»Der Künstler lebt vom Applaus«
Als Autorin freue ich mich, wenn meine Bücher gelesen werden, wenn über sie gesprochen und geschrieben wird. Auf eine für mich besondere Buchbesprechung möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, aufmerksam machen.
Vor mir liegt die aktuelle Mitgliederzeitschrift für KIMM e.V. – Informationen für Morbus Menière Betroffene, KIMM aktuell. Aufmerksam lese ich diese Zeitschrift, gleich auf Seite 3 kann ich mir ein Bild von Anna Bott, der kommissarischen Vorsitzenden machen, die mich herzlich anlacht. Ich lese den Vortrag von Dr. Helmut Schaaf, Oberarzt in der Tinnitus Klinik Dr. Hesse in Bad Arolsen und weitere Beiträge engagierte Ärzte. Um Ihre Frage gleich vorwegzunehmen: Nein, Morbus Menière ist nach wie vor nicht heilbar. Aber: Viele Auswirkungen sind in vielen Teilen ausgleichbar, beeinflussbar und viele ungünstige Faktoren angehbar.
Über die Auswirkungen der Erkrankung auf das Berufsleben berichtet eine junge Frau. Ihren Beitrag konnte ich nur abnicken, Menière verändert das Leben, die Lebensgestaltung, ist ein Karrierekiller. Dann lese ich den Beitrag einer großen Kämpferin: Inge Freifrau von dem Bussche, die für das Jahr 2010 ein Jubiläum ankündigt, 60 Jahre mit Morbus Menière.
So liebevoll und persönlich alle Beiträge gehalten sind, fällt auch die Buchbesprechung aus.
Leseproben finde ich, die häufig beschriebene Situationen von Betroffenen repräsentieren.
Der Schriftführer von KIMM, Herr Fred Knäuel, als Verfasser der Buchbesprechung, lässt zum Abschluss Textstellen einfließen, die ihn selbst persönlich berührt haben. Der für mich wichtigste Satz aber ist dieser: »Das Buch dürfte aus meiner Sicht auch/gerade für den nicht- oder nur indirekt betroffenen Leser eine exzellente Lektüre sein, die sein Verstehen von Morbus Menière bzw. den davon Betroffenen voranbringen kann.«
Bei keiner meiner Publikationen gehen »mein Ich« und das »lyrische-Ich« so nah beieinander, quasi Hand-in-Hand, wie in »menière desaster«. Herr Dr. Schaaf führt in seinem Vortrag Folgendes aus: »Schon, wenn man „mit Sicherheit“ wissen will, was genau den Morbus Menière ausmacht und vor allem was nicht, kommt man in Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten bis hin zu der Auffassung, dass es „den Morbus Menière“ gar nicht gibt, sondern nur ein Syndrom, das nach Menière benannt ist.« und » …dass es weder „die Menière Krankheit“ noch „den Menièrepatienten“ gibt«.
So können wir davon ausgehen, dass jeder Menière Betroffene sein ureigenes Schicksal hat.
Symptome der Erkrankung sind überliefert bei Julius Caesar 100 v. Chr.- 44 v. Chr., Martin Luther 1483 - 1546, Vincent van Gogh 1853 - 1890. Prosper Menière beschrieb 1861 ein Syndrom, das später nach ihm benannt wurde.
Wie gehen Betroffene mit diesem Syndrom um. Wenn ich von mir sprechen will, so war ich fast zwei Jahrzehnte ein Simulant für meine Außenwelt. Den Menière habe ich zu meinem Feind erklärt. Von Martin Luther wird berichtet, dass er der Meinung war, der Teufel wolle von ihm Besitz ergreifen. Für mich nachvollziehbar, denn begleitet wurden meine Anfälle von einem unglaublichen, Angst einflößenden Dröhnen, das nur ich hörte. So wie ich musste auch Luther gegen einen Feind kämpfen, der heimtückisch aus dem Nichts kam und wieder im Nichts verschwand. Nicht anders kann es Vincent van Gogh ergangen sein, der in meinen Augen tragischste »Bruder im Leid«. Wenn ich Berichte lese, gerade über sein klägliches Ende und lese, wie nach möglichen Erklärungen gesucht wird, berührt mich das tief. Sich während eines Menière Anfalles in die Brust zu schießen und zu hoffen, dass diese Aktion auch den gewünschten Erfolg bringt, ist aus meiner Sicht der Dinge ein Unterfangen, dem ich mich nicht ausgesetzt hätte. Es zeigt aber die Verzweiflung des Betroffenen deutlich auf. Sehen Sie, liebe Leserin und Leser, manchmal gestalten sich die Dinge anders, als sie sich uns darstellen. Betrachten Sie einfach das Wirken der Beschriebenen unter dem Aspekt, dass diese Menschen Menière Betroffene waren.
Mein Umgang mit dem Feind. Für mich war die Zeit mein Freund, sie arbeitete für mich, denn ich lebe in anderer Zeit an anderem Ort. Auch mir war klar, dass dem letzten Anfall, der mich mehr als 30 Stunden lang mit voller Wucht erfasste, kein weiterer mehr folgen durfte. Andere Zeit, anderer Ort, Vincent hat zur Waffe gegriffen, ich zur Überweisung für den Klinikaufenthalt.
Der Morbus Menière hat meine uralte Kriegerseele zum Leben erweckt. Bevor mich ein Feind vernichtet, vernichte ich ihn. Ich komme jetzt zu dem wohl spannendsten Teil meiner Ausführung. Denn die Anfälle, die zuvor im Abstand von zwei Tagen kamen, blieben plötzlich aus, während sich die ohrtoxische Substanz ihren vernichtenden Weg zu meinem Gleichgewichtsorgan bahnte. Wie ein Cyberstalker, der, wissend, dass es ihm an den Kragen geht und doch nicht über seinen kranken Schatten springen kann, stichelnd darauf lauert, dass sein Opfer doch noch einen Rückzieher macht um wieder aus dem Nichts kommend zuzuschlagen und zu verschwinden. Der Krieger in mir hat die Entscheidung getroffen, die Behandlung weiterzuführen. Der Feind saß in meinem Gleichgewichtsorgan, dort habe ich ihn vernichten lassen. Das war eine gute Entscheidung – für mich. Es war kein Pyrrhus-Sieg. Diese Entscheidung hat mir ein Mehr an Lebensqualität gebracht. Und eine gewisse Sicherheit, im Umgang mit meinen Feinden. Es musste etwas in mir sterben, damit ich wieder leben konnte.
Sylvia B. menière desaster Der Feind in meinem Innenohr
bei hugendubel bei buecher.de
Helmut Schaaf Morbus Menière bei buecher.de
Vielen Dank KIMM für die Buchbesprechung
Ich hatte einen Traum…
Liebe Sylvia!
AntwortenLöschenDeine Märchen für Erwachsene, besonders der so realistische »Forentroll«, beeindrucken mich immer noch zutiefst. Dein ganz persönlicher Stil, die poetische Kürze, die Weisheit in so vielen kleinen »Nebensätzen«, die Schönheit der Sprache.
Du verstehst es in nicht wirklich zu beschreibender Weise zu berühren. »menière desaster« ist - wie jedes Deiner Bücher - ein ganz besonderes Werk. Es rührt, ohne rührselig zu werden und es vermittelt den Mut und die Tatkraft der starken Frau, die Du bist!
Die Rezension, die Du uns hier vorstellst, ist ohne Zweifel eine ganz besondere Auszeichnung... für ein besonderes, ungewöhnliches Buch!
Walter
Liebe Sylvia,
AntwortenLöschenDein Beitrag steckt voller Wahrheit und rührt mich erneut. Das Buch »menière desaster« hat einen bleibenden Eindruck in mir hinterlassen. Dein Leiden hast Du so hautnah geschildert, dass man es körperlich fühlen konnte. Durch Mut und eisernen Willen hast Du es geschafft, doch noch ein »normales« Leben führen zu können. Die Art und Weise, wie Du deine Formulierungen zu Papier bringst, zeichnen all Deine Bücher zu einem besonderen Werk aus.
LG.Rita
Liebe Rita, lieber Walter
AntwortenLöschenhabt Dank für Eure Kommentare.
»meniere desaster« ist für mich ein besonderes Buch, weil es eben ein sehr persönliches Buch ist.
Diese sehr liebevolle Buchbesprechung bei KIMM aktuell ist aus meiner Sicht eine besondere Auszeichnung für mein Buch.
Liebe Grüße
Sylvia
Liebe Sylvia, mit großem Interesse habe ich Deinen Beitrag gelesen und werde mich in den nächsten Wochen mit Deinem Buch "Menière desaster Der Feind in meinem Innenohr" auseinander setzen und eine Rezension dazu schreiben.
AntwortenLöschenIch habe Dich als eine sehr kämpferische Frau kennengelernt, die mich gelehrt hat, wie man mit Feinden umgeht und dass man sie letztlich auf kluge Weise vernichten muss, wenn man in Ruhe weiterleben möchte. Ich glaubte, man könne aus Feinden Freunde machen, wenn man sich ihrer positiv zuwendet. Das war ein Irrtum. Es stimmt, was Du sagst: "Der Teufel ist nicht krank, sondern böse. Heckenschützen jedwelcher Art, seien es Krankheiten oder fiese Menschen müssen den Boden entzogen bekommen. Du hast es geschafft. Von Dir kann man viel lernen.
Feinde vernichtet man, indem man sie aufhört Ernst zu nehmen und sich weigert an an ihren Kriegen teilzunehmen. Man muss sie ins Leere laufen lassen, sich unangreifbar machen, indem man sie nicht an sich heranlässt. Dann zermürben sie sich selbst.
Nichts schöner als mit Freunden gute Gespräche zu führen und Spaß miteinander zu haben.