Sonntag, 8. Juli 2018

442 »Höllenschlund und Höllenfeuer«


Teil 442 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Foto 1: St. Jakobus von Urschalling.

In der »St. Johannes Baptist«-Kirche von Neufahrn wirkt ein Fresko für ein christliches Gotteshaus seltsam unpassend. Was aber auf den ersten Blick an ein Monster, vielleicht an einen Drachen erinnert, stellt ein wichtiges christliches Motiv dar: den Höllenschlund. Darin sitzt der Teufel selbst. Er hält so etwas wie eine Säule, die verhindern soll, dass sich das grässliche Maul wieder schließt. Erst will er eine ganze Reihe von Seelen verstorbener Menschen mit einer Kette in sein Reich zerren.

Foto 2: Blick ins Gotteshaus von Urschalling.

Eine verblüffend ähnliche Szene findet sich als Fresko in einer anderen, sehr geheimnisvollen Kirche, in »St. Jakobus von Urschalling« (Fotos 1 und 2).

Zur Erinnerung: Vollendet wurde das äußerlich unscheinbare Gotteshaus Ende des 12. Jahrhunderts. Der Turm dürfte sehr viel älter sein. Er stammt womöglich, zumindest in Teilen, aus der Römerzeit. Später wurde das kleine Kirchenschiff an den Turm gesetzt und eine Verbindung geschaffen. Nicht ganz klar ist, wann genau die ersten frommen Fresken angebracht wurden. Die ältesten sind vielleicht schon acht Jahrhunderte alt. Um 1550 wurden sie jedenfalls alle überputzt und übertüncht. Sie gerieten in Vergessenheit. Die ältesten dürften aus dem 12. Jahrhundert stammen.

Foto 3: Der Höllenschlund von Urschalling.

Auch in Urschalling gibt es einen furchteinflößenden Höllenschlund (Foto 3). Wie in Neufahrn hockt Satan im Maul. Wie in Urschalling wird die Höllenschnauze daran gehindert, zuzuklappen, aber nicht vom Teufel, sondern von Jesus. Mit seinem Stab, an dessen sich ein Kreuz befindet, verabreicht der Erlöser dem Höllentier eine Maulsperre und lässt eine ganze Reihe von Menschen das Reich des Todes verlassen.

Am Rande bemerkt: In Urschalling gibt es noch einen zweiten Teufel, der allerdings auf dem Monsterkopf (Symbol für Hölle) steht. Dieser Satan ist allerdings stark verwittert.

Foto 4
Eine weitere Darstellung der »Hölle« als Monstermaul entdeckte ich in der »Marienkirche« von Bad Segeberg (Foto 4). 1156 erfolgte in Bad Segeberg die Grundsteinlegung des schlichten Gotteshauses. 1199 erwähnt erstmals eine päpstliche Urkunde den Sakralbau, der allerdings erst im dreizehnten Jahrhundert vollendet wurde.

Betritt man die Marienkirche, so wird in dem fast nüchternen Bau der Blick auf den Altar gelenkt. Wer den Schnitzaltar geschaffen hat, ist nicht mit Sicherheit feststellbar. Fakt ist: Er stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert. Es könnte sich um ein frühes Werk des Bildhauers und Bildschnitzers Johannes Brüggemann (um 1480 geboren, etwa 1540 in einem Husumer Armenhaus verstorben) handeln (Foto 5).

Foto 5: Blick in die Marienkirche von Bad Segeberg.

Die Höllendarstellung als Monster fällt in Bad Segeberg im Rahmen der Darstellung des Leidensweges Christi sehr klein aus (Foto 6). Den geöffneten Höllenrachen übersieht man bei der Fülle an Darstellungen auf dem Altaraufbau leicht. Auch begnügt sich hier der Teufel mit einer Seele. Wie so oft wird die Seele eines Verstorbenen als nacktes Kleinkind gezeigt (Foto 7).


Foto 6: Leicht zu übersehen ist der Höllenschlund

In Neufahrn, Urschalling und Bad Segeberg wird den Gottesdienstbesuchern im Bild drastisch vorgeführt, welches Schicksal dem Sünder blüht. Heute werden in unseren Gefilden solche Darstellung wohl eher als allenfalls kunsthistorische Kuriosa betrachtet. Oder als Sinnbilder, die nicht wörtlich verstanden werden dürfen. Manche Theologen verstehen es als Hölle, wenn sich der Mensch von Gott entfernt. Einst mögen drastische Höllenbilder die Menschen in Angst und Schrecken versetzt haben. Heute ist das anders. Schon anno 1999 führte »European Values Study« eine Studie zum Thema Hölle durch (1). In Dänemark, Schweden, Tschechien und den Niederlanden glaubte nur jeder Zehnte an die Existenz der Hölle, in Deutschland waren es 15%. Besonders weit verbreitet war der Höllenglauben im katholischen Nordirland. Da gaben immerhin 6 von 10 der Befragten an, dass ihrer Meinung nach die Hölle real ist. In der Türkei, so ergab die Studie, waren die »Ungläubigen« in der Minderheit, nur 1 von 10 Befragten lehnte den Höllenglauben ab, 9 von 10 der Befragten hatten keinen Zweifel, dass es die Hölle wirklich gibt.

Foto 7: Der Höllenschlund von Bad Segeberg.

Kurios, aber wahr: Während meines Studiums der evangelischen Theologie in Erlangen haben muslimische Studenten aus der arabischen Welt versucht, mich zum Islam zu bekehren. Gerade ich als Theologiestudent müsse doch erkennen, dass das Christentum eine Irrlehre sei. Würde ich weiter dem eingeschlagenen Weg folgen, würde er mich direkt in die Hölle führen. Wiederholt wurden mir unvorstellbar schlimme Qualen geschildert, die ich in der Hölle womöglich bis ans Ende der Zeit erleiden würde.

Einige Male zitierte man für mich aus Sure »An-Nisá«: »Die Unseren Zeichen Glauben versagen, die werden Wir bald ins Feuer stoßen. Sooft ihre Haut verbrannt ist, geben Wir ihnen eine andere Haut, damit sie die Strafe auskosten. Wahrlich, Allah ist allmächtig, allweise.«

Etwas hoffnungsvoller klingt da schon Sure 111 (3): »Was nun die betrifft, die unselig sein sollen, so werden sie ins Feuer gelangen, worinnen für sie Seufzen und Schluchzen sein wird; Darin zu bleiben, solange die Himmel und die Erde dauern, es sei denn, daß dein Herr es anders will. Wahrlich, dein Herr bewirkt alles, was Ihm gefällt.«

Unklar war mir, ob ich als Ungläubiger auf alle Zeiten oder nur befristet im Höllenfeuer würde ausharren müssen. Nach Sure 111 würde die Zeit der Qualen und der Schmerzen so lange währen, bis der Herr, also Allah, »es anders will«. In manchen Übersetzungen heißt es in Sure 9 (4):

»Wissen sie denn nicht, dass für den, der Gott und Seinem Gesandten (Muhammad) zuwiderhandelt, das Feuer der Hölle bestimmt ist?  Darin wird er auf ewig bleiben; das ist die große Demütigung.« Von einer solchen Möglichkeit der Beendigung der Schmerzen im Höllenfeuer weiß Sure 5 (5) nichts: »Sie möchten wohl dem Feuer entrinnen, doch sie werden nicht daraus entrinnen können, und ihre Pein wird immerwährend sein.« »Ihre Pein wird immerwährend sein…«, das sind klare Worte.Nach biblischem Verständnis vertrieb Gott Adam und Eva aus dem Paradies, weil sie gegen sein Verbot verstoßen hatten. Dann setzte Gott Engel als Wächter ein, die Adam und Eva die Rückkehr ins Paradies unmöglich machen mussten (6): »Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.«

Im Koran heißt es, dass 19 Engel (7) aufpassen, dass keine Sünder der Hölle entkommen. Ihr Anführer Malik kennt keine Gnade. »Ihr müsst bleiben!« (8), schleudert er den Gepeinigten entgegen, die lieber sterben wollen als weiter das unbeschreibliche Martyrium zu ertragen.

Bis ins kleinste Detail schilderten mir die muslimischen Studienkollegen, was mich alles in der Hölle erwarten würde, es sei denn, ich würde mich zu Islam bekehren lassen. Da ich damals schon die Freuden von Speis‘ und Trank zu schätzen wusste, glaubten die Mitstudenten aus arabischen Ländern wohl mich mit Hinweisen auf höllische Kost in Angst und Schrecken versetzen zu können. Sie versuchten es jedenfalls. Ich staune, wie detailreich das Wissen des Moslem in Sachen in Hölle ist, so er denn den Koran emsig studiert.

Grausamen Hunger würde ich zu erleiden haben. Und als einzige Kost würde es eine Art trockenes Dornengestrüpp geben, das nicht sättigte. Tatsächlich droht solche Kost dem Höllenbewohner (9). Und das bei unvorstellbarer Hitze. Das Höllenfeuer soll 70 Mal so stark sein wie irdisches. Unsäglicher Durst tritt dann natürlich auf, doch es gibt kein kühles Wasser, um ihn zu lindern, sondern nur siedend heißes (10).

»Mehr als dich warnen können wir nicht!«, bekam ich so manches Mal zu hören. »Aber du schlägst ja unsere Mahnungen in den Wind!« Wenn ich dereinst in der Hölle leiden jammern, wehklagen und winseln würde, dann sei es zu spät. »Dann werden dich Engel fragen, ist denn keiner zu dir gekommen um dich zu warnen? Dann wirst du dich an uns erinnern. Du wirst zugeben müssen, dass du erfahren hast, was auf dich wartet. Du aber bist stur geblieben. Dann ist es zu spät!«

Fußnoten
1) Wikipedia-Artikel »Hölle«, Unterkapitel »Umfragen«, aufgerufen Pfingstsonntag, 20. Mai 2018
2) Sure 4, 56. »An-Nisa«, »Die Frauen«
3) Sure 111, 106-10
4) Sure 9, 63, Internetseite »The Religion of Islam«
5) Sure 5, 37
6) 1. Buch Mose Kapitel 3, Vers 24
7) Sure 74, 30
8) Sure 43, 77
9) Sure 88, 6
10) Sure 37, 67
11) Sure 67, 8-10

Zu den Fotos
Foto 1: St. Jakobus von Urschalling. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Blick ins Gotteshaus von Urschalling. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Der Höllenschlund von Urschalling. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: »Marienkirche« von Bad Segeberg. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Blick in die Marienkirche von Bad Segeberg. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Leicht zu übersehen ist der Höllenschlund. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Der Höllenschlund von Bad Segeberg. Foto Walter-Jörg Langbein

443 »Die goldene Füchsin und die Pyramide«,
Teil 443 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 15.07.2018

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1 Kommentar:

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