Donnerstag, 10. August 2017

Marie Versini im Interview

Walter-Jörg Langbein : Du bist durch Karl Mays Nscho-tschi weltberühmt geworden. Hast Du schon vorher – als Kind vielleicht – Karl May gelesen?

Marie Versini: Nein, als Kind habe ich nicht Karl May gelesen. Karl May war damals noch gar nicht ins Französische übersetzt. Aber mein Vater, der ein großer Germanist war, hat Karl May in Deutschland entdeckt. Er fand seine Bücher wunderbar, so wie die wie von unserem Jules Verne.

Mein Vater hat mir immer, als ich Kind war, Karl-May-Geschichten vor dem Einschlafen erzählt: die Liebesgeschichte zwischen Old Shatterhand und Nscho-tschi, die Geschichte von der Blutsbruderschaft von Winnetou und Old Shatterhand und viele mehr...

Walter-Jörg Langbein : Hat sich Dein Verständnis von Karl May durch Nscho-tschi verändert?

Marie Versini: Ja natürlich. Bevor ich »Winnetou« gedreht habe, das Buch war inzwischen von Flamarion ins Französische übersetzt worden, habe ich es sofort gelesen. Es ist immer wunderbar für einen Schauspieler seine Rolle in einem Roman zu finden. Es gibt so vieles, was der Schriftsteller über den Charakter der einzelnen Personen aussagt. Aber meine Vorstellung von Nscho-tschi hatte ich schon als Kind. Sie war immer da, im »Background«.

Seit ich sieben Jahre alt war, wollte ich diese Rolle spielen. Und mein Traum ist Wirklichkeit geworden! Die Drehzeit in Kroatien mit Lex Barker und Pierre Brice war auch ein Traum. Ich habe nie gedacht, daß der Erfolg dieser Film so groß sein würde! Und der Erfolg hängt bis heute an!

Walter-Jörg Langbein : Hast Du als Kind gern gelesen?

Marie Versini: Ja sehr gern. Und ich tue es immer noch! Ich lese viel... mit Vergnügen.
Walter-Jörg Langbein: Welches Buch liest Du gerade?

Marie Versini: Ich lese Montaigne. Es gibt alles in den Werken von Montaigne. Man kann sie immer wieder und wieder lesen! Ich lese auch »Montaigne« von Stefan Zweig... den liebe ich sehr.

Walter-Jörg Langbein : Du schreibst selbst Bücher. Was bedeutet für Dich, Autorin zu sein?

Marie Versini: Mein Mann Pierre Viallet ist Regisseur und Schriftsteller. Er hat 13 Romane geschrieben. Sie liegen in Übersetzungen vor, in den USA (Ballantines-Books, New-York) und in Deutschland (Zsolnay und Rowohlt). Durch ihn habe ich einen neuen Weg gefunden, um mich auszudrucken. Schauspielen und Schreiben, das ist ungefähr dasselbe. Schreiben hat aber einen Vorteil. Du kannst schreiben wann du willst und wo du willst. Du bist beim Schreiben vollkommen frei, von niemandem abhängig.

Walter-Jörg Langbein : Was darf ein Schriftsteller oder was darf er nicht?

Marie Versini: Ein Schriftsteller darf alles. Er erfindet - das ist sein Beruf. Und indem er sich Dinge ausdenkt, bringt er uns zum Träumen.

Walter-Jörg Langbein : Wirst Du noch mehr Bücher schreiben?

Marie Versini: Klar.

Walter-Jörg Langbein : Viele Menschen sehen Dich immer noch als Nscho-tschi. Ärgert Dich das? Du hast ja noch weitere wichtige Filme gemacht!

Marie Versini: Das hat mich vor einigen Jahren schon ein bisschen geärgert. Schließlich habe ich ja noch viel mehr gespielt... auf der Bühne fast acht Jahre in der »Comédie française« in Paris wo ich den klassischen Part der Naiven gespielt habe, von Molière bis zu Shakespeare. Und ich habe viele andere Filme gedreht wie zum Beispiel »Zwei Städte« mit Dirk Bogarde, »Paris Blues« mit Paul Newman und Luis Armstrong, »Junge mach dein Testament« mit Eddie Constantine, »Brennt Paris?« mit Jean Paul Belmondo, Alain Delon, Gert Fröbe, etc...

Später wurde mir bewusst: Es war eine große Chance mit einem Charakter identifiziert zu werden. In dieser Zeit, die so ein kurzes Gedächtnis hat, und so viele und vieles vergisst - da ist es schön, Nscho-tschi zu sein. Aber ich bin nicht nur Nscho-tschi...

Walter-Jörg Langbein : Welcher war Dein wichtigster Film... nach den Karl May Filmen?

Marie Versini: »Kennwort Reiher« mit Peter van Eyck, »Liebesnächte in der Taiga« mit Thomas Hunter und »Ach Pierre« mit Curd Jürgens, Regie hat mein Mann Pierre Viallet geführt.

1 Kommentar:

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