Sonntag, 26. November 2017

410 »Hesekiels Himmelswagen«

Teil 3 von »Von einem, der auszog, um Pfarrer zu werden«,
Teil  410 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein
                      


Foto 1:  Langbein mit Endter-Bibel von 1716
Die Bibel, die mir schon als Kind wahnsinnig imponierte, ließ sich kaum wie ein normales Buch lesen. Man konnte sie nicht in die Hand nehmen, man benötigte einen stabilen Tisch, um den mächtigen Folianten darauf abzulegen.  Sie war 38 Zentimeter hoch, 25 Zentimeter breit und zwölf Zentimeter dick. Als Verleger zeichneten »Johannes Endters Seel. Sohn und Erben«, gedruckt worden war die altehrwürdige Familienbibel im Jahre MDCCLXV (1765) in Nürnberg. Der Prolog stammte von Martin Luther. So manches Mal blätterte ich staunend in der sperrigen Luther-Bibel und landete immer wieder beim Propheten Hesekiel.

Jene uralte Bibel weckte schon früh mein Interesse am Studium der Theologie. Vieles erschien mir rätselhaft und unverständlich, manches kam mir unsinnig vor. Mehr als rätselhaft war natürlich das Vehikel, das Hesekiel wiederholt beschreibt. Sollte der biblische Gott selbst mit so einem Apparat durch die Gegend brausen? Wieso benötigte er ein fliegendes Fahrzeug, wo er doch, wie der Pfarrer immer wieder predigte, allgegenwärtig war? 

Geradezu unsinnig waren in meinen Augen »Erklärungen« wie die folgende: Etwa 500 vor Christus schilderte Hesekiel eine geradezu furchteinflößende Flugmaschine, die anscheinend von jemand gesteuert wurde. Aber wer war dieser jemand? Nach der Endter-Bibel war es – um 500 v.Chr. – angeblich Jesus. Wie konnte Jesus in einer Flugmaschine auftauchen, die Hesekiel bereits 500 v.Chr. sichtete, also etwa ein halbes Jahrtausend vor Jesu Geburt? Und doch heißt es in der Endter-Bibel:

Foto 2: »Auf dem Saphirnen Stul«. Foto Walter-Jörg Langbein. Endter-Bibel 1716

 »Der Mensch, den im Gesicht Hesekiel erlesen,
auf dem Saphirnen Stul, ist Gottes Sohn gewesen.
Daß dort mein Jesus thront, macht mir sein Wort bekannt:
Er mein Herr, sitzet ja dem HERRN zur rechten Hand.«

In etwas modernere Sprache übersetzt:

»Der Mensch, den Hesekiel in seiner Vision gesehen hat,
auf dem Saphir-Stuhl, das ist Gottes Sohn gewesen.
Dass dort mein Jesus thront, das sagt mir sein Wort:
Er mein Herr, sitzt zur Rechten Gottes.«

Foto 3: »Daß dort mein Jesus thront«. Foto Walter-Jörg Langbein. Endter-Bibel 1716

Sollte Jesus per Zeitreise rund ein halbes Jahrtausend in die Vergangenheit gereist sein, um sich nebst seiner Zeitreisemaschine dem verblüfften Hesekiel zu zeigen? Das ist in der Tat eine kühne These, die rein spekulativ ist. Vor allem lässt sie sich nicht biblisch begründen, denn nirgendwo gibt es bei Hesekiel auch nur den Hauch eines Hinweises, dass die Person im hesekielschen Himmelswagen Jesus war. Mir ist keine einzige Bibelübersetzung bekannt, die im Text auch nur andeutet, dass Hesekiel nicht »Gott«, sondern Jesus gesehen hat.

Um kurz bei der »Zeitreise« zu bleiben: Immer wieder taucht die These auf, bei den Astronautengöttern könne es sich doch ebenso wie bei den Besatzungen von »UFOs« um Reisende aus der Zukunft handeln. Der Gedanke mag interessant sein, ist aber meines Wissens nicht belegbar. Ich kenne keine einzige alte Überlieferung, in der irgendein vom Himmel herabgestiegener »Gott« so etwas sagte wie: »Fürchtet euch nicht! Ich bin ein Mensch wie du! Ich komme aus deiner Zukunft!«
Doch zurück in meine Vergangenheit, zurück in die Vergangenheit eines Menschen, der auszog um Pfarrer zu werden! Was ich da mühsam Buchstabe für Buchstabe entzifferte, es bereitete mir ob der Schrift aus »ferner« Vergangenheit, Schwierigkeiten beim Lesen. Das aber gerade reizte mich. Es war ein wenig, als würde es mir gelingen, eine Geheimschrift zu entziffern. Was mich aber ärgerte: Ich verstand einfach nicht, was ich da las.

Foto 4: Hesekiels »Vision« vom Himmelswagen.

Merkwürdig war die alte Bibelillustration (2). Was zeigte sie? Es war ein Etwas mit merkwürdigen Rädern und Tieren, wobei Räder und Tiere irgendwie ineinander übergingen. Das Ganze spielte sich irgendwie in den Wolken ab, wie auf einem Teppich aus Flammen. Von links pustete zwischen Wolken ein Engel mit Kraft und Ausdauer in seine Tröte. Und auf diesem Etwas aus geflügelten Wesen mit allen möglichen Gesichtern, da thronte so etwas wie ein Mensch, vor dem sich ein demütiger Mensch zu Boden warf. Irgendwie passte das meinem Verständnis nach nicht in eine Bibel. Der über dem mysteriösen Ding thronende trug Krone und Zepter. Sollte das Gott sein, wie der Text Hesekiels nahelegt? Der förmlich am Boden Liegende war am ehesten als Hesekiel zu identifizieren.

Was aber war es, was Hesekiel derart in Angst und Schrecken versetzte? Was schwebte da in der Luft, während Hesekiel am Boden lag? Ich verstand es nicht. Und offensichtlich war die Beschreibung des Himmelswagens bei Hesekiel auch für die Juden, den Nachfahren der Autoren der biblischen Texte, zumindest rätselhaft. Das macht eine kurze Abhandlung Luthers deutlich, die er dem Hesekieltext voranstellt.

Foto 5: Nicht jeder darf es lesen, was Hesekiel über den Himmelswagen schrieb.

In »Ein Unterricht wie das Gesicht Hesekiel vom Wagen Cap. 1 und 10 zu verstehen sey.« findet sich eine interessante Aussage. Luther verweist darauf, dass nach Kirchenvater Sophronius Eusebius Hieronymus (*347, † 420 in Bethlehem) die Beschreibungen des Himmelswagens nicht von jedermann gelesen werden durften. Dazu befugt waren nur Männer über 30. Aber ob die den Text verstehen konnten?

Dann folgt eine der für Luther typischen Hasstiraden der antisemitischen Art: »Denn sie (die Juden) zerreissen und zermartern die Schrift in ihren Auslegungen wie die unstaetigen Sau einen Lustgarten zerwuehlen und umkehren, daß zu wuenschen waere, sie blieben mit der Schrift unverworren.« Nach Luther, der von den evangelisch-lutherische Theologen im Jahr 500 der Reformation wie ein ganz besonders wichtiger Heiliger zelebriert wurde, haben also die Juden keine Ahnung von den von Juden verfassten Schriften des Alten Testaments. Schlimmer noch, sie gehen mit den Texten des Alten Testaments um wie eine Sau, die einen wunderschönen Garten verwüstet. Mit anderen Worten: Die Juden interpretieren die Texte nicht, sie erklären sie nicht, sie zerstören sie.

Foto 6: Christliche Interpretation.

Dann folgt Luthers Interpretation, die er freilich deutlich als seine subjektive Erklärung kennzeichnet: »Das Gesicht aber Hesekiels, im ersten Theil, ist nicht anders, meines Verstands (ein anderer mache es besser)…« Immerhin gibt sich Luther so bescheiden, dass er es durchaus für möglich hält, dass ein anderer den geheimnisvollen Text Hesekiels besser versteht als er. Dann erst folgt Luthers Sicht der Dinge: »Kurz zu sagen, diß Gesicht ist der geistliche Wagen Christi, darauf er faehret hie in der Welt, das ist seine ganze heilige Christenheit.«

Für Luther Erlebte also Hesekiel nicht die Begegnung mit einem mysteriösen Himmelsvehikel, das unter Donner und mit Feuerflammen am Himmel dahin braust. Vielmehr visionierte Hesekiel – so Luther – den ein halbes Jahrtausend später kommenden Jesus, dessen Siegeszug zweieinhalb Jahrtausende später zum weltweite verbreiteten Christentum führt.

Für mich war in jungen Jahren das forschende Entziffern und Schmökern der Endter-Bibel von 1765 ein echtes Abenteuer. Die Auseinandersetzung mit der altehrwürdigen Bibel und Erich von Dänikens Interpretation der Hesekiel-Sichtung als Begegnung mit einem außerirdischen Raumschiff waren für mich wichtige Gründe, warum ich ein Studium der evangelischen Theologie begonnen habe. Und das ausgerechnet in der Martin-Luther-Hochburg Erlangen, an der Friedrich-Alexander-Universität.


Foto 7: Endter-Bibel von 1716
Heute ist für mich die dänikensche Sichtweise die wahrscheinlichste. Ich bin davon überzeugt, dass Hesekiel vor rund 2500 Jahren mehrfach ein außerirdisches Raumschiff sah und auch als Passagier mit an Bord genommen wurde.

Mich haben die Ingenieure Blumrich und Beier (3) überzeugt. NASA-Ing. Josef Blumrich rekonstruierte das Raumschiff des Hesekiel. Ing. Hans Herbert Beier kam nach intensivem Quellenstudium zum Ergebnis, das der bis heute nicht gefundene Tempel des Hesekiel eine Wartungsstation für Hesekiel-Raumschiffe war. Es verblüfft mich nach wie vor, wie präzise das Hesekiel-Raumschiff in die Beiersche Wartungsstation passt!

Hesekiels »Vision« war mit einer der Hauptgründe, meine Reise in Richtung Geistlicher anzutreten. Ich hoffte, dass ich durch das Studium erfahren würde, was Hesekiel wirklich sah. Meine konkreten Arbeiten in Sachen Hesekiel – am hebräischen Originaltext! – machten es mir letztlich nicht möglich, Geistlicher zu werden.


Fußnoten
1) Leider wurde unsere Familienbibel von 1765 im Jahr 2005 gestohlen. Ich beziehe mich jetzt auf eine ältere Ausgabe der Endter-Bibel, die bereits anno 1716 in Nürnberg gedruckt wurde.
2) Die Illustration, die ich für diese meine Abhandlung verwende, stammt aus der Endter-Bibel von 1716. Ich kann nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, ob unsere Familienbibel von 1765 auch diese Illustration als Stich enthielt.
3) Beier, Hans Herbert: »Kronzeuge Ezechiel/ Sein Bericht – sein Tempel – seine
Raumschiffe«, München 1985
Blumrich, Josef F.: »The Spaceships of Ezekiel«, New York, Februar 1974
Blumrich, Josef F.: »Da tat sich der Himmel auf/ Die Raumschiffe des
Propheten Ezechiel und ihre Bestätigung durch modernste Technik«,
Düsseldorf und Wien, März 1973


Foto 8: Das stümperhafte restaurierte Frontispiz der Endter-Bibel von 1716. Ausschnitt.

Zu den Fotos

Foto 1: Autor Langbein mit der Endter-Bibel von 1716. Foto Barbara Kern
Foto 2: »Auf dem Saphirnen Stul«. Foto Walter-Jörg Langbein. Endter-Bibel 1716
Foto 3: »Daß dort mein Jesus thront«. Foto Walter-Jörg Langbein. Endter-Bibel 1716
Foto 4: Hesekiels »Vision« vom Himmelswagen.
Endter-Bibel 1716. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Nicht jeder darf es lesen, was Hesekiel über den Himmelswagen schrieb.
Foto Walter-Jörg Langbein. Endter-Bibel 1716
Foto 6: Christliche Interpretation. Foto Walter-Jörg Langbein. Endter-Bibel 1716
Foto 7: Das stümperhaft restaurierte Frontispiz der Endter-Bibel von 1716. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Das stümperhafte restaurierte Frontispiz der Endter-Bibel von 1716. Ausschnitt. Foto Walter-Jörg Langbein

Foto 9: Endter-Bibel von 1716, »Außenansicht«. Foto Walter-Jörg Langbein


Foto 9: Endter-Bibel von 1716, »Außenansicht«

411 »Vom Setzling und den Astronautengöttern«,
Teil  411 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 03.12.2017



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