Sonntag, 31. März 2013

167 »Ein kurioses Ritualbad«

Teil 167 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Das mysteriöse Ritualbad
Foto: W-J.Langbein
Der Kopf brummt. Die Nase ist verstopft. Ich habe Fieber. Schuld an der schlimmen Erkältung ist die Klimaanlage unseres Reisebusses. Immer wieder bin ich völlig verschwitzt der Gluthitze Indiens in unserem modernen Gefährt entkommen. Genüsslich habe ich die Kaltluftdüse angestellt, den kalten Lufthauch genossen. Und dabei habe ich Bakterien und Viren eingeatmet ... die von der kräftigen Klimaanlage im ganzen Bus verteilt wurden. Das Kontrastprogramm »Sauna im Freien - Kältekammer im Bus« plus Bazillen-Virenschleuder Kaltluftgebläse haben Wirkung gezeigt ...

Ich bin erkältet ... Der Busfahrer hat mir eine Kur mit »Naturheilmitteln« empfohlen: Schnupftabak und Rum. Der Schnupftabak, von einem Straßenhändler erworben, scheint meine Nase innerlich vollkommen auszubrennen. Und der Rum heilt meine schlimme Erkältung auch nicht wirklich. Aber die hochprozentige Arznei macht mich gelassener. Schließlich lasse ich beide »Naturheilmittel« weg.

Unser Guide, eine schlanke, zierliche Inderin, spricht perfekt Englisch. Sie versteht, dass unsere kleine Reisegruppe an den Geheimnissen und Mysterien Indiens interessiert ist. Und so erfahren wir von ihr, was nicht in den offiziellen Lehrbüchern steht. So erfahren wir, dass vermeintliches »Wissen« oft nur reine Spekulation ist. »Ein Gebäude mit massiven Mauern und zahlreichen kleinen Kammern kann nach dem im Boden erhaltenen Fundament rekonstruiert werden. Aber welchem Zweck dienten die kleinen Räume? Waren es Zellen für Mönche ... oder Ställe? Waren hier Elefanten untergebracht ... oder Pferde? Wir wissen es nicht.«

Vermessungsarbeiten
Foto: Ingeborg Diekmann
Schließlich führt sie uns zu einem »Ritualbad«. Es erinnert eher an eine »Sportarena« unserer Tage, das aber im kleinen Maßstab. Was es einst auch war, es wurde vollständig im Erdreich versenkt. Erhalten ist nur der unterirdische, quadratische Teil, so erklärt vor Ort unser Guide. Und – so erfahren wir weiter – es wurde »erst kürzlich« ausgegraben. Welchem Zweck diente der kuriose Bau einst? Handelt es sich bei der im Boden versenkten steinernen »Sportarena« um den unterirdischen Teil eines Tempels? Wurde der oberirdische Teil abgetragen, um Baumaterialien zu gewinnen?

John Fritz lässt in seinem fulminanten Werk »City oft Victory« keinen Zweifel aufkommen. Demnach handelt es sich um (1) ein »rituelles Bad«, das einst zum »königlichen Zentrum« gehörte. Ist damit das Rätsel um die »kürzlich bei der archäologischen Begutachtung getätigten Entdeckung« gelöst? Mit Freunden habe ich vor Ort die seltsame Anlage vermessen. Sie ist fast exakt quadratisch. Ausmaße an der Oberkante: 22,50 mal 22 m. Vier Stufen, jeweils 0,90 m tief, führen nach unten zu einem Quadrat von 6,13 m Seitenlänge. Wie tief die letzte Stufe ist, konnte nicht eruiert werden. Im untersten Bereich steht Wasser, am Boden befindet sich fester Schlamm. Sollte auch die letzte Stufe, also die fünfte, 0,90 m tief sein, ergäbe das eine Gesamttiefe von 4,50 m. Baumaterial: vermutlich Granit.

Unpraktische
Treppchen
in großer Zahl
Foto: W-J.Langbein
Noch heute besticht die an eine präzise Zeichnung von Escher erinnernde Struktur durch die unzähligen kleinen steinernen »Treppchen« die von einer Stufe zur nächsten führen. Aber sind es denn wirklich »Treppchen«? Ich habe da meine Zweifel die einzelnen »Stufen« der steinernen »Treppchen« sind so schmal, dass man winzige Füßchen haben müsste, um sie wirklich als Treppen benützen zu können. Und warum erstellte man Dutzende von kleinen Steintreppen, eine neben der anderen? Die Königin konnte, so lautet eine Erklärung, von jedem Punkt aus den Abstieg nach unten zum Wasser beginnen... und musste keinen einzigen Meter gehen, um eine Treppe zu erreichen.

Eine andere Erklärung mutet viel profaner an. Demnach handelte es sich nicht um ein »rituelles Bad«, sondern um einen Brunnen. Sollte diese Erklärung stimmen? Angeblich kletterten Wasserträgerinnen auf den Treppen nach unten, um Wasser zu schöpfen und in Eimern nach oben zu tragen. Ich muss einwenden: Aber gerade dann sind die äußerst schmalen Treppenstufen alles andere als unpraktisch. Ich muss wiederholen: Warum hat man statt der vielen Treppchen nicht eine einzige, praktischere gebaut?

Angeblich gab es einst »Tausende« von »Stufenbrunnen« in Indien. Die ersten sollen vor mindestens 1400, vielleicht schon vor 2000 Jahren gegraben und gebaut worden sein. Hindus sollen diese für Indien sehr wichtigen Wasserquellen »erfunden« haben. Die muslimischen Truppen hätten sie später als Besatzer übernommen. Oder haben indische Baumeister nur übernommen, was sie im Industal gesehen haben?

Wie auch immer: Wichtig müssen die seltsamen Bauten gewesen sein. Sie wurden einst so gebaut, dass auch Erdbeben erheblicher Stärke ihnen nichts anhaben konnten. Von »Tausenden« von »Stufenbrunnen« sind nicht mehr viele erhalten. Oder schlummern noch unzählige vergraben im Erdreich?

Der Brunnen von Abhaneri,
Rajasthan, Indien
Foto: Doron
Der »Stufenbrunnen« von Chand Baori, ìm Dorf Abhaneri, Rajasthan, Indien, soll der wahrscheinlich tiefste seiner Art sein. Konstruiert wurde er angeblich im neunten Jahrhundert ... unweit des »Harshat Mata«-Tempels. Seine Basis befindet sich in rund dreißig Metern Tiefe unter der Erdoberfläche. Dreizehn »Etagen« lassen sich erkennen. Wiederum sind es unzählige kleine Treppchen ... eine an der anderen, die nach unten führen. So soll es möglich gewesen sein, bei sinkendem Wasserspiegel immer leicht an das kostbare Nass zu gelangen. Aber waren dazu wirklich 3500 (dreitausendfünfhundert) enge Stufen erforderlich? Wäre es nicht sehr viel einfacher und praktischer gewesen, eine Treppe mit breiteren Stufen zu bauen?

Harshat Mata wird heute noch als Göttin des Glücks und der Fröhlichkeit verehrt. Sollte der so kunstvoll-unpraktisch angelegte Brunnen eine andere als eine rein profane Bedeutung gehabt haben? Jutta Jain-Neubauer hebt in ihrem Werk »The Stepwells of Gujarat« die sakral-religiöse Bedeutung solcher Brunnen hervor. Noch heute, so weiß die Autorin zu berichten, wird Göttinnen via Brunnen geopfert. Mag sein, dass einst Menschen rituell getötet und in die Brunnen geworfen wurden. Angeblich sind Selbstopferungen aus uralten Zeiten überliefert. Derlei grausige Rituale werden heute nicht mehr vollzogen. Es soll aber Glück bringen, vom eigenen Blut einige Tropfen in das Brunnenwasser fallen zu lassen.

In Gujarat sieht man in der einheimischen Bevölkerung noch heute eine Verbindung zwischen »Stufenbrunnen« und der segensreichen Muttergöttin. Noch heute sollen sie als heilige Stätte der Verehrung von Göttinnen wie Devi oder Mata gesehen werden. Mich verwundert es nicht, dass das auch und gerade in Indien so kostbare Lebenselixier Wasser mit Muttergöttinnen in Verbindung gebracht wird. Der Muttergöttin verdankt man Leben, Wachsen und Gedeihen. Zum Leben gehört unverzichtbar Wasser, das aus dem harten und trockenen Boden Pflanzen sprießen lässt.

Teilansicht - Foto: W-J.Langbein
Es waren, Jutta Jain-Neubauer weist darauf hin, Damen von königlichem Blut oder aus dem »Hochadel«, die die Schirmherrschaft für sakrale Brunnen übernommen haben. Die vornehmen Damen verfügten offensichtlich über erhebliche finanzielle Mittel, die ihnen den Bau teurer und höchst kunstvoller »Stufenbrunnen« ermöglichten.

Vermutlich wurde in Indien schon vor vielen Jahrtausenden komplexe Bewässerungssysteme ersonnen. Die ersten Brunnen waren »primitiv«, einfach Erdlöcher bis zum Grundwasserspiegel. Von den Wasserlöchern führten Gräben zu den Äckern, die in trockenen Zeiten bewässert werden konnten. Die Brunnen waren somit Garanten für das Überleben der Menschen. Ohne das kostbarere Nass gab es kein Überleben.

Aus den einfachen Erdlöchern, die mit Steinbrocken gefasst wurden, entwickelten sich immer modernere Bauten ... bis hin zu den Wasserheiligtümern von Göttinnen, ja von der großen Muttergöttin, die im heiligen Wasser residierte. So sehe ich das vermeintliche »rituelle Bad« von Vijayanagara eben nicht als simplen Brunnen an ... sondern als Heiligtum einer Muttergöttin, der einst Opfer gebracht wurden – Nahrungsmittel wie Getreide, aber auch Ost und Gemüse, Tiere, aber auch Menschen.

Stufen für eine Göttin
Foto: W-J.Langbein
Die »Treppen« sind für profane menschliche Füße höchst unpraktisch. Sollten sie gar nicht für irdischen Gebrauch gedacht gewesen sein? Sollten sie es der Göttin ermöglichen, aus den Fluten empor zu steigen? Zu den sakralen Brunnen gehörten dann auch Altäre für die Göttinnen wie Asapuri. Die sakralen Brunnen – im Gegensatz zu profanen, die nur der Bewässerung dienten? - waren so etwas wie Eingänge zu Erd-Mutter-Göttin.

Mit Freunden vermesse ich stundenlang den kuriosen »Brunnen« von Vijayanagara. Ob die Bezeichnung »Ritualbad« denn so abwegig sei, frage ich unseren Guide. »Keineswegs!« lautet die Antwort. Liegt der Gedanke nicht nahe, dass das Bad im heiligen Wasser der Göttin von besonders segensreicher Wirkung war?

Fußnoten
1: Fritz, John: »City oft Victory«, New York 1991, S.63
2: Jain-Neubauer, Jutta: »The Stepwells of Gujarat«, 1. Auflage, New Delhi 1981, S. 6
Literatur

Folgende Werke seien dem interessierten Leser empfohlen ... zur vertiefenden Lektüre zum Thema Indien ...

Im Wasser haust die
Göttin - Foto:
W-J.Langbein
Bhagavdgita, die
Sanskrittext mit Einleitung und Kommentar von S. Radharkrishnan/ Mit dem
indischen Text verglichen und ins Deutsche übersetzt von Siegfried
Lienhard, Wiesbaden 1970
Bhagavdgita,die Mit einem spirituellen Kommentar von Bede Griffiths/ Aus dem Sanskrit
übersetzt, eingeleitet und erläutert von Michael von Brück, München 1993
Bhagavdgita/ As ist is/ Abridged Edition/ with translations and elaborate purports by his
Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Sywami Prabhupada/ Founder-Acarya of
the International Society for Krishna Consciousness, New York
Childress, David Hatcher: Vimana Aircraft of Ancient India and Atlantis,
Stelle 1991
Childress, David Hatcher: Lost Cities of China, Central Asia and India, Stelle
1991
Euringer, Florian: Indische Astrologie/ Die 27 Frauen des Mondes, Genf 1989
Franz, Heinrich Gerhard: Das alte Indien/ Geschichte und Kultur des
indischen Subkontinents, München 1990,
Fritz, John: City oft Victory/ Vijayanagara, New York 1991
Gentes, Lutz: Die Wirklichkeit der Götter/ Raumfahrt im alten Indien,
München 1996
Higgins, Godfrey: The Celtic Druids or An Attempt to shew, that the Druids
were the priests of oriental colonies who emerged from India And were the
introducers of the first or Cadmean system of letters and the builders of
Stonehenge, of Carnac, and of other cyclopean works, in Asia and Europe,
London 1829
Kearsley, Graeme R.: Pacal’s Portal to Paradise at Palenque/ The Iconography
of India at Palenque and Copan, London 2002
Kircher, Bertram: (TerraX) Atlantis/ alle Mythen, Legenden und Dichtungen,
Düsseldorf 2007 (Das Mysterium des Shiva/ Heilige Männer in Indien)
Rao, S.R. (Shikaripur Ranganatha): The Lost City of Dvaraka,
New Delhi, 1. Auflage 1999
Richter-Ushanas, Egbert: The Indus Script and the Rg-veda, Delhi 1997
Thompson, Richard L.: Vedic Cosmography and Astronomy, Los Angeles
1990

»Fliegende Wagen«, 
 Teil 168 der Serie  »Monstermauern, Mumien und Mysterien« 
 von Walter-Jörg Langbein
 erscheint am 07.04.2013

Montag, 25. März 2013

Fido Buchwichtel und die Friedhofsgeschichten

Hallo liebe Leute!

Auch in der Karwoche müsst Ihr nicht auf mich verzichten. 
Fido Buchwichtel bringt Euch den Bestseller der Woche aus dem Reich der Wichtel.

Im Vergleich zu Euch Menschen werden wir Wichtel uralt. Das mag daran liegen, dass wir uns sehr gesund ernähren. Vielleicht auch, weil wir stets bemüht sind, miteinander in Frieden und Harmonie zu leben. Aber irgendwann ist auch für jeden Wichtel die Zeit gekommen, in der er Abschied nehmen muss. Dann trauern wir auch um eine Freundschaft, die wir verloren haben. Unsere Toten ruhen nahe dem Birkenhain. Die Seele unserer Ahnen lebt in den Völkern weiter. 


Über das Buch "Bestatten, mein Name ist Tod!" , das ich Euch Menschen in dieser für Euch wichtigen Woche vorstellen möchte, ist sehr ausführlich unter den Wichteln diskutiert worden. Es geht um zwei Bestatter und um das, was sich auf Menschenfriedhöfen ereignen kann. Erstaunt haben wir Wichtel lesen müssen, dass nicht jeder Tod eines Menschen natürliche Ursachen hat. Die Totengräber scheinen in der Tat mehr zu wissen, besonders die, von denen in dem Buch geschrieben steht. 

Es ist schon amüsant zu lesen, wie Ihr Menschen Euch gegenseitig ins Grab bringen könnt. Aber ob das alles so stimmen mag, wie es beschrieben steht? So richtig mochte ich mich mit diesem Gedanken nicht anfreunden. Wie gut, dass sich dann doch noch alles irgendwie aufklärt. Sonst hätte ich den Glauben an Euch Menschen noch endgültig verloren. 

Uns Wichteln hat das Buch gut gefallen. Denkt an meinen Ahnen Johann Wolfgang von Kurzarm und folgt seinem Ausspruch: "Bestatten, mein Name ist Tod!" Friedhofsgeschichten aus dem Leben gerissen Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Wir lesen uns Ostermontag in alter Frische wieder!

Winke winke Euer

Fido Buchwichtel





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Sonntag, 24. März 2013

166 »Hanuman, der göttliche Affe«

Teil 166 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Kleiner Hanuman
Foto: W-J.Langbein
»Wir müssen auch diesen ... Menschen hier respektvoll begegnen ...« führt der Geistliche aus Deutschland aus. Ein beleibter Glatzkopf protestiert schwitzend, mit den Armen so energisch wie möglich in der Luft wedelnd. »Aber das sind doch ... Heiden, die der Verdammnis anheim fallen werden!« Seine noch dickere Begleiterin pflichtet bei: »Primitive Heiden sind das doch! Man schaue sich doch nur um ... In den Tempeln hausen Affen. Auf den Straßen marschieren Rinder und Kühe umher. Das Vieh hat immer Vorfahrt! Einfach primitiv!« Der Geistliche, offenbar der Reiseführer der kleinen Gruppe, bläst die Backen auf. »Und doch müssen wir auch solchen ... diesen ... Menschen mit Respekt begegnen!«

Es kommt mir so vor, als suche er nach vermeintlich richtigen Begriffen. Da ihm aber nur beleidigende Ausdrücke einfallen, bringt er nur – nach einer peinlichen Pause - »diese ... Menschen« über die Lippen.

Und in der Tat, Äffchen bevölkern viele der Tempel Indiens. In den Affen wird der göttliche Hanuman verehrt. Im Jahrtausende alten Ramadan-Epos tritt Hanuman als heldenhafter Krieger in Erscheinung. Dämon Ravana hatte Sitar, die Frau Namas entführt. Rama, siebente Verkörperung des Supergottes Vishnu, suchte verzweifelt. Hanuman, der himmlische Krieger, scharte ein Heer von Affen-Kriegern um sich. Hanuman war ein wirklich mächtiger Gehilfe Ramas. War er doch ein Sohn des Windgottes Vayu. Verfügte er doch über die Kraft des Wirbelsturms. Eine besondere Gabe zeichnete ihn aus: Sein himmlischer Vater hatte ihm die Kunst des Fliegens beigebracht. So konnte Hanuman durch die Lüfte sausen und nach der verschleppten Sita suchen.

Der Erfolg blieb nicht aus. Der Gott in Affengestalt entdeckte mit seinen Truppen das Gefängnis der Sita – in Shri Lanka (Ceylon). Stand nun die Familienzusammenführung unmittelbar bevor? So schien es...

Tempelstürmer
Foto: W-J.Langbein
Das Happyend wollte sich aber so schnell nicht einstellen. Sita weigerte sich, sich von Hanuman aus dem Gefängnis befreien zu lassen. Nur ihr Mann, Rama selbst, durfte sie erretten. Alles andere wäre schmachvoll für ihn gewesen. Hanuman fiel mit seinem Heer über die Stadt Ravanas her, zerstörte die gewaltige Verteidigungsanlage und tötete viele aus der Schar der dämonischen Wächter. Auch der Palast des dämonischen Entführers Ravana wurde verwüstet. Ravana attackierte Hanuman. Es gelang ihm, den Schwanz des Affen in Brand zu stecken. Hanuman wurde wütend und verwandelte sich in einen gigantischen Riesenaffen, nach »King Kong Manier«. Wütend entfachte er ein höllisches Feuer. Schließlich holte er Rama, der nun seine Frau Sita befreien konnte, da der Feind ja erheblich geschwächt worden war.

Nur Hanuman wollte als einziger aus dem Heer auch weiter Rama und Sita dienen. Um seine absolute Treue zu beweisen, riss er seine Brust auf. Zum Vorschein kam ein Bild von Rama und Sita. So wurde Hanuman zur personifizierten Treue ... und wird bis heute von der mächtigen Bhakti-Bewegung (»Bhakti«, »Hingabe«, »bedingungslose Liebe«) verehrt ... als ein göttlicher Zauberer, der über immense magische Kräfte verfügt. Unzählige Tempel wurden zu Ehren Hanumans errichtet ... und seither genießen Äffchen Narrenfreiheit. Hanuman-Languren und andere Äffchen, werden von frommen Pilgern in den Tempeln gefüttert und bewundert ... als »Repräsentanten« Hanumans.
Vor Ort erklärte mir ein einheimischer Führer: »Die Hanuman-Äffchen stehen für Verlässlichkeit, Treue und Liebe. Wenn wir sie füttern, ehren wir Hanuman ... und bekennen uns zu den großen Tugenden wie Treue und Liebe!«

Diese Touristen ...
Foto: W-J.Langbein
Kurz bleibe ich bei der kleinen Reisegruppe stehen, in der man sich mit wachsender Begeisterung über den »primitiven Glauben« der Inder echauffiert. »Es ist unglaublich ...«, pflichte ich bei. »Wie kann man nur einen Affen als so etwas wie ein Symbol für Liebe und Treue verstehen! Primitiv ist so etwas!« Meine gespielte Entrüstung stößt auf Begeisterung. Der dickbauchige Reiseleiter der kleinen Schar von Frömmlern stimmt mir selbstgefällig nickend zu. »Da lobe ich mir doch unseren christlichen Glauben!« verkünde ich. »Da werden keine Affen verehrt.. « Einer aus der Gruppe wirft ein: »Auch keine heiligen Kühe!« Ich nicke: »Dafür haben wir aber unsere Taube, den Heiligen Geist!« Ich fürchte, nicht jeder der frommen Schar hat damals meine Ironie erkannt ...

»Die alten Überlieferungen, die alten Epen erscheinen mir als unwissendem Europäer doch oft sehr rätselhaft ...« gab ich abends meinem Guide, einer attraktiven jungen Inderin, zu bedenken. Sie lachte herzhaft. »Von der einstigen Superstadt Vijayanagara sind nur kleine Teile erhalten. Wie imposant sie einst war, wir erahnen es nur ...« Erhalten geblieben sind einzelne gewaltige Portale, die darauf schließen lassen, dass die einstige Monstermauer zum Schutz der heiligen Stadt gewaltig gewesen sein muss. »Bruchstückhaft wie die Überbleibsel von Vijayanagara ... ist unser Wissen über die uralte Vergangenheit der Stadt, als sich Götter und Menschen begegneten!«

Nachdenklich gibt sie zu: »Auch wir Inder verstehen vieles aus der alten Welt der Überlieferungen nicht mehr ... Unser Wissen ist bruchstückhaft ... so wie die Ruinen von Vijayanagara! In Kellergewölben uralter Tempel ruhen noch wahre Schätze des Wissens, ganze Bibliotheken mit geheimnisvollen Texten. Sie sind nur wenigen Eingeweihten bekannt. Bücher mit »Seiten« aus hölzernen Tafeln tragen Schriften, deren Ursprünge Jahrtausende alt sind. Wie viele Wissende können diese Texte noch lesen und verstehen? Wie viele Eingeweihte geben ihr Wissen weiter? Welche Schätze uralten Wissens gehen mit dem Tode der Geheimnisträger für immer verloren?

Manchmal wurde versucht, Mäuerchen zu errichten, um die Funktion der »Portale« augenscheinlicher zu machen. Im Vergleich zu den massigen Portalen wirken die neuzeitlichen Mäuerchen aber eher kläglich ...

Ein mächtiger Portalbau
Foto: W-J.Langbein
Durch die Straßen von Vijayanagara trotten heilige Kühe ... und gelegentlich huschen auch Äffchen vorbei. Fußgänger, Radfahrer, brausende Mopeds und Autos weichen ihnen ebenso aus wie Busse und Rikschas. Oder der wabernde Straßenverkehr kommt plötzlich zum Stillstand, weil sich drei Kühe mitten auf der Straße ein Plätzchen zur nachmittäglichen Ruhe gesucht haben.

Für den »zivilisierten« Besucher aus Europa oder den USA ist es unbegreiflich, wieso man die dösenden Wiederkäuer nicht mit ein paar kräftigen Fußtritten von der Straße treibt. Für den »kultivierten« Europäer oder Amerikaner ist es nicht verständlich, wieso es im undurchschaubaren Gewusel auf indischen Straßen nicht ständig und überall zu Verkehrsunfällen kommt. Die Erklärung ist einfach: Wer im Auto sitzt und eigentlich Vorfahrt hat, der setzt sein Recht nicht rücksichtslos durch. Man wartet geduldig, lässt den Verkehrsteilnehmer, der eigentlich im »Unrecht« ist, gewähren ... und fährt dann gelassen weiter.

Manche Touristen
wissen, dass wir
Nüsse mögen ...
Foto: W-J.Langbein
Die Tradition der Verehrung der Heiligen Kuh löst in der Regel in anderen Ländern Befremden aus. Sie sei, so stellt ein Reiseführer fest (1) »außerhalb Indiens kaum noch nachvollziehbar«. Wann sie entstand – wir wissen es nicht. Fest steht nur, dass bereits vor 3.500 Jahren die Heiligen Kühe verehrt wurden ... von einem indogermanischen Hirtenvolk, den Ariern. Schon damals wurde den Göttern geopfert, vornehmlich geschmolzene »Kuhmilchbutter« (2). Weiter heißt es im Reiseführer (3): »Zum Alltag der Arier gehörten Opferrituale, bei denen neben der eigentlichen Opferung heilige Verse rezitiert wurden. Den formalen Ablauf des Opferrituals bestimmten die Brahmanen-Priester ... Die Opfer wurden von der Bevölkerung dargebracht.« Warum wurde hauptsächlich Butter geopfert? Warum wurde die Kuh als Spenderin so ganz besonders heilig? Wir wissen es nicht! Wir wissen nur, dass die Kuh eine herausragende Rolle spielte: »Im Leben der Menschen hatte die Kuh denselben Stellenwert wie das vedische Feuer oder die Verse der Brahamanen.«

Der Reiseführer erklärt (4): »Die Kuh war ›kamadhenu‹ die Erfüllung aller Wünsche. Das Füttern und die Pflege einer Kuh wurden als aktive Verehrung verstanden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Kuh zum Sinnbild der Göttlichkeit, gleichsam zum Wohnsitz der Götter.«

Nach mehr als drei Jahrzehnten des Erforschens ältester religiöser Bräuche kann ich dieser Erklärung nicht folgen. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass die Kuh seit Ewigkeiten – und zwar lange vor den altindischen Ariern – als die Manifestation der ältesten Göttin überhaupt angesehen wurde ... nämlich der »Großen Urmutter« schlechthin! Die »Heilige Kuh« war die Mutter allen Lebens, die heilige Mondkuh, die Himmelskuh der Ägypter. Aus ihrem Euter spritzte die Milch, die in unseren Breiten immer schlechter zu erkennen ist ... die Milchstraße!

Autor Langbein mit
Begleitung - Foto:
Ingeborg Diekmann
Der Ursprung der Kuh-Mutter-Gottheit verliert sich in der grauen Vergangenheit, Ägypter und Inder führten nur eine sehr viel ältere Tradition fort, ohne den ursprünglichen Sinn zu verstehen! Die Brahamanen glaubten an die Wiedergeburt. Bei ihren Riten setzten sie entweder eine Kaurischnecke ... oder das Bild einer Kuh ein.

Meine Überzeugung: Die »heilige Kuh« ist das älteste Symbol für die älteste Gottheit ... für die Göttin! Sie wird heute noch in Indien wie Hanuman, der göttliche Affe, verehrt. In unseren Kirchen tummeln sich natürlich keine Affen. Auf unseren Straßen behindern keine »heiligen Kühe« den Straßenverkehr. Bei uns reisen Kühe, Rinder, Pferde Tausende Kilometer unter unsäglichen Bedingungen durch die halbe Welt, um dann oft wiederum unter schlimmsten Bedingungen geschlachtet zu werden. Es gibt zwar Gesetze, die solche Todestransporte »humaner« gestalten sollen ... aber kaum Kontrollen. Die Organisation »Animals' Angels« sammelte weit über eine Million Unterschriften. Es soll erreicht werden, dass Schlachttiere nie länger als acht Stunden transportiert werden. »Animals' Angels« setzt sich für diese gequälten Tiere ein, die sonst keine Lobby haben. Sie versuchen, das Leid der Tiere zu lindern, das oft schlimmer ist als wir uns das vorstellen können!

Ich habe Vorfahrt ...
Foto: W-J.Langbein
Ich erlaube mir, eine Frage zu stellen: Was ist »primitiver«? Die Verehrung der »Heiligen Kuh« als göttliches Sinnbild ... oder der tierquälerische Umgang mit Schlachttieren wie Kühen, Rindern, Pferden? Was ist schlimm? Die Achtung der »Heiligen Kuh« oder übelste Tierquälerei um des Profits willen? Wir empfinden kein Tier als heilig ... sollten doch aber auch dem tierischen Leben mit sehr viel mehr Respekt begegnen, mit Achtung!

Ich selbst bin Fördermitglied bei »Animals' Angels«(6).. und darf Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, diese wichtige Gruppe ans Herz legen!

Fußnoten
1 Nelles Guides: »Indien Nord«, 2. Auflage, München 1991, S. 234
2,3 und 4 ebenda
5 Walker, Barbara G.: »Das geheime Wissen der Frauen«, Frankfurt am Main 1993, S.589 und 590, Stichwort »Kuh«
6 »Animals' Angels e.V.«, Rossertstraße 8, D – 60323 Frankfurt. https://www.animals-angels.de/  

»Ein kurioses Ritualbad«
Teil 167 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 31.03.2013


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Montag, 18. März 2013

Fido Buchwichtel und die Kulte im Alten Testament

Hallo liebe Leute!

Wieder ist es Montag und darum bin ich hier:
Fido Buchwichtel mit dem Bestseller der Woche aus dem Wichtelland.

Bestimmt habt Ihr Euch Menschen schon die Frage gestellt, ob wir Wichtel auch an Götter glauben. Wir leben in der Natur und mit ihr. Jeder Baum, jeder Strauch ist uns heilig, wenn ich das mit Euren Worten ausdrücken will.

Wenn ein Wichtelkind geboren wird, erfüllt uns das mit Freude und auch mit einer tiefen Dankbarkeit. Nicht nur, weil dieses Kind Hoffnung in den Fortbestand des Wichtelvolkes bringt. Sondern weil jedes Kind ein Wunder der Natur ist, so wie jedes Lebewesen auch. Darum achten wir aufeinander und wir achten die Natur, die uns umgibt, weil wir Teil des großen Ganzen sind.

Ihr Menschen habt andere Vorstellungen. Die interessieren uns natürlich sehr. Darum ist es nicht verwunderlich, dass in dieser Woche ein Buch des Menschenautors Walter-Jörg Langbein für Gesprächsstoff bei uns gesorgt hat. Bibel, Götter und Propheten: Kulte im Alten Testament ist der Bestseller der Woche im Wichtelland.


Interessant für uns Wichtel ist, dass Ihr Menschen Kulte und Rituale benötigt. Dieses Alte Testament scheint ein spannendes Buch zu sein. Nur wer diese alte Schrift kennt, kann die für Euch Menschen wichtige Fragen beantworten. Ihr Menschen wartet auf den Erlöser, den Messias. Darum lautet für Euch die bedeutendste Frage: Ist Jesus der Messias, den Jesaja im Alten Testament angekündigt hat?

Walter-Jörg Langbein hat mit seinem Buch einen bemerkenswerten Beitrag geleistet, damit wir Wichtel ein besseres Verständnis für die Spiritualität der Menschen erlangen konnten. Es könnte bestimmt nicht schaden, wenn sich der ein oder andere Mensch mit diesem wichtigen Buch befassen würde. Darum kann ich nur sagen: Bibel, Götter und Propheten: Kulte im Alten Testament Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Bis nächsten Montag und winke winke Euer

Fido Buchwichtel



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Sonntag, 17. März 2013

165 »Nach Indien, der Götter wegen ...«

Teil 165 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Autor Langbein in
Vijayanagara - Foto:
Ingeborg Diekmann
Mich haben uralte »Heilige Texte«, wie das Mahabharata, und eine mysteriöse Stadt nach Indien gelockt. Altindische Texte berichten von riesigen walzenförmigen Städten, die sich um die eigene Achse drehten ... und das im unendlichen All. Aus diesen Monsterschiffen sollen kleine Vehikel geflogen und zur Erde hinabgestiegen sein. Sie pendelten zwischen »Mutterschiff« und Erde.

Was wie Sciencefiction klingt ... wurde in altindischen Epen bereits vor Jahrtausenden geschrieben. Sollte das »Alte Indien« tatsächlich vor Jahrtausenden von Außerirdischen besucht worden sein? Kamen sie in gigantischen Generationen-Raumschiffen? Pendelten sie in Zubringervehikeln zwischen Mutterstation und Erde? Den altindischen Epen zufolge waren es Götter, die den Weltraum bereisen konnten. Und die über fürchterliche Waffen verfügten. Auch wenn es unglaublich klingt, so ist es doch real: Zwischen Gruppen von Göttern gab es im Himmel über Altindien regelrechte »Starwars«. Dabei wurden Raketen abgeschossen. Diese Götter lockten mich nach Indien! Und da war noch ein ganz besonderes Reiseziel ...

Hatte ich doch gelesen, dass sich dort einst Menschen und Götter getroffen haben sollen. Sie hieß Vijayanagara. Touristen verlaufen sich selten hierher ... in den Nordwesten von Hopset, auf halbem Weg zwischen Penukonda und Bijapur. Der Weg zu einer der geheimnisvollsten Stätten unserer Erde ist beschwerlich, führt über extrem schlechte Straßen.

Teil der Stadtmauer
von Vijayanagara
Einst war diese mysteriöse Stadt von einer wahren »Monstermauer« umgeben, die heute nur noch in Teilen erhalten ist. Noch heute lässt die Präzision der einstigen Steinmetze staunen. Wuchtige Steinquader wurden so präzise bearbeitet, dass sie fast fugenlos auf- und ineinander passen. Da passt auch heute noch keine Messerklinge dazwischen. Bei meinem Besuch löste mein Interesse an der »Monstermauer« Befremden unter den Einheimischen aus. Sollte denn dieser bleiche Fremdling mit einigen Gefährten aus dem fernen Europa nach Vijayanagara gekommen sein, um dicke Steine zu bestaunen?

Über die Geschichte von Vijayanagara, heute Hampi, am Tungabhadra gelegen, ist wenig bekannt. Im Jahr 1443 besuchte Abdul Razzaq, ein berühmter persischer Reisender, die mysteriöse Stadt. Staunend stellte er fest, wie er in seinem Tagebuch notierte: »Ich sah, dass sie (die Stadt) von enormer Größe mit riesiger Bevölkerung war, mit einem König von perfekter Herrschaft. Er besaß tausend Elefanten. Sie findet nicht ihresgleichen in der Welt!«

1565 fielen marodierende muslimische Armeen ein, mordeten und verwüsteten. Was wurde aus den Siegern? Was geschah mit den Verlierern? Wir wissen nicht viel. Ihre Vergangenheit verliert sich im Dunkel der Geschichte. Mag sein, dass in gewaltigen Archiven Indiens bis heute nicht erfasster schriftlicher Texte die genaue Historie von Vijayanagara erfasst wurde ... Bis heute imponieren die Reste der einstigen Monstermauer um Vijayanagara. Wer aufmerksam das riesige Areal durchstreift, steht immer wieder staunend vor Beispielen höchst präziser Steinmetzkunst.

»Von der einstigen Verteidigungsmauer ist so gut wie nichts mehr übrig geblieben ... « erklärt mir fast wehmütig ein einheimischer Guide. »Die muslimischen Truppen haben bei der Eroberung sehr viel zerstört.«

Reste einer Präzisionsmauer
Foto: W-J.Langbein
John M. Fritz hat zusammen ein großformatiges Werk über Vijayanagara geschrieben. Erschienen ist es bei »Aperture« in New York, gedruckt und gebunden wurde es in Würzburg ... und gekauft habe ich es vor Ort in Vijayanagara. Die Autoren fassen die besondere Bedeutung der Stadt in einer Kapitelüberschrift zusammen (1): »Where Kings and Gods Meet« ... Wo sich Könige und Götter treffen. Die beiden Autoren führen aus: »Wie andere antike Städte, wo menschliche Geschicke nicht von Mythen getrennt werden können, kann Vijayanagara nicht vollständig begriffen werden, wenn wir uns nur an historische und archäologische Fakten halten!« Weiter heißt es da: »Über zwei Jahrhunderte erfüllte die Stadt die militärischen, verwaltungstechnischen und hauptstädtischen Bedürfnisse von Herrscher und Hofstaat. Seine Funktion war aber eine wichtigere als die einer Hauptstadt eines Hindu Imperiums.

Tatsächlich war Vijayanagara die städtische Verwirklichung von kosmischen Prinzipien, die den Herrscher mit göttlicher Macht ausstattete.« Die Autoren erklären dass die Reiche von Königen und Göttern nicht separat voneinander existierten. Göttliches und Irdisches gingen ineinander über. Götter waren keine Geistwesen, sondern reale hoheitliche Wesen, wie zum Beispiel Gott Ganesha (»Herr der Scharen«), der sich in Vijayanagara großer Beliebtheit erfreute. Ganesha, häufig mit einem mächtigen Elefantenkopf dargestellt, wurde – wie der biblische Adam – aus Lehm erschaffen. Allerdings formte ihn kein männlicher, sondern ein weiblicher Gott, nämlich die Göttin Parvati, »Göttin der Berge«.

Ganesha darf in keinem Haus eines Hindu fehlen, gilt er doch heute noch als Gottheit des Glücks, als »Beseitiger der Hindernisse«, der Weisheit und des Neuanfangs. Es gibt kaum eine Situation im Leben eines Hindu, in der nicht Ganesha angerufen werden kann!

Ein Ganesha in Vijayanagara
Foto: W-J.Langbein
Vijayanagara war einst ein Wunder der prachtvollen Baukunst. Und warum? Wollten die Baumeister nur Prunk bieten für eingebildete Herrscher? Nein! Es galt nicht, nur mächtigen Irdischen zu huldigen. Die Göttlichen waren genauso real wie die Irdischen! Was ist das besondere von Städten wie Vijayanagara? Antwort (2): »Die antiken Sanskrittexte waren Anleitungen (Handbücher) für den Bau von heiligen und säkularen Monumenten. Sie legen fest, wie man Hauptstädte anlegt, definieren den angemessenen dreidimensionalen Rahmen für Begegnungen von Königen und Göttern.«

Aus jener längst vergangenen Zeit der Vorgeschichte, als sich Götter und Menschen trafen, gibt es einige interessante Überlieferungen. Eine dominante Rolle spielte einer der bedeutendsten Götter Indiens überhaupt, der mächtige Shiva. Shiva wurde nicht als körperloses, unsichtbares Geistwesen angebetet. Er wurde als reales, mächtiges Wesen angesehen ... mit durchaus »irdischen« Gelüsten! So fand er Gefallen an hübschen Menschentöchtern. Und wenn eine Schöne nackt badete, wendete er sich nicht verschämt ab. Man könnte Shiva als »göttlichen Spanner« bezeichnen ... und als eitlen Geck. Selbstgefällig beobachtete Shiva, dass ihm eine junge, sehr attraktive Frau regelmäßig Opfer darbrachte.

Die Schönheit hieß Pampa und war eine Tochter des weisen Mantanga. Shiva begnügte sich nicht mit einer platonischen Beziehung. Er verliebte sich und heiratete die attraktive Menschentochter. So paarten sich Gott und Mensch. Der Eheschließung wohnte die Creme der irdischen Gesellschaft und Götter bei!

Noch heute gedenkt man in der indischen Stadt Hampi, dem heutigen Vijayanagara, dieser Hochzeit. Man feiert im »Virupaksha Tempel« (Virupaksha ist der örtliche Name Shivas). Tausende von Pilgern strömen alljährlich im Frühjahr herbei, um den rituell nachgestellten Zeremonien beizuwohnen. So wie Christen das Leben ihres Gottes Jesus Jahr für Jahr im Gottesdienst von der Geburt bis zu Tod und Auferstehung feiern, so erinnert man sich möglichst plastisch an die Zeit, als sich Götter und Menschen paarten. Das uralte Fest, so wird überliefert, soll es schon gegeben haben, als Vijayanagara noch eine blühende Metropole war. Schon die allerersten Herrscher der Stadt verehrten Shiva als »den« Beschützer schlechthin. Sie dankten in pompösen Feiern Shiva und anderen Göttern für die Aufmerksamkeit, die ihnen von den Himmlischen zuteil wurde.

Gott Shiva, Bangalore
Foto: Deepak Gupta
Die Sensation aus Indien wurde rasch von anderen Meldungen aus anderen Teilen unseres Globus verdrängt. So dauerte es dann noch Jahre, bis Gelder für archäologische Ausgrabungen zur Verfügung standen. Erst 1917 führte A. L. Longhurst einige Ausgrabungen vor Ort durch. In den 20er Jahren versuchten einige Experten, die Metropole als Musterbeispiel für antike Städteplanung zu erforschen. Doch auch ihr Interesse ließ rasch nach ... und so blieben die bis in jene Tage halbwegs gut erhaltenen Baudenkmäler schutzlos der »modernen Zivilisation« ausgeliefert. Kostbare Denkmäler verfielen, andere mussten der modernen Städteplanung weichen.

Dabei müsste doch Vijayanagara jeden Erforscher der »grauen Vorzeit« faszinieren! Meiner Meinung nach ist Vijayanagara das indische Pendant zu Tiahuanaco in Südamerika. Hier wie dort sollen himmlische Wesen zur Erde herabgestiegen sein. Und – ich wiederhole dieses Faktum – diese Götter waren für die Inder reale Wesen aus himmlischen Gefilden ... aus Fleisch und Blut! Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass sie – für uns Mitteleuropäer manchmal befremdlich, auch als Tiere oder Mensch-Tier-Mischwesen dargestellt werden.

Ein Kuriosum für Nicht-Inder stellen die häufig anzutreffenden Tempel-Äffchen dar. Geschwind sausen sie in den steinernen Heiligtümern umher ... ersteigen Statuen und Tempeldächer, bestaunen kamerabehängte Touristen und lassen sich beim Mittagsschläfchen ungern stören.

Indische Tempeläffchen - Fotos: W-J. Langbein


Fußnoten
1: Fritz, John: »City oft Victory«, New York 1991, S. 11
Literatur
2: ebenda, Seite 11 unten und 15 oben (Hinweis: Seiten 12-14 sind reine Bildseiten!)

Literatur
Fritz, John: »City oft Victory«, New York 1991
Langbein, Walter-Jörg: »Bevor die Sintflut kam«, München 1996
Langbein, Walter-Jörg: »Das Sphinx-Syndrom«, Berlin 1997
Langbein, Walter-Jörg: »Reisenotizen Indien 1996«, unveröffentlichtes Manuskript
Marco-Polo-Reiseführer: »Indien«, Ostfildern o.J.
Michell, George: »Der Hindu-Tempel«, Köln 1991
Nelles Guides: »Indien Nord«, ohne Ortsangabe, 2. Auflage

»Hanuman, der Göttliche Affe«,
Teil 166 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«,
erscheint am 24.3.2013


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Montag, 11. März 2013

Fido Buchwichtel nimmt alles sehr persönlich

Hallo liebe Leute!

Lesen! Kaufen! Weiterempfehlen!
Hier bin ich wieder:
Fido Buchwichtel mit dem Bestseller der Woche aus dem Wichtelland.

Heute geht es um ein besonderes Büchlein das ich Euch, liebe Menschen, vorstellen möchte. Dieses Buch hat in der Wichtelgemeinde für Diskussion gesorgt, vermutlich auch deshalb, weil alte Wunden wieder aufgerissen wurden: Die leidige Geschichte von der Wichtelin Susa die mit einem braven Wichtelmann durchgebrannt war. Dieser hatte tatsächlich Wichtelfrau und Kinder verlassen, wegen dieser Susa, was ein sehr ungewöhnliches Verhalten für einen gestandenen Wichtelmann ist. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen!

Wie konnte das geschehen? Nun bin ich froh, hier bei »Ein Buch lesen!« Gastautor zu sein. Bei uns im Wichteldorf gibt es auch kein Internet, darum spreche ich mal ganz offen, so von Wichteln zu Menschenkerlen: Susa war schon eine Süße, hatte einen unglaublichen Augenaufschlag. Aber das war es nicht alleine. Ihre Hupen waren eine Wucht, da biss die Maus keinen Faden ab. Das da der Verstand eine Wichtels unterhalb seiner Gürtellinie rutschen konnte … wenn Ihr versteht, was ich meine ….

Das Geschrei unter den Wichtelfrauen war natürlich groß, zumal Susa ihrerseits einen fleißigen Wichtelmann sitzen ließ. Den sie vorher noch um seine Eicheln und Bucheckernvorräte gebracht hatte!

Ich höre noch das Jammern der Verlassenen: »Ich habe auch schöne Huuuppääään!«, das jäh verstummte, als unsere Kräuterwichtelin Licht in das Hupenmysterium brachte: Susa hatte die Vorräte zu einem Quacksalbertroll gebracht und sich die Hupen mit Gerstensplitt unterlegen lassen. Diese Mogelpackungen trug sie stolz vor sich her, machte die Wichtelkerle damit bekloppt und brachte kleine Wichtelkinder um ihren Vater. Da der Quacksalbertroll aber minderwertigen Gerstensplitt verwendet, war es eine Frage der Zeit, bis es in Susas Hupen ordentlich zu gären begann. Das kommt dabei heraus!

Als wir Wichtel das Buch: nimm es nicht persönlich von der Menschenautorin Sylvia B. zum Bestseller der Woche kürten, kam diese alte Geschichte wieder hoch. Nach allem was wir über Euch Menschen wissen verwundert es uns nicht, dass bei Euch Beziehungsstress zum Alltag gehört. In den Texten des Büchleins wird das deutlich. Eine Wichtelfrau brachte es auf den Punkt als sie meinte, dass dieses »nimm es nicht persönlich« eine sehr dumme menschliche Redewendung sei. Die Autorin scheint auch dieser Auffassung zu sein. Dann hörte ich noch von einer anderen Wichtelin, dass die Menschenkerle, im Vergleich zu Wichteln, scheinbar richtige Trottel sein können. 

Was soll ich dazu sagen? Mir gefallen die Bilder in dem Buch. Darum rufe ich Euch zu: Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen! nimm es nicht persönlich: Poetische Texte und erotische Bilder der Bestseller der Woche im Wichtelland.

Bis nächsten Montag und winke winke Euer

Fido Buchwichtel




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Sonntag, 10. März 2013

164 »Von einem Gott, der vom Himmel stieg«

Alle Straßen führen nach Cobá«, Teil III
Teil 164 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Tulum, Mayastädtchen am Meer
Foto: W-J. Langbein
Zu den schönsten Ruinenstätten der Mayas gehört die faszinierende Anlage von Tulum. Direkt am Karibikstrand gelegen, lockt Tulum Massentourismus an. Zu günstigsten Pauschalpreisen können Scharen nordamerikanischer Touristen, »ALL INCLUSIVE« sei Dank!, ihre puritanisch-frömmelnde Lebensweise vergessen und sich betrinken. Am kulturellen Erbe der Mayas haben diese Vertreter der »zivilisierten Welt« eher selten Interesse. Dabei bieten einige der im gleißenden Sonnenlicht förmlich strahlenden Tempel ein Geheimnis: In mehreren Varianten steigt da, im Stuck verewigt, ein Gott hernieder. Mit angezogenen Beinen stürzt er kopfüber aus dem Himmel zur Erde.

Eines der sakralen Bauten, ein kleiner, aber feiner Tempel, trägt die Bezeichnung »Templo de los Frescos« (der »Freskentempel«). Seine zentrale Lage in der Ruinenstadt lässt auf eine ganz besondere Bedeutung schließen. Über dem Eingang wurde das Relief des »herabstürzenden Gottes« angebracht. Einen fast identischen Schmuck gibt es am »Castillo«, einem weiteren Tempel. Auch hier findet sich ein Gegenstück zur biblischen Himmelfahrt. Der Maya-Gott strebt nicht dem Himmel entgegen wie weiland Jesus auf so manchem christlichen Gemälde. Er kommt vielmehr aus dem Himmel zur Erde.

Ein ganz ähnliches Motiv findet sich in Cobá. Wer allerdings im Sauseschritt durch die weitläufigen Tempelanlagen hastet, bekommt es nicht zu Gesicht ... Guides weisen in der Regel auch nicht darauf hin.

Im Standardwerk »Das Alte Mexiko« von Hanns J. Prem und Ursula Dyckerhoff lesen wir über die Pyramide »Nohoch Mul« (1): »Letztere mit intaktem Tempel und bemalter Skulptur des Herabstürzenden Gottes«. Mir scheint, die Experten haben nicht die steile Pyramide »Nohoch Mul« erklommen. Sonst wüssten sie, dass dort nicht eine Skulptur des ominösen vom Himmel stürzenden Gottes zu sehen ist ... sondern deren zwei. Und ursprünglich waren es wohl deren drei, also eine Maya-Trinität!

Maya-Treppe in den Himmel
Foto: W-J. Langbein
Man nähert sich der mit einer Höhe von 42 Metern den dichten Urwald überragenden Pyramide. Eine imposante Treppe von zwölf Metern Breite führt empor zum Tempel an der Spitze. Wer dort oben ankommen will, muss 120 steile Treppenstufen überwinden. Wer die »Himmelstreppe«, die teilweise erheblich beschädigt ist, genauer betrachtet, erkennt eine Besonderheit des Bauwerks: Es wurde terrassenförmig angelegt. Wer die Treppe erklimmt, sieht, dass zwölf Plattformen den massiven Leib des »großen künstlichen Hügels« bilden.

In gewisser Weise erinnert das Bauwerk dem ebenfalls steilen »Turm von Babel«, der auch ganz oben auf seiner höchsten Plattform einen Tempel trug ... so wie »Nohoch Mul«, so wie die typische zentralamerikanische Pyramide. Sie diente, anders als etwa die Cheopspyramide, als Sockel für den Tempel, der dem Himmel möglichst nahe sein sollte. Die Pyramide in Mexico – etwa der »Tempel der Inschriften« – ist von untergeordneter Bedeutung. Sie hat einen Tempel zu tragen ... und das möglichst hoch über der Erdoberfläche. Erinnern wir uns: Auch die »Kukulkan-Pyramide« von Chichen Itza hatte diese Funktion!

Im Reiseführer von Marianne Mehling stoßen wir auf den gleichen Fehler, der uns schon bei Prem und Dyckerhoff aufgefallen ist (2): »Dieses ... Heiligtum bewahrt in einer der drei rechteckigen Eingangsnischen die polychrome Skulptur des ›Herabstürzenden Gottes«, der in den archäologischen Stätten am Karibischen Meer häufig auftaucht.«

Tempel auf der Pyramidenspitze
Foto: Wolfgang Sauber,
Creative Commons
Diese Beschreibung ist etwas irreführend: Bei den »rechteckigen Eingangsnischen« handelt es sich vielmehr um Nischen im Dachfries. Zwei davon sind noch recht gut erhalten. Da man davon ausgehen kann, dass das Gebäude symmetrisch war, ist eine dritte Nische zu vermuten. Sie befand sich in jenem Teil des Frieses, das offenbar eingefallen ist und nicht rekonstruiert wurde. Die beiden anderen Nischen über dem schmalen Eingang in den Tempel und im rechten Teil des Frieses sind gut erhalten ... und in jeder von ihnen stürzt der aus Tulum bekannte Gott vom Himmel zur Erde.

Bis heute wurde der »große künstliche Hügel« nur äußerlich untersucht und auch nur zum Teil rekonstruiert.

Archäologen vermuten, dass auch (wie viele andere Maya-Bauten, etwa die »Pyramide des Zauberers«) »Nohoch Mul« in mehreren Etappen gebaut wurde. Vermutlich gab es ein sehr altes Ur-Gebäude, über das nach und nach mehrere Schichten gestülpt wurden. Aus bislang unerfindlichen Gründen scheinen die Mayas ihre religiösen Zentren in regelmäßigen Abständen urplötzlich verlassen zu haben, um auf Wanderschaft zu gehen und an anderer Stelle eine neue Siedlung anzulegen.

So befinden sich – davon kann man wohl ausgehen – im Inneren der Pyramide in ihrer heutigen Form ineinander verschachtelt weitere Pyramiden, vermutlich auch Tempel. Man müsste wie ein Bergmann Tunnel in den Leib der Pyramide treiben, um dort dann die älteren Tempel zu entdecken. Ob sich für diese verlockende Aufgabe finanzielle Mittel locker machen lassen? Ich habe da meine Zweifel. Positiv formuliert: Die Pyramiden im Inneren der Pyramide sind geschützt und weder der auch in Mexiko bedenklichen Umweltverschmutzung, noch den trampelnden Füßen der Touristen ausgesetzt! Auch schreitet die Technologie der praktischen Archäologie voran. Ich bin sicher: Eines Tages wird man Miniaturkameras durch Bohrlöcher in das Innere der Pyramide einführen.

Die beiden erhaltenen Götter
von Cobá
Fotos: Wolfgang Sauber,
Creative Commons
Erinnern wir uns: Der Gott des »Alten Testaments« stieg wütend vom Himmel hernieder, um den »Turm zu Babel« (mit einem Tempel auf der Spitze) zu inspizieren. In Tulum und Cobá sehen wir ebenfalls vom Himmel zur Erde herabsteigende Götter. In Cobá wie in Tulum kannte man sie ... die vom Himmel stürzenden Götter. Man verewigte sie in Skulpturen ...

Die Steinmetze von Cobá waren fleißig. Sie haben an so mancher Treppenstufe empor zum Tempel Symbole angebracht, die an Muscheln erinnern. Und sie haben über dreißig Kunstwerke geschaffen, Stelen aus Stein und steinerne Wandtafeln. Für die Ewigkeit waren diese Bildnisse nicht gedacht. Oder ahnten die Künstler zu Maya-Zeiten nicht, wie rasch der Zahn der Zeit den Platten aus Kalkstein zusetzen würde? Es wurden Maya-Glyphen (im Gegensatz: ägyptische Hieroglyphen) in äußerst porösen Kalkstein gemeißelt.

Sie sind heute so stark verwittert, dass kaum noch etwas von den alten Zeichen entziffert werden kann. »Ach, könnte man sie nur noch wie ein Buch lesen ...« klagte ein Archäologe vor Ort. »Dann wüssten wir mehr von Cobá!« Etwas besser zu erkennen sind die bildhaften Darstellungen auf den Stelen. Da steht ein »Würdenträger« (Herrscher? Fürst? Priester? Krieger?) aufrecht und stolz. Häufig sieht man zu Füßen des Stehenden, auch direkt darunter, einen Liegenden. Manchmal wird der Stehende von zwei demütig Hockenden getragen. Oder sollen nur die betenden Kleinen dargestellt werden, die sich vor dem Großen demütig erniedrigen?

Eine der Stelen
Foto: W-J.Langbein
Ich taste eine Stele ab ... In der Hand hält der Würdenträger einen Stab, der an ein Zepter erinnert. An beiden Enden befinden sich Masken oder Köpfe. Die Bedeutung des Stabs ist umstritten. Vor Ort gab man mir eine Erklärung, die mir einleuchtet... passt sie doch zu den vom Himmel stürzenden Göttern. Oder war nur ein Gott, der vom Himmel kam, der aber mehrfach in Stein gemeißelt wurde. Der untere Kopf steht für Erde/ Unterwelt, der obere bedeutet den Himmel. Der Stab symbolisiert die Verbindung zwischen Himmel und Erde... den Weg, den der herabstürzende Gott aus dem Himmel zur Erde gewählt hat!

Ist dies die Botschaft von Cobá? Erzählen uns Pyramiden und Stelen einen Mythos: Hier kamen göttliche Wesen vom Himmel zur Erde? War Cobá so etwas wie ein Heiligtum, weil sich in längst vergessenen Zeiten Menschen und Götter begegneten? War Cobá eine Begegnungsstätte von Menschen und Göttern, wie das indische Vijayanagara? Schade, dass wir die Glyphen von Cobá nicht mehr wie ein Buch lesen können!

»Das kann schon sein!« pflichtete mir ein Archäologe vor Ort im »Villas Arqueológicas« bei. „Wir wissen sehr viel weniger als wir vorgeben! Selbst wenn Darstellungen auf verwitterten Stelen beschrieben werden, kommt viel Fantasie ins Spiel." Fragen über Fragen ...«

Die ovale Pyramide von Cobá
Foto: W-J.Langbein
Warum wurde die mehrschichtige »Xai-be«-Pyramide als fast ovaler Bau angelegt? Wurde die kuriose Pyramide als Aussichtsplattform benutzt? Warum wurden die Straßen mit einer besonders hellen Schicht überzogen? Waren die Straßen nicht nur profane Verkehrswege, sondern Peillinien? Wiesen sie auf besonders heilige Orte hin?

»Schauen Sie sich vor Ort um!« ermutigte mich »mein« Archäologe. »Und misstrauen Sie den Beschreibungen in wissenschaftlichen Werken! Da werden vermeintliche ›Tatsachen‹ aufgetischt, die einfach nicht stimmen. Da werden Vermutungen als bewiesene Erkenntnisse ausgegeben!«

Ich berichtete dem Archäologen von meiner Begegnung mit dem dicken Uniformierten, der die große Pyramide von Cobá so flott erstieg und der so unrühmlich wieder nach unten kletterte. »Im Volksglauben leben uralte Überlieferungen weiter, die Sie in keinem Buch finden werden!« Ich fragte nach: »Auch von der Göttin?« Mein Gesprächspartner wurde sehr ernst: »Auch von der! Sie wurde schon lange vor der Zeit der Mayas angebetet! Und sie hat noch heute Anhänger, auch in mächtigen Kreisen von Politik und Militär! Die katholische Kirche weiß das. So lange jemand offiziell getaufter katholischer Christ ist ... ist alles in Ordnung! Der Versuch, den uralten Glauben in Vergessenheit geraten zu lassen, wurde längst aufgegeben ... nach Jahrhunderten des Kampfs gegen das "Heidentum", das älter als das der Mayas ist!«

Fußnoten
1: Prem, Hanns J. und Dyckerhoff, Ursula: »Das Alte Mexiko – Geschichte und Kultur der Völker Mesoamerikas««, München 1986, S. 402
2 Mehling, Marianne (Herausgeberin): »Mittelamerika – Die Welt der Maya«, Lizenzausgabe, Augsburg 1998, S. 100

»Nach Indien, der Götter wegen ...«
Teil 165 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysteien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 17.03.2013


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Montag, 4. März 2013

Fido Buchwichtel und das Netz der Gutmenschen


Hallo liebe Leute!

Es ist Montag und da bin ich wieder:
Euer Fido Buchwichtel mit dem Bestseller der Woche aus dem Wichtelreich.

Habt Ihr mich schon vermisst? Das freut mich!

Sicher habt Ihr Menschen Euch schon überlegt, warum Ihr uns Wichtel so selten zu sehen bekommt. Nun, das hat mehrere Gründe, einen davon möchte ich Euch heute beschreiben. Ihr Menschen seid, aus unserer Sicht, komische Kreaturen. »Wir müssen uns vor den Menschen hüten, vor den guten genauso sehr wie vor den bösen!«, lautet eine alte Wichtelweisheit. 

Endlich hat ein Menschenautor, sein Name ist Hanns B. Ürgerschreck, ein Problem beschrieben, das wir Wichtel mit einer Gruppe von Menschen haben: den Gutmenschen! Hanns B. Ürgerschrecks Publikation Im Netz der Gutmenschen - Wie eine Gesellschaft sich selbst erledigt, übrigens ein Kindle-eBook, hat im Wichtelreich für Aufsehen gesorgt. Wenn ich Euch eine Wichtelgeschichte dazu erzähle, werdet Ihr auch verstehen, warum.

Vor nicht allzu langer Zeit hörte eine Wichtelfamilie ein schwaches Klopfen an der Haustür. Ein Wichtelkind stürzte hin und riss sie auf. Der Wichtel, der sich von außen erschöpft dagegen gelehnt hatte, verlor das Gleichgewicht und kullerte mit einem erschreckten Aufschrei in die Wohnstube der Familie. Die Wichtel blickten verdutzt auf den kleinen, ziemlich dicken Wichtel, der mit wirrem Haar vor ihnen auf dem Boden herumkugelte. Es war der Opa der Familie, der kaum wiederzuerkennen war.

Nachdem er sich etwas erholt hatte, berichtete Opa, dass er in die Hände von Menschen geraten war! »Ja. Stellt Euch mal vor, welche Schmach das ist ... mich hat der »Verein zur Rettung der Wichtel« in die Hände bekommen!« berichtete er. So etwas können sich auch nur Menschen ausdenken, oder? Als ob wir gerettet werden müssten! Wir sind ein stolzes Volk, das für sich selber sorgen kann!

Dabei wollte er an dem Tag einfach nur ein paar Beeren pflücken gehen ... da sah ihn so ein dummes Menschenweib, packt ihn und steckt ihn in ihren Korb! Sie hat den armen Wichtel dann ihren Freundinnen vorgeführt, die alle meinten, er sei viel zu dünn. Vollgestopft mit ungesunden Sachen haben sie den armen Opa! Immer wieder. Und keine Ruhe haben sie gegeben, bis er seinen Teller leer gegessen hatte. Die Menschenfrauen haben Opa gebadet, ihm einfach die Klamotten ausgezogen und durch eine ekelhafte Brühe gezogen! Er stank wie ein Iltis nach irgendetwas, was die Menschen »Parfüm« nennen. Seinen guten, alten Leinenmantel haben sie ihm weggenommen und ihn erst in tuntige Klamotten und danach tatsächlich in einen Käfig gesteckt! Dann haben sie angefangen, überall Geld für ihn zu sammeln. Und weil ihn alle so niedlich fanden, kam da ganz schön was zusammen.

Der Menschenverein zur Rettung der Wichtel hat tatsächlich ein freies Mitglied vom Volk der Wichtel in einen Käfig gesperrt! Aber Opa konnte fliehen, als ein Vereinsmitglied versehendlich die Käfigtür nicht richtig verschlossen hatte.

Versteht Ihr jetzt, warum Im Netz der Gutmenschen der Bestseller der Woche im Wichtelreich geworden ist? Ins Netz der Gutmenschen zu geraten ist eine ernste Sache.  Wie Schatten huschen wir Wichtel durch das Gebüsch davon, wenn wir von Weitem einen Menschen kommen sehen. Denn es könnte ja ein Gutmensch sein ...

Im Sinne meines Ahnen, dem berühmten Buchwichtel Johann Wolfgang von Kurzarm rufe ich Euch zu: Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen! Im Netz der Gutmenschen - Wie eine Gesellschaft sich selbst erledigt  

Bis nächste Woche und winke winke Euer

Fido Buchwichtel




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Sonntag, 3. März 2013

163 »Von einem, der in den Himmel stieg!«

»Alle Straßen führen nach Cobá«, Teil II
Teil 163 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


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Ritual-Raum auf der
Nohoch-Mul-Pyramide
Foto: Dlogic
»Nach Cobá wollen Sie? Nach Cobá in Mexiko? Warum das denn?« fragte mich der »Mexiko-Experte« eines Reisebüros. »Da gibt es doch nichts zu sehen!« Gut, dass ich mich nicht davon abhalten ließ, die Maya-Metropole Cobá zu besuchen ... und das im Verlauf der Jahrzehnte wiederholt.

Das bis zu 100 Quadratkilometer große Areal von Cobá ist weitestgehend eben. Einige kleinere Erhöhungen wurden genutzt, um darauf Tempel oder Pyramiden zu errichten. Zwanzig Gebäudekomplexe hat die Archäologie inzwischen ausfindig gemacht, die untereinander mit Dammstraßen (genannt »sakbeo'ob«) verbunden sind. Bis zu sechs Kilometer sind diese vorzüglich nivellierten Wege auf erhöhtem Niveau lang ... im innerstädtischen Straßennetz.

Das Straßennetz von Cobá ist aber auch an jenes System von Fernstraßen angebunden, das so typisch für die Maya-Kultur war. So führt eine Fernstraße vom »Grupo Nohoch Mul« über Cuacan, Xcahumil, Ekal und Sisal ins einhundert Kilometer entfernte Yaxuná. Die Fernstraßen waren Luxus pur für ein Volk, das angeblich nicht einmal das Rad kannte. Dammstraßen ins übrige Mayareich waren nach heutigen Erkenntnissen zwischen zwanzig und hundert Kilometer lang und zwischen sechs und zehn Metern breit!

Warum wurden Straßen auch über lange Strecken auf Dämmen geführt? Nach vorsichtigen Schätzungen wurden bis zu 750.000 Kubikmeter Material in einer einzigen Straße verbaut. Und wir wissen nicht, wie riesig und komplex das Netz gewesen ist, wovon die Metropole Cobá nur ein kleiner Teil war! In Zentralamerika führten alle Straßen nach Cobá ... und in andere sakrale Zentren! Jahrhunderte gingen über das Straßennetz hinweg. Einst freie Ebenen wurden vom Urwald zurück erobert, der die Straßen verschlang. Andere Dammstraßen wurden im Zuge der Bebauung und Nutzbarmachung für die Landwirtschaft und Viehzucht abgetragen und vollkommen zerstört. (1) Straßen verschwanden ... Selbst einst stolze Pyramiden sind oft kaum oder gar nicht mehr zu erkennen!

Das war einmal eine Pyramide
Foto: Laslovarga
Es gibt keinen Zweifel: Das Volk der Mayas war alles andere als primitiv. Um das riesige Straßennetz anzulegen, war eine präzise strategische Planung erforderlich. Nach wie vor ungeklärt ist die Frage, welchem Zweck dieses Straßennetz diente. Und wenn die Mayas, wie nach wie vor behauptet wird, das Rad nicht kannten, wenn sie keine Zug- oder Lasttiere kannten, dann waren Straßen von zwanzig Metern Breite schlicht und einfach absurd.

Und wenn man in der Schulwissenschaft vor einem scheinbar unlösbaren Rätsel steht, hilft rasch die Erklärung »Kult«. Schon sind wieder unbequeme Fragen beantwortet: Die Straßen hatten zeremoniellen Charakter. Oder: Es waren »Prozessionswege«. Wem das zu religiös-esoterisch ist, mag andere Antworten vorziehen: Demnach waren die Straßen ein »Prestigeobjekt zur Selbstdarstellung der herrschenden Elite«. (2)

»Ein Straßennetz zwischen einzelnen Kultkomplexen und auch zu entfernten Orten Nord-Yukatans lassen darauf schließen, daß Cobá ein bedeutendes Bevölkerungs- und Handelszentrum war.« So lesen wir im fulminanten Standardwerk »Das Alte Mexiko – Geschichte und Kultur der Völker Mesoamerikas« von Hanns J. Prem und Ursula Dyckerhoff (3). Weiter heißt es (4): »Sehr bemerkenswerte Monumente unterhalb der zugänglichen Ruinenkomplexe sind die beiden etwa 40 m hohen Pyramiden ›El Castillo‹ und ›Nohoch Mul‹ .., außerdem die Baugruppe ›Las Pinturas‹ mit Säulenhallen und Resten von Fassadenmalerei, eine Ansammlung von acht Stelen mit Darstellungen von Würdenträgern, die auf dem Rücken von Gefangenen stehen.«

Pyramide Nochol Mul
Foto: W-J.Langbein
Anmerkung: Hier hat sich offenbar ein Fehler eingeschlichen. »El Castillo« ist ein anderer Name von »Nohoch Mul«. Beide Namen kennzeichnen nicht zwei, sondern eine Pyramide!

Mich lockte schon bei meinem ersten Besuch in Cobá die »Grupo Nohoch Mul«. Der Name der Gruppe sagt alles: »nohoch« steht für »groß«, »mul« für »künstlicher Hügel«. Der »große künstliche Hügel« stand ganz vorn auf meinem Reiseprogramm. Allerdings hatte mich bei der Ankunft im Hotel »Villas Arqueológicas« Montezumas Rache heimgesucht. So verbrachte ich den ersten Abend und die Nacht nicht im bequemen Hotelbett, sondern im Badezimmer ... Auch den zweiten Tag hielt ich mich in jener hygienischen Räumlichkeit auf. Mit dem Feuerzeug angekokeltes Brot brachte schließlich Linderung ... und so machte ich mich am zweiten Abend, immer noch geschwächt, auf ... um der Pyramide Nohoch Mul einen ersten Besuch abzustatten. Meine Kameratasche ließ ich im Hotelzimmer zurück, sie kam mir in meinem Zustand vor, als sei sie mit Bleibarren gefüllt.

Vom Haupteingang der archäologischen Anlage, so hatte man mir im Hotel versichert, würde ich zum gesuchten Komplex 20, höchstens 25 Minuten benötigen. Nach 50 Minuten erreichte ich endlich, vollkommen verschwitzt die Pyramide »Nohoch Mul«. Manche Archäologen nennen das mysteriöse Bauwerk prosaisch »Estructura 1« (»Struktur 1«), andere ziehen den spanischen Namen »El Castillo« (»Die Burg« vor). Der in den Himmel ragende steile Turmbau mag den spanischen Eroberern ob seiner imposanten Mächtigkeit wie »Die Burg« vorgekommen sein, eine Burg war der »große künstliche Hügel« aber nie.

Ich gebe zu, ich habe mich in der rasch einsetzenden abendlichen Dämmerung ein, zwei Mal auf einem schmalen Pfad bei einer Abzweigung im Busch geirrt... Ich stand dann aber doch endlich und unvermittelt vor der steinernen Sensation. Sie tauchte wie aus dem grünen Nichts des Urwalds auf. Urplötzlich ragte vor mir in den Himmel, wonach ich gesucht hatte ... »Nohoch Mul«. Im Verlauf der Jahrhunderte war die steile Pyramide vollkommen vom alles überwuchernden Urwald verschlungen worden. Das stolze Bauwerk musste mühsam freigelegt werden. Und seither wird der freie Platz unmittelbar vor dem Bauwerk ... so gründlich wie möglich ... von aufkeimendem Grün befreit. Und doch pirscht sich der feuchtheiße Busch wieder an die Treppe in den Himmel heran. Da und dort stehen schon nah an der Pyramide Bäumchen. Auch anderen majestätischen Gebäuden wird auf diese Weise »geholfen«, etwa der »nur« 24 Meter hohen »Iglesia«, die natürlich niemals eine »Kirche« (»iglesia«) war. Auch diese kleiner Pyramide muss vor dem Urwald bewahrt werden. Hunderte, nein Tausende andere Gebäude werden im undurchdringbaren Gestrüpp des Urwalds vermutet.

Die Kirche, die keine war
Foto: W-J.Langbein
Nie vergessen werde ich ein fast schon gespenstisch anmutendes Erlebnis bei »Nohoch Mul« ... Ermattet sitze ich auf einem Stein, wenige Meter von der steilen Treppe entfernt. Plötzlich hält wenige Schritte von mir entfernt ein Jeep. Zwei in Olivgrün gekleidete Muskelprotze stürzen auf mich zu. »No foto, no foto!« schreien sie und fuchteln mit Baseballschlägern herum. »I have no foto!« antworte ich und hoffe, dass sie ihre Pistolen in den Halftern lassen. Als ich wieder versichere, dass ich »no foto« habe, klettert ein beleibter Uniformierter aus dem Jeep und marschiert die wenigen Schritte auf die Pyramide zu.

Dann beginnt er, zunächst schnell, dann immer langsamer werdend, das Bauwerk zu erklimmen. Immer lauter schnappt er prustend nach Luft, quält sich aber weiter nach oben. Schließlich kriecht er auf allen Vieren die Stufen empor. Argwöhnisch beäugen mich dabei die beiden Muskelprotze, tippen mich mit ihren Baseballschlägern an. »No foto! No foto!« wiederholen sie immer wieder, recht aggressiv. Offensichtlich soll ich auf keinen Fall den Aufstieg des Dicken nach oben im Bilde festhalten.

»He very strong man!« radebreche ich. Die beiden Aufpasser nicken. Sie scheinen zu meinen, mir erklären zu müssen, warum der Starke die Pyramide erklimmt.

»Old religion!« erklären sie mir. »Very old religion!« Und so erfahre ich, dass es sich bei dem Dicken offenbar um einen hochrangigen Angehörigen des Militärs handelt. Und der steige so schnell wie möglich die Pyramidentreppe hinauf, um im Tempel an der Spitze zu beten. »He climb in sky, in heaven!« höre ich. In den Himmel steigt er also hinauf. Ich frage, ob sich der Mann im Tempel opfern wolle. Fahre dabei mit dem Zeigefinger an meiner Kehle entlang. Die beiden Muskelprotze lachen.

Nein, nein! Ihr Boss sei Big Boss. Er wolle die Göttin da oben um Macht bitten. »Power from the goddess!« Macht von der Göttin, will er haben. Und die Göttin komme natürlich auf der höchsten Pyramide hernieder, nicht auf einer der kleineren!

Klein, nicht minder fein ...
Foto: W-J.Langbein
Dann macht sich der Mann an den Abstieg. Er steht hoch oben auf der Plattform, reckt die Arme in den Himmel. Dann geht er Schritt für Schritt nach unten. Ich weiß aus Erfahrung, wie steil so eine Pyramidentreppe wirkt, wenn man von oben nach unten blickt. Die Tiefe scheint einen förmlich anzuziehen. Und wer hier fällt, kann sich alle Knochen im Leibe brechen.

Touristisch stärker frequentierte Orte bieten oft einen speziellen »Service« für heutige Besucher an. Eine oder mehrere Eisenketten dienen dem Gast als Behelfsgeländer. Man ergreift die Kette möglichst mit beiden Händen ... und zieht sich daran bei Ersteigen der Pyramide hoch. Beim Abstieg hält man sich wiederum an so einer Kette fest. Mit dem Rücken zum Abgrund kommt man so sicher zum Boden, wenn man sich nur Schritt für Schritt nach unten tastet ... die Hände stets fest an der Kette. Eine solche Kette gab es bei meinen Besuchen in Cobá nicht.

Geheimnisvolle Reliefs
Foto:



 W-J.Langbein
Dem Dicken in der Uniform scheint auch angst und bange zu werden. Vorsichtig lässt er sich auf seine »vier Buchstaben« nieder... und rutscht Stufe für Stufe aus dem Himmel zur Erde. Den Aufpassern wird offenbar bewusst, was für ein jämmerliches Schauspiel ich da beobachte. »No look...« befehlen sie. Sie packen mich an den Schultern, drehen mich um. Da stehe ich, mit dem Rücken zur Pyramide. Ich höre, wie sich der Uniformierte ächzend vom Himmel zur Erde zurück arbeitet. Ob ihm die Göttin Macht geschenkt hat? Mut hat sie ihm offenbar nicht zuteil werden lassen... Und würdevoll wirkte sein Abstieg ganz und gar nicht.

Kaum ist der Dicke unten angekommen, darf ich mich wieder umdrehen. Und schon klettert er erstaunlich behende in den Jeep. Seine Bodyguards grüße zum Abschied, indem sie mit ihren Baseballschlägern – grimmig blickend – salutieren. Wenig später braust der Jeep davon.

Viele Geheimnisse birgt Cobá... in den archäologisch unerforschten Dschungelregionen. Und dann gibt es noch steinerne Stelen mit geheimnisvollen Reliefs. Diese altehrwürdigen Kunstwerke haben unter dem Zahn der Zeit erheblich gelitten. Und doch verraten sie uns ein Geheimnis.... vielleicht das große Geheimnis von Cobá

Fußnoten

1: Sehr umfangreiche Informationen zum Straßensystem unter Einbeziehung von Cobá bietet eine Studie des wissenschaftlichen Studienzentrums INAH (»Instituto Nacional de Antropologia e Historia«): »Los caminos de Cobá«, Mexico, 1981
2: »Städte Altamerikas«, Hausarbeit von Sven Gronemeyer, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Altamerikanistik und Ethnologie, Wintersemester 2002/2003
3: Prem, Hanns J. und Dyckerhoff, Ursula: »Das Alte Mexiko – Geschichte und Kultur der Völker Mesoamerikas««, München 1986, S. 402
4: Ebenda

»Von einem Gott, der vom Himmel stieg«
Alle Straßen führen nach Cobá«, Teil III
Teil 164 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 10.03.2013


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