„Monstermauern, Mumien und Mysterien“
von Walter-Jörg Langbein
|  | 
| Foto 1: Der Dom zu Bremen. Ansichtskarte von 1899 | 
Der St.-Petri-Dom zu Bremen hat eine lange, sehr lange Geschichte. Das höchst imposante sakrale Bauwerk von heute ist nicht mehr das „Original“. „Wikipedia“ berichtet unter dem Stichwort „Bremer Dom“: „Der St.-Petri-Dom in Bremen ist ein aus Sandstein und Backstein gestalteter romanischer Kirchenbau, der vom 11. Jahrhundert an über den Fundamenten älterer Vorgängerbauten errichtet und seit dem 13. Jahrhundert im Stil der Gotik umgebaut wurde. Im 14. Jahrhundert gab es Erweiterungen um seitliche Kapellen. 1502 begann die Umgestaltung in eine spätgotische Hallenkirche, die aber über ein neues Nordseitenschiff nicht hinauskam, als die Reformation weitere Ausbauten stoppte.
Im späten 19. Jahrhundert erfolgte eine umfangreiche Renovierung des innen durchaus gepflegten, äußerlich aber schäbig wirkenden Baus, von dem einer der beiden Türme eingestürzt war. Die Gestaltung orientierte sich überwiegend am Vorhandenen und an alten Darstellungen, jedoch verstieg man sich zu einigen Zutaten wie dem neoromanischen Vierungsturm. Das Gotteshaus gehört heute zur evangelisch-lutherischen Domgemeinde St. Petri. Es steht seit 1973 unter Denkmalschutz.“
| Foto 3: Blick in die Ostkrypta. | 
Wer noch echten „Ur-Dom“ erleben will, der muss in die Unterwelt hinab steigen, und zwar in die Westkrypta. Sie ist der älteste erhaltene Raum Bremens. Geweiht wurde die Westkrypta im Jahre 1066 von Erzbischof Adalbert. Auf der offiziellen Homepage des Doms lesen wir (2): „Ihr beträchtliches Alter ist der Westkrypta auch äußerlich anzumerken: unregelmäßig geschichtetes Mauerwerk, Säulenkapitelle mit eigenartigem steinernem Flechtwerk und Tierdarstellungen unterstreichen den altertümlichen Raumeindruck.“
| Fotos 5 und 6: Christrose in der Ostkrypta. | 
Diese Geschichte wird von diversen Darstellungen an Säulenkapitellen in der Ostkrypta erzählt. Man kann die etwa tausendjährigen Steinreliefs wie ein Buch lesen, benötigt dazu keinen Text. Anders als die Säulenkapitelle im Hamelner Münster sind die Steinreliefs in der Bremer Ostkrypta nicht in schwindelnder Höhe, sondern fast in Augenhöhe angebracht.
Wenn ich in die Ostkrypta des Doms zu Bremen hinabsteige, dann kommt es mir so vor, als würde ich mit jeder Treppenstufe die lärmende Hektik des 21. Jahrhunderts ein Stück weiter hinter mir zurücklassen. In der „Unterwelt“ der Ostkrypta stört mich die Bestuhlung ein wenig. Der niedrige Raum mit den wie aus Stein gewachsenen Säulen wäre in seiner Schlichtheit ohne diese Sitzmöbel aus unseren Tagen noch beeindruckender. Mir wird klar: Jeder von uns trägt zum Lärm, der die Konzentration auf Wichtigeres erschwert, selbst bei. Wir beklagen uns, dass wir „keine Zeit haben“, aber warum nehmen wir uns nicht einfach Zeit, etwa um in der Ostkrypta des Doms zu Bremen einfach nur die Stille auf uns wirken zu lassen? Könnte es sein, dass wir dann die Darstellungen, die vor rund einem Jahrtausend in den Stein gemeißelt wurden, intuitiv verstehen?
| Foto 8: Christus-Rose und Wotan-Rabe nebeneinander | 
Immer wieder taucht an den Säulenkapitellen ein Symbol auf, das uns Wolfgang Oehrl so erklärt (5): „Christus (symbolisiert durch die Rose) verdrängt die Unendlichkeitsspirale und den Wotansraben.“ Die Rose als Symbol für Christus ist mir schon bei meinem ersten Besuch vor Ort aufgefallen. Freilich sehe ich keine Verdrängung. Vielmehr harmonieren die verschiedenen Symbole miteinander. Offenbar existierten vor rund einem Jahrtausend Christentum und Heidentum nebeneinander.
| Foto 10: Abstrakte Dekoration oder mysteriöses Gesicht? | 
„Panta rhei“ heißt es im Altgriechischen. Heraklit (* um 520 v. Chr.; † um 460 v. Chr.) soll das Wort geprägt haben. Plato (*428/427 v.Chr., †348/347 v.Chr.) zitierte die Formel und Simplikios (etwa 480-490n.Chr., † nach 550 n.Chr.). Die Römer übersetzten das prägnante Wort mit „cuncta fluunt“. Zu Deutsch: „Alles fließt“.
| Foto 11: Augen, Nase, ein Gesicht... oder verschlungene Linien | 
Wenn Theologen es ernst meinen, versuchen sie Bilder des Glaubens zu ihren Ursprüngen zurück zu verfolgen.
Fußnoten
1) Erhardt, E(rnst): „Der Dom in Bremen/ Handbuch und Führer“, Bremen 1921, Seite 4 (Die Schreibweise wurde nicht der heutigen angepasst, sondern belassen!)
2) http://stpetridom.de/index.php?id=26&L=0
3) http://stpetridom.de/index.php?id=27
4) 1) Erhardt, E(rnst): „Der Dom in Bremen/ Handbuch und Führer“, Bremen 1921, Seite 4
5) Oehrl, Wolfgang: „Glaubenswandel vor 1000 Jahren“, Artikel schienen in „NORDWEST ZEITUNG“ vom 16. Dezember 2017, S. 4
6) Andere Schreibweise: Wodan
7) Der zweite Baum wird als „Embla“ bezeichnet. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Ulme oder Erle.
8) Oehrl, Wolfgang: „Glaubenswandel vor 1000 Jahren“, Artikel schienen in „NORDWEST ZEITUNG“ vom 16. Dezember 2017, S. 4
| Foto 12: Beeindruckende, schlichte Kunst aus Stein. | 
Zu den Fotos
Foto 1: Der Dom zu Bremen. Ansichtskarte von 1899. Foto/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Blick in die Westkrypta. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Blick in die Ostkrypta. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Säulen mit geheimnisvollen Darstellungen um den Altar. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 5 und 6: Christrose in der Ostkrypta. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Christus-Rose und der Wotan-Rabe. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Christus-Rose und Wotan-Rabe nebeneinander. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 9: Kampf zwischen Schlange und Wolf. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 10: Abstrakte Dekoration oder mysteriöses Gesicht? Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Augen, Nase, ein Gesicht... oder verschlungene Linien? Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 12: Beeindruckende, schlichte Kunst aus Stein. Foto Walter-Jörg Langbein
437 „Der steinerne Riese von Thelitz“,
Teil 437 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint bereits am 03.06.2018
Besuchen Sie auch unser Nachrichtenblog!
 















