gewalt geöffnet und geplündert. Höchst pietätlos ging man mit den ausgebleichten Gebeinen um. Man warf sie auf der Suche nach Grabbeigaben aus den Gräbern, wo sie oft liegen blieben. Grabräuber mit etwas mehr Taktgefühl begruben die sterblichen Überreste wieder.
Wer heute über den staubigen Friedhof geht, stellt schaudernd fest, dass überall Knochen und Knochensplitter herumliegen, von Menschen, die hier einmal lange vor der Zeit der Inka zur letzten Ruhe gebettet worden waren. Immer noch werden Gräber entdeckt, die den schatzsuchenden Plünderern entgangen waren. Einige davon hat man geöffnet und nicht wieder zugeschüttet. In hockender Stellung kauern die Toten darin. Ihre Leiber - wohl nur noch Skelette - sind in einfache Gewänder gehüllt. Manche sehen wie gefesselt aus. Ihre Totenschädel liegen, manchmal seltsam schief, auf den Schultern. Am besten sind die Haare erhalten.
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Jahrelang erforschte Prof. Hans Schindler archäologische Stätten in Südamerika. Er gewann er das Vertrauen auch von Menschen, die sonst niemandem ihr Wissen über die Kreaturen der Nacht anvertrauten. Sie erzählen ängstlich um sich blickend leise flüsternd über Zombies. Besonders häufig sollen diese Furcht einflößenden Geschöpfe direkt beim Friedhof des Schreckens aufgetreten sein. Noch 1992 wurden dem Verfasser unheimliche Stories bestätigt, die als Vorlagen für einen Horrorfilm bestens geeignet wären.....
Im September des Jahres 1913 waren wiederholt einige Jugendliche nachts auf den Cementario geschlichen, um Gräber zu öffnen und zu plündern. Sie hofften weniger auf Keramiken als auf Gold. Mehrfach hatten sie vergeblich nach wertvollem Schmuck gesucht, als eine gespenstische Erscheinung die jungen Männer so sehr in Angst und Schrecken versetzte, dass sie sich bis ans Ende ihrer Tage nie mehr auch nur in die Nähe des antiken Friedhofs wagten. Sie waren überzeugt, von Zombies vertrieben worden zu sein. Die Toten seien in die Welt der Lebenden zurückgekehrt, um die Menschen daran zu hindern, weiterhin die uralten Grabstätten zu schänden.
Die drei jungen Burschen hatten begonnen, ein Loch auszuheben. Sie hatten eine Stelle ausgewählt, in deren Nähe sie schon mehrere Gräber entdeckt hatten. Bislang hatten sie allerdings die erhofften Schätze nicht gefunden, nur gut erhaltene Skelette in morsches Leinen gehüllt und einige Keramiken. Ihr Loch war schon mehr als mannstief, da vernahmen sie ein undefinierbares Geräusch. Sofort hörten die jungen Männer auf zu graben. Als sie aus dem Loch lugten, machten sie in einiger Entfernung so etwas wie ein Licht aus. War man ihnen auf die Schliche gekommen? Das Licht, zunächst mehrere hundert Meter entfernt, kam immer näher. Die Gestalt war in einen langen Umhang gehüllt und trug eine flackernde Laterne. Als sich der Wind drehte, meinten die Grabräuber den Geruch von Moder wahrzunehmen und das Klappern von Knochen zu hören. Schließlich schien das Wesen sie entdeckt zu haben und kam auf ihre Grube zu. Es ächzte und stöhnte dabei.
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Einer von ihnen blickte aus sicherer Entfernung noch einmal zurück. Vier Zombies starrten in das Loch, das die Burschen ausgehoben hatten. Hinter ihnen stand der Vollmond tief am Himmel....hinter den unheimlichen Wesen. Für Sekunden meinte der entsetzte junge Mann erkennen zu können, dass es lebende Leichen waren, wandelnde Skelette, an deren Knochen Reste von mumifiziertem Fleisch hingen... Untote aus dem Zwischenreich.
Der kompetente Prof. Hans Schindler zum Verfasser: »Für viele Menschen aus Chauchilla waren die jugendlichen Grabräuber von Zombies vertrieben. Als moderner Wissenschaftler darf ich an eine solche Erklärung nicht glauben. Gibt es eine bessere, eine natürliche?«
Tatsächlich liegt eine realistischere Lösung auf der Hand. Aber entspricht sie auch der Wahrheit, oder nur modernem Wunschdenken, das Mysteriös-Unheimliches nicht zulassen mag? Der Friedhof von Chauchilla wird schon seit Jahrzehnten von professionellen Grabräubern heimgesucht, die mit den Archäologen eine Art Wettkampf austragen. Waren vielleicht die »Zombies« nichts anderes als Grabräuber, die sich unliebsame Konkurrenz vom Leibe halten wollten? Das wäre eine auch für moderne Menschen der Jetztzeit akzeptable Lösung.
Tatsächlich sind auch heute noch Grabräuber im dem weiten Areal aktiv. Es fehlt an finanziellen Mitteln für archäologische Ausgrabungen. Eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung des weitläufigen Geländes mitten in der Wüste ist nicht finanzierbar. Außerdem schrecken viele Einheimische davor zurück, nachts auch nur in die Nähe des mysteriösen Friedhofs zu gehen. Dann werden die Grabräuber aktiv. Man kann sie auch am Tage antreffen. Auf den ersten und zweiten Blick sind sie nicht von Archäologen zu unterscheiden. Sie hoffen auf Grabbeigaben und graben systematisch nach weiteren Mumien, die vor Jahrtausenden der Wüste anvertraut wurden.
Wer heute das Gräberfeld von Chauchilla aufsucht, der fühlt sich in eine andere, höchst fremdartige Welt versetzt. Absolute Windstille und scharfe Windböen wechseln einander ab. Der Boden blitzt weißlich auf – im gleißenden Sonnenlicht ebenso wie nachts bei Vollmond. Unzählige Gräber sind geöffnet. Ihre »Bewohner« hocken, mit eng an den Leib gezogenen Beinen, tief unten in den Gruben. Schaut man näher hin, dann erkennt man, dass die Körper in sackartigen Gewändern stecken. Manchmal halten schmale zusätzliche Stoffbahnen die »Bekleidung« der Mumien zusammen, manchmal sind es sauber gearbeitete Seile.
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Die Totenschädel wurden nicht in Stoff gehüllt, sondern auf die Knochensäcke gesetzt. War das schon immer so? Oder haben die Ausgräber die Schädel aus den Leichensäcken geholt? Archäologen, die ich befragte, verneinten das. Die Gebeine sollten durch die sackartige Umhüllung zusammengehalten werden. Kein Knochen sollte verloren gehen. So und nur so konnte es ein Leben nach dem Tode geben. Die Schädel aber mit dem prachtvollen Haar wollte man nicht zu den übrigen Knochen in die Säcke stecken. Die Toten sollten in stolzer Haltung die Reise von unserer in die andere Welt antreten.
Die Mumine von Chauchilla wurden, wie die von Chile, nicht präpariert wie ägyptische. Man hat auch nicht ihre Innereien entfernt. Vielmehr trockneten die Körper im heißen Wüstensand aus.
Wirklich krass ist der Kontrast zwischen den ausgebleichten Schädeln und dem Haaren, die wie dichte Perücken auf den Häuptern der Toten sitzen. Zu Lebzeiten müssen die Menschen prachtvolle Mähnen gehabt haben. Es sind die echten Haare der Toten, die zum Teil Jahrtausende im Wüstenboden auf ihre Auferstehung gewartet haben. Die Rückkehr ins Reich der Lebenden dürften sie sich vollkommen anders vorgestellt haben, als von Grabräubern oder Archäologen ans Tageslicht gezerrt zu werden. Kilometerweit liegen heute auf dem riesigen Areal von Chauchillo Knochensplitter unterschiedlichster Größe verstreut, zu Hunderttausenden, nein es sind Millionen.
Wie alt mögen die Knochen sein? Mir wurde glaubhaft versichert, dass noch vor wenigen Jahrzehnten Tote auf dem Friedhof von Chauchilla beigesetzt wurden. Was will man den Toten wünschen, ob sie vor einigen Jahrzehnten oder einigen Jahrtausenden beigesetzt wurden? Endet unsere Pietät nach einiger Zeit?
Teil 4 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien«
erscheint am 07. Februar 2010:
»Mit Grabräubern unterwegs«
Zurück zu Teil II der Serie [...]
Zu Teil IV der Serie [...]
Homepage von Walter-Jörg Langbein
©Fotos: Walter-Jörg Langbein. Alle Rechte vorbehalten.
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